| # taz.de -- Neuer Teil der Star-Wars-Saga: Dein Mentor ich bin | |
| > Nach zehn Jahren Wartezeit kommt nun ein neuer Teil der Jedi-Saga. Fünf | |
| > Padawane schreiben, was sie aus Star Wars gelernt haben. | |
| Bild: Wenn Darth Vader eine Stormtrooperin heiratet. | |
| Der Glaube ist ein Kraftfeld | |
| Ich bin Pazifist, habe nie eine Waffe abgefeuert, aber in meinem Keller | |
| liegt eine Sammlung von Lichtschwertern. Und obwohl ich Atheist bin, hat | |
| mich an Star Wars von Anfang an das Thema Religion interessiert. Es ist | |
| eine Alternative zu jedem Glauben, der einem hier auf der Welt angeboten | |
| wird: Die Macht ist ein Kraftfeld, das alle umgibt. Einige sind im Umgang | |
| mit ihr talentierter, andere weniger. Aber sie ist ständig da, steht allen | |
| offen. Ich fand diesen Gedanken schon als Kind geil und dachte: Wenn | |
| Religion so ist, ist das ganz funky. | |
| Die Originaltrilogie von Star Wars hat mich mein ganzes Leben begleitet. | |
| Vom T-Shirt bis zur VHS-Kassette. Ich hatte als Schulkind Spielfiguren und | |
| sogar mal in einem Fanfilm mitgemacht. Er erzählt die Geschichte vom | |
| Shuttle-Schiff Tydirium, das im dritten Teil „Return of the Jedi“ von den | |
| Rebellen gekapert wird. Der Fanfilm zeigt, wie die Rebellen an das Schiff | |
| kommen. Als ich den Trailer gesehen habe, dachte ich: Wahnsinn! Das ist der | |
| Film, der eigentlich hätte gedreht werden müssen! Ich hörte, dass die | |
| Dreharbeiten noch nicht abgeschlossen sind und wollte unbedingt mitmachen. | |
| Meinetwegen auch als Toter. Jetzt spiele ich einen imperialen Offizier. Der | |
| wird gefoltert und stirbt. Lange dachte ich: Okay, du bist Fan, aber doch | |
| kein Nerd. Dann habe ich ein paar Nerds getroffen und gemerkt: Scheiße, du | |
| bist der König der Nerds. | |
| Wenn ich heute höre, dass es in einigen Ländern Leute gibt, die ernsthaft | |
| den Jedi-Glauben angenommen haben und das bei ihrer Regierung zu einer | |
| staatlich anerkannten Religion durchboxen, denke ich, die sind vielleicht | |
| ein bisschen bescheuert. Aber ich muss zugeben, ich habe des Öfteren am | |
| Frühstückstisch versucht, mit meinem Willen den Löffel zu bewegen. Hat | |
| leider nicht geklappt. | |
| Björn Warns, alias Björn Beton, ist Sänger der HipHop-Gruppe Fettes Brot | |
| *** | |
| Hysterie ist ein schlechter Ratgeber | |
| Wäre Star Wars je finanziert worden, wenn es die Visual-Effects-Kids wie | |
| uns nicht gegeben hätte? Wegen des Minibudgets kamen Spezialisten für den | |
| ersten Film nicht infrage. Daher rekrutierte man filmverrückte | |
| Visual-Effects-Leute unter jungen Künstlern und Vietnam-Veteranen. Keiner | |
| hatte etwas zu verlieren, keiner je an einem Film dieser Größe gearbeitet. | |
| Als in England die Action-Szenen gedreht wurden, bauten wir in einem leeren | |
| Warenhaus in Kalifornien ein revolutionäres Visual-Effects-Studio auf. Wir | |
| arbeiteten oft 60 bis 80 Stunden die Woche, ohne Sozialversicherung, ohne | |
| Urlaubsgeld. Jedes Kamerasystem entwickelten wir selbst. Nach einem Jahr, | |
| zehn Monate vor Ende der Deadline, hatten wir erst eine von 365 | |
| Einstellungen fertig. Unser Budget war fast aufgebraucht. | |
| Bald stand ein Sparkommissar vor der Tür, der unseren Chef Dykstra feuern | |
| sollte. Wir sagten, wenn Dykstra geht, gehen wir auch. Dykstra blieb. Der | |
| Sparkommissar spielte ab da Eheberater zwischen uns und der | |
| Produktionsfirma. Doch die Leute bei 20th Century Fox wurden langsam | |
| hysterisch. Viele wollten das megalomane Projekt fallen lassen. Ein | |
| Kompromiss rettete den Film vor dem Aus: Fox trat alle Rechte für Spielzeug | |
| und jegliche Fortsetzungen ab, dafür waren die Filmemacher bereit, für | |
| jeden Dollar, den die Produktion das Budget überstieg zwei Dollar aus ihrem | |
| Anteil der Einnahmen zu zahlen. | |
| Was sonst aus Star Wars geworden wäre? Klar ist jedenfalls, nach 15 | |
| Milliarden US-Dollar, die Lucasfilm bis heute alleine am Spielzeug verdient | |
| hat: Hysterie kann ein sehr, sehr schlechter Ratgeber sein. | |
| Robert Blalack ist Filmtechniker. Er hat vor 40 Jahren den optischen | |
| Printer für die Kombinationsaufnahmen des ersten Star-Wars-Films | |
| entwickelt. Blalack wurde für seine vielen Überstunden mit einem Oscar | |
| ausgezeichnet. | |
| *** | |
| Form triumphiert über Inhalt | |
| 1975, als die Vorbereitungen zum ersten „Star Wars“-Film begannen, war | |
| Amerika kriegsmüde und politikverdrossen. US-Präsident Nixon war ein Jahr | |
| zuvor wegen der Watergate-Affäre zurückgetreten, das US-Debakel in Vietnam | |
| gerade erst zu Ende. Beides hatte einen tiefen Keil zwischen die | |
| Generationen getrieben. Auch von der militärischen Raumfahrtbehörde NASA, | |
| einstigem Stolz der USA, wollte keiner mehr etwas wissen. Stattdessen | |
| kursierte unter der Bevölkerung der Spruch, der einzige Nutzen der | |
| Mondlandung sei die Teflonpfanne. | |
| Indirekt verwob Regisseur George Lucas diese Traumata im Film: Er machte | |
| aus Nixon einen böswilligen, galaktischen Imperator, der für die Herrschaft | |
| über das Universum Familienbande zerstörte, und übertrug imposante Bilder | |
| aus dem Zweiten Weltkrieg auf ein märchenhaftes Weltraumszenario, das die | |
| junge Generation wieder für Krieg begeistern sollte. | |
| Wenn man etwas von diesem Krieg der Sterne lernen kann, dann ist es die | |
| Macht naiver, dafür aber zukunftsweisend digitalisierter Medieninhalte: | |
| Form triumphiert über Inhalt, martialische Schauwerte triumphieren über den | |
| Verstand. Der Krieg der Sterne brach einen Krieg der voll digitalisierten | |
| Blockbuster vom Zaun. Mittelständisches Kino wurde verdrängt, die neuen | |
| Medien traten ihren Siegeszug an. Disney, als neue Firma hinter Star Wars, | |
| kennt sich mit NASA-Promotion fabelhaft aus: Schon 1955 warb man mit der | |
| Serie „Man in Space“ gemeinsam mit NS-Militärforscher Wernher von Braun f�… | |
| die Ziele der militärischen Raumfahrt. „Das Erwachen der Macht“, der | |
| Untertitel der ersten von Disney produzierten Folge, klingt ein wenig nach | |
| Deutschland erwache. Und passt ideologisch in diesen tragischen Herbst | |
| 2015. | |
| Rolf Giesen ist Filmwissenschaftler. Er baute eine Sammlung zum Thema | |
| Science-Fiction und Visual-Effects-Film in der Deutschen Kinemathek auf. | |
| *** | |
| Wir Menschen sind Lichtwesen | |
| Vorstellungen, wie Laserstrahlen militärisch eingesetzt werden könnten, | |
| geistern seit Jahrzehnten durch das Verteidigungsministerium der USA. Es | |
| gab in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts die wildesten Ideen | |
| dazu. Man wollte Laserkanonen bauen und mit ihnen vom Weltall aus | |
| sowjetische Interkontinentalraketen abschießen. Der Laserstrahl sollte im | |
| Weltall durch eine Atombombe gezündet werden. Das Projekt firmierte damals | |
