# taz.de -- Streit um die historische Mitte Berlins: „Wer sich durchsetzt, is… | |
> Monatelang wurde über die Gegend rund ums Rote Rathaus gestritten. Doch | |
> die Wiederbebauung der Altstadt ist trotz Bürgervotums noch nicht vom | |
> Tisch, sagt Stefan Richter. | |
Bild: Hier ist Berlins Kern: Gegend rund um den Fernsehturm. Früher standen hi… | |
taz: Herr Richter, die Stadtdebatte „Alte Mitte, neue Liebe“ ist | |
abgeschlossen. Die Befürworter einer Wiederbebauung der Altstadt konnten | |
sich nicht durchsetzen. Zufrieden? | |
Stefan Richter: Wer sich durchsetzt, ist ja noch offen. Das, was in dem | |
Beteiligungsverfahren herauskam, war eine Entscheidungsvorbereitung. Die | |
Entscheidung trifft das Parlament. Die Stadtdebatte diente dazu, Argumente | |
und Positionen aus der Stadtgesellschaft einzusammeln. Und da war es in der | |
Tat so, dass diejenigen, die sich für einen offenen Ort eingesetzt haben, | |
stärker vertreten waren als die, die für eine historische Bebauung | |
plädieren. | |
Ergebnis sind zehn Bürgerleitlinien, die vor allem den Wunsch nach | |
Öffentlichkeit und die Ablehnung von Kommerzialisierung ausdrücken. Hat Sie | |
das überrascht? | |
Nein, solche Forderungen sind Thema in der ganzen Stadt. Das ist auch eine | |
Reaktion darauf, dass Stadt viel zu oft von Investoren gemacht wird. | |
Ihre Stiftung hat sich von Anfang an in die Debatte eingemischt. Warum? | |
Die Berliner Mitte ist eine unglaubliche Ressource. Im Vergleich zu anderen | |
großen europäischen Städten haben wir die Möglichkeit, über unsere | |
historische Stadtmitte, wo Berlin entstanden ist, im 21. Jahrhundert neu | |
nachzudenken. Die Funktion der Stadtmitte, die ja im letzten Jahrhundert | |
zweimal verloren ging, zuletzt als Regierungssitz der DDR, ist offen. | |
Darüber können wir uns neu verständigen. Andere Städte sind fertig, wir | |
können zeigen, wie eine Stadtmitte im 21. Jahrhundert aussehen kann. | |
An der Debatte haben über 10.000 BerlinerInnen teilgenommen. Hat das | |
Verfahren neue Maßstäbe gesetzt? | |
Das Verfahren war besser als viele, die es davor gegeben hat. Es war | |
richtig, die Debatte in die Öffentlichkeit zu tragen. Es war auch richtig, | |
dass es Orte gab, mit dem Halbzeitforum und dem Abschlussforum, wo die | |
unterschiedlichen Dialogformate gebündelt wurden. Wir kritisieren aber, | |
dass zu Beginn nicht auf die verschiedenen Rahmenbedingungen verwiesen | |
wurde, die es bereits gab. Auch war der Senat nicht mutig genug, sich auf | |
ein gemeinsames Verfahren von Zivilgesellschaft und Verwaltung einzulassen. | |
Für den Bausenator ist mit den Leitlinien nun „der Ort programmiert“. Was | |
fehlt, ist die Gestaltung. Wofür plädieren Sie da? | |
Es ist kühn, zu behaupten, dass der Ort programmiert sei. Es gibt die | |
Leitlinien, aber wir wissen nicht, wie die Fraktionen im Abgeordnetenhaus | |
entscheiden. Das Parlament kann die Leitlinien auch ablehnen. | |
Ist das nicht unwahrscheinlich? Immerhin hat Geisel ihnen den Segen | |
gegeben. | |
Es ist nicht wahrscheinlich, das stimmt. Dennoch ist die Debatte nicht zu | |
Ende. Nach der Stadtgesellschaft ist nun die Politik an der Reihe. Wir | |
fordern jetzt eine gemeinsame Erörterung von Politik und | |
Zivilgesellschaft. Und erst dann kommt die Frage nach einem Wettbewerb und | |
der Bebauung. Außerdem müssen auch diejenigen, die bisher nicht beteiligt | |
waren, ins Boot geholt werden. | |
Zum Beispiel? | |
Der Bund. Der hat immerhin angekündigt, Geld für die Sanierung und | |
Umsetzung des Neptunbrunnens zu geben. Der Bund ist ein wichtiger Akteur, | |
bisher wurde er aber nicht gehört. | |
Zum Vorschlag des Bundes zum Neptunbrunnen sagte der Senat, | |
Stadtentwicklungsfragen würden nicht im Haushaltsausschuss des Bundestags | |
entschieden. Was ist Ihre Meinung: Soll der Brunnen am Rathausforum bleiben | |
oder zurück an den Schlossplatz? | |
Wir haben uns als Stiftung dafür starkgemacht, nicht vorschnell Tatsachen | |
zu schaffen. Das heißt auch, dass die Möglichkeit bestehen bleiben muss, | |
dass der Neptunbrunnen wieder an seinen historischen Ort kommt. Wenn man | |
den Brunnen dort, wo er jetzt steht, wegnimmt, würde er Platz schaffen für | |
einen Ort der Demokratie, wo sich die Bürgergesellschaft direkt vor dem | |
Roten Rathaus versammeln kann. Und am Schlossplatz würde er eine neue | |
Anbindung der Stadtmitte an die Breite Straße schaffen. Politik und | |
Zivilgesellschaft müssen jetzt gemeinsam diskutieren, ob diese Aufwertung | |
den Verlust für den Platz vor dem Rathaus aufwiegt. | |
5 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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