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# taz.de -- Missbrauchsverdacht an Mainzer Kita: Vorwürfe nicht erhärtet
> Eine Erzieherin, die wegen sexueller Übergriffe in einer Mainzer Kita
> entlassen wurde, klagte mit Erfolg dagegen. Eine weitere zieht vor
> Gericht.
Bild: Vorübergehend dichtgemacht: die katholische Kindertagesstätte in Mainz
Mainz taz | Es war im Juni in Mainz. Ein Skandal, der bundesweit
Schlagzeilen machte: Drei- bis sechsjährige Kinder sollten sich in einer
katholischen Kindertagesstätte gegenseitig gequält und erpresst haben, vor
den Augen der Erzieherinnen. Und das monatelang. Von sadistischer Gewalt
war die Rede, von sexuellen Übergriffen, gar von Verletzungen im
Genitalbereich.
Als das bekannt wurde, schloss das Bistum Mainz die Kindertagesstätte über
Nacht, den sechs Erzieherinnen und einem Erzieher wurde fristlos gekündigt.
Das hatte auch strafrechtliche Folgen: Die Staatsanwaltschaft nahm
Ermittlungen auf wegen des Verdachts schwerer Aufsichtspflichtverletzungen.
Nun, fünf Monate später, stellt sich die Frage, was überhaupt dran ist an
dieser Geschichte.
„Die Vorwürfe haben sich nach bisherigem Ermittlungsstand nicht erhärtet“,
teilt die leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller jetzt in Mainz mit. Im
Gegenteil: „Es haben sich überwiegend entlastende Erkenntnisse ergeben.“
Das ist das Ergebnis nach fünf Monaten Ermittlungen, 2.000 Seiten stark ist
die Akte, die vorliegt.
Befragt wurden 32 Jungen und Mädchen, darüber hinaus hörte die Polizei 35
Eltern und Bezugspersonen der Kinder an. Kinderärzte wurden befragt, auch
andere Zeugen. Die Kinder, betont die Staatsanwaltschaft, wurden durch
eigens ausgebildete und geschulte Polizeibeamte mit Video vernommen, die
Staatsanwaltschaft zog eine Psychologin hinzu. Die Verletzung eines Kindes
wurde von der Rechtsmedizin begutachtet. Auch hier: keinerlei Anhaltspunkte
für sexuelle Gewalt.
Erste Irritationen bei diesem Fall gab es schon im Oktober. Da wurde
bekannt, dass das Arbeitsgericht Mainz die Kündigung einer Erzieherin
aufgehoben hatte. Nur „aus formalen Gründen“, erklärte das Bistum und
kündigte Rechtsmittel an. Die sollen mittlerweile eingelegt worden sein, um
aber sicherzugehen, hat das Bistum vergangene Woche eine neue Kündigung
gegen die Erzieherin ausgesprochen.
Ihr Rechtsanwalt reagiert gelassen. Er hält die Erfolgsaussichten des
Bistums für gering. Die Vorwürfe gegen seine Mandantin seien haltlos. Auch
die anderen Verteidiger sprechen davon, dass die Kirche mit den Kündigungen
nicht durchkommen kann, zu dünn seien die Fakten. Das Bistum Mainz
erscheint nicht gerade kämpferisch: „Zum damaligen Zeitpunkt waren die
Vorwürfe der Eltern glaubhaft.“ Das Vorgehen gegen das Personal sei
notwendig gewesen, um die Kinder zu schützen.
Doch die Kirche kann auch anders: Wie jetzt erst bekannt wurde, gab es auch
gegen den Gemeindepfarrer strafrechtliche Ermittlungen. Auch hier ein
schwerer Vorwurf: sexueller Missbrauch von zwei Kindern, die Mutter
erstattete Strafanzeige. Auch hier soll die Akte offenbar geschlossen
werden, auch hier ließen sich die Vorwürfe nicht erhärten. Nur: Warum gab
es in diesem Fall – anders als bei den Erzieherinnen – keine
Verdachtskündigung? Warum wurde hier gar nichts weiter unternommen, das
Verfahren monatelang unter der Decke gehalten? Nach Rücksprache mit der
Staatsanwaltschaft habe man auf eine Veröffentlichung der Vorwürfe
verzichtet, heißt es dazu lapidar.
Die strafrechtlichen Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, sie werden
noch Zeit in Anspruch nehmen. Auch vor dem Arbeitsgericht bleibt es
spannend: Nur eine der Erzieherinnen einigte sich bisher mit dem Bistum auf
eine Auflösung des Vertrags, alle anderen wehren sich weiter gegen ihre
Kündigung. Am heutigen Donnerstag wird der zweite Fall vor dem
Arbeitsgericht verhandelt.
26 Nov 2015
## AUTOREN
Marion Mück-Raab
## TAGS
Ermittlungen
sexueller Missbrauch
Kita
Arbeitsrecht
Katholische Kirche
Migration
Schwerpunkt Flucht
Jugendheim Friesenhof
französische Armee
Reformpädagogik
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