| unter dem Namen SDI, war öffentlich aber auch bekannt als | |
| „Star-Wars-Programme“. | |
| Die meisten derartigen Vorstellung erwiesen sich zum Glück als Unsinn. Das | |
| gleiche gilt für das Lichtschwert. Denn Laser, wenn sie nicht auf Materie | |
| treffen, sind bekanntlich unendlich. Man kann die Filme also aus einer rein | |
| technischen Perspektive nicht wirklich ernst nehmen. Aber man kann dennoch | |
| etwas lernen über Licht. Und darüber, wie es uns in seinen Bann zieht. | |
| Wir Menschen sind Lichtwesen. Licht ist die einzige Energieform, die nicht | |
| an Masse gebunden ist, die sich also in Lichtgeschwindigkeit fortbewegen | |
| kann. Wenn Licht nun Gestalt und Farbe annimmt wie bei den Lichtschwertern, | |
| wenn es für uns nutzbar wird, dann wohnt dem eine große Faszination inne. | |
| Mithilfe von fokussierten Laserstrahlen werden heute Smartphonegläser | |
| geschnitten, Sehschwächen operativ korrigiert, Tumore behandelt. | |
| Die Frage ist immer: Zu welchem Zweck setzen wir die Energie ein, die uns | |
| zur Verfügung steht? Es liegt an uns, die Entscheidung zu treffen. Die | |
| Lichtschwerter der Jedi und der Sith, also der Guten und der Bösen, | |
| leuchten in den Filmen nicht zufällig in verschiedenen Farben. | |
| Reinhart Poprawe ist Leiter des Frauenhofer Instituts für Lasertechnik in | |
| Aachen und lehrt Lasertechnik an der RWTH Aachen. | |
| *** | |
| Marketingstrategen planen den Hype | |
| Die Marketingmacht von Star Wars ist phänomenal. Versuchen Sie einmal, ein | |
| Geschäft zu betreten, in dem es keine Star-Wars-Artikel gibt. Sogar in | |
| Berlin bei Madame Tussauds kann man elf Star-Wars-Figuren besichtigen. Das | |
| hat die Besucherzahlen in Rekordzeit erhöht. Doch ich stelle auch fest, | |
| dass selbst mittelständische Unternehmen auf die Marketingmacht von Star | |
| Wars setzen: Die Titelseite der Mitarbeiterzeitung eines Finanzunternehmen | |
| wurde im Star- Wars-Look entworfen. Auf Messen werden die Mitarbeiter in | |
| Luke-Outfits gesteckt. So läuft die Verteilung der Flyer besser und die | |
| Fotos auf Facebook mit den Messebesuchern und ihrem Firmenlogo auf dem | |
| Kostüm sind ihnen sicher. | |
| Die starke Identifikation der Fans führt zu einem Hype, der den Absatz | |
| sprunghaft in die Höhe treibt. Von Computerspielen über Energiedrinks, | |
| Joda-Bademänteln und Star-Wars-Joghurt bis hin zu | |
| „Lichtschwert-Grillgabeln“, die wohl zum Verkaufsschlager im | |
| Weihnachtsgeschäft werden. | |
| Ein weiterer Erfolgsfaktor der Marke ist ihre Eroberung der digitalen Welt. | |
| Der aktuelle Film wird der erste Star-Wars-Film im Social-Media-Zeitalter | |
| sein. Schon vor der Premiere werden Gerüchte gestreut, Bilder und Videos | |
| gepostet und in den Foren über den Verbleib von Luke Skywalker diskutiert. | |
| Doch dieser Erfolg kommt nicht von alleine, im Marketing wird nichts dem | |
| Zufall überlassen, die Kommunikationskanäle werden strategisch bespielt und | |
| die Fans so zu Mitspielern. Alles ist sorgsam geplant, das belegen auch die | |
| Zahlen: Mit etwa 225 Millionen Dollar kostet das Marketing mehr als die | |
| Herstellung des Films mit 200 Millionen. Das zeigt: Ein guter Film reicht | |
| nicht für einen Hype. | |
| Katja Hofmann ist Expertin für Corporate Social Responsibility und Soziales | |
| Sponsoring. | |
| Protokolle: Giacomo Maihofer | |
| 16 Dec 2015 | |
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