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# taz.de -- Immer mehr Übergriffe in Flüchtlingslagern: Kein Schutz vor Missb…
> Vor allem Frauen und Kinder werden in Massenunterkünften Opfer
> sexualisierter Gewalt. Konzepte, um dagegen vorzugehen, gibt es keine.
Bild: Besonders gefährdet: alleinstehende Frauen.
HAMBURG taz | Jennyfer Dutschke befürchtet das Schlimmste. „Es besteht
dringend Handlungsbedarf, um die über 2.000 Frauen und minderjährigen
Mädchen sowie homosexuelle Flüchtlinge vor Übergriffen zu schützen“, warnt
die Sozialpolitikerin der Hamburger FDP.
Aufgeschreckt haben die Freidemokratin Berichte aus Hessen, wo nach
Recherche mehrerer Frauen- und Flüchtlingsverbände sexualisierte Übergriffe
in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen an der Tagesordnung sind.
„Frauen berichten, dass sie, aber auch Kinder vergewaltigt wurden oder
sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind. So schlafen viele in ihrer
Straßenkleidung“, heißt es in einem Offenen Brief, der unter anderem von
Pro Familia und dem Hessischen Frauenrat verfasst wurde. „Frauen berichten
regelmäßig“, heißt es in dem Schreiben weiter, „dass sie nachts nicht zur
Toilette gehen, weil es auf den Wegen dorthin und in den sanitären
Einrichtungen zu Überfällen gekommen ist.“
Ob es hessische Verhältnisse auch schon in Hamburg gäbe, wollte Dutschke
vom Hamburger Senat in einer kleinen Anfrage wissen – und bekam nur eine
Teilentwarnung. Denn noch gibt es weder aus Hamburg noch aus anderen Teilen
Norddeutschlands dramatische Berichte, so wie aus Gießen. Aber es gibt
steigende Zahlen tatsächlich gemeldeter sexualisierter Übergriffe, und die
sind vor allem in den Hamburger Erstaufnahmelagern genauso rapide
gestiegen, wie die Zahl der Flüchtlinge selbst. Gab es 2014 im ganzen Jahr
nur zwei bekