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# taz.de -- Superheldinnen im Comic: Die Welt braucht sie
> Comic-Trash und radikaler Relaunch: „Elektra“ als Ninja-Auftragskillerin
> und eine neue muslimische „Ms. Marvel“ – es besteht Anlass zum Jubeln.
Bild: Ms. Marvel: Das Kostüm kneift im Schritt, aber der Auftritt ist schon zi…
Superheldinnen haben es nicht immer einfach. Als die Fantastic Four
debütierten, regten sich manche Fanboys darüber auf, dass das Team kein
reiner Männerbund war, sondern tatsächlich eine Frau mitmischte. Das ist
lange her, über 50 Jahre. Heute dürfen und können Heroinnen längst alles,
was ihre männlichen Kollegen machen. Weniger populär sind sie, von einigen
Ausnahmen wie der kecken Catwoman abgesehen, aber nach wie vor. Zudem sind
sie oft einem lächerlichen Aussehens- und Dresscode unterworfen:
Melonengroße Brüste müssen ebenso sein wie Outfits, die an die
Berufskleidung von Stripperinnen und Dominas erinnern.
Etwas aus dem Rahmen fällt da die 1981 von Frank Miller erfundene
Auftragskillerin Elektra, in deren character design sich Crime-, Noir- und
Superheldenelemente in interessanter Weise miteinander verbinden.
Ursprünglich war sie nur eine Nebenfigur in „Daredevil“. Sechs Jahre spät…
stellte Miller sie dann in den Mittelpunkt der brillant erzählten
Action-Horror-Miniserie „Elektra Assassin“, deren von Bill Sienkiewicz
direkt kolorierte, extravagante Bilder die Lektüre zu einem rauschhaften,
tripähnlichen Erlebnis werden ließen.Alle weiteren Auftritte Elektras
blieben erheblich unter diesem Niveau, und so ist es auch bei ihrem
aktuellen Abenteuer. Hier kriegt es die Ninja-Dame mit Cape Crow zu tun,
einem Killer im Ruhestand, dazu mit Bloody Lips, einem kannibalistischen
australischen Serienmörder, der die Fähigkeiten und Erinnerungen seiner
Opfer übernehmen kann. „Blutlinien“ ist wüster Trash, der Sensationen
stapelt (Dinosaurier kommen ebenfalls vor) und sich dabei leider völlig
ernst nimmt. Die Zeichnungen Mike del Mundos imitieren, teilweise
ungeschickt, Sienkiewicz, verbunden mit ein paar Einflüssen von Bilal und
Frank Frazetta.
Ein kleiner, überraschender Anlass zum Jubeln ist dagegen die neue „Ms.
Marvel“-Serie. In ihrer bürgerlichen Identität war diese Heldin, die es
seit 1977 gibt, bislang ein leuchtend blondes, langbeiniges All-American
Girl namens Carol Danvers. Mit dem Relaunch hat sich dies radikal
verändert: Kamala Khan, wie Ms. Marvel nun im normalen Leben heißt, lebt
nicht im coolen New York, sondern im biederen New Jersey. Sie ist gerade 16
Jahre alt und eher ein Nerd: brünett, mittelhübsch, nicht allzu groß und
schüchtern. In ihrer Freizeit publiziert sie im Internet Fanfiction. Vor
allem aber: Kamala ist das Kind pakistanischer Einwanderer und daher, als
erste amerikanische Superheldin, eine Muslimin.
## Update von Spider-Man
Mit dieser Figur ist der Autorin G. Willow Wilson (einer aus Kamalas
Heimatstadt gebürtigen Islamkonvertitin) nichts Geringeres als ein
zeitgemäßes Update von Spider-Man geglückt. Wie der Netzschleuderer ist Ms.
Marvel kein Übermensch, sondern ein friendly neighbourhood superhero. Die
Welt braucht sie – zumindest am Anfang – nicht zu retten; stattdessen
bewahrt sie ein Mädchen vor dem Ertrinken und verhindert einen Überfall in
einem kleinen Supermarkt. Ansonsten muss sie in körperlicher wie seelischer
Hinsicht erst einmal lernen, mit den Kräften, die ihr plötzlich zugefallen
sind, zurechtzukommen.
Mit wenigen Strichen, aber differenziert skizziert Wilson, was es für
Kamala bedeutet, als Muslimin aufzuwachsen, im Zangengriff zwischen
partyfreudigen Mitschülern, die ihr mitunter mit Spott, mit Misstrauen
begegnen, und einer Familie, die Wert auf Glauben, Tradition und Bildung
legt. Die religiösen Werte, denen sich Kamalas Eltern verpflichtet fühlen,
erscheinen als ambivalent: Friedlichkeit und soziale Verantwortung gehen
Hand in Hand mit patriarchalischem Zwang. Kamalas Bruder, ein Nichtstuer,
verkörpert die Versuchungen des Islamismus.
Ausbalanciert werden diese schwierigen Themen durch die zart kolorierten
Bilder von Adrian Alphona, die zwischen Realismus und cartoonhafter
Übertreibung oszillieren, wie auch durch Komödiantisches – etwa wenn sich
Kamala in ihrer neuen Rolle tollpatschig anstellt oder feststellen muss,
wie sehr ihr Kostüm im Schritt kneift. Die schönste Pointe besteht aber
darin, dass „Ms. Marvel“, bei aller Innovation, den Superheldenmythos
letztlich auf seine Ursprünge zurückführt: Denn schon Clark Kent alias
Superman, der vom Planeten Krypton auf unsere Erde gelangte, ist ja nichts
anderes als – ein Migrant.
7 Dec 2015
## AUTOREN
Christoph Haas
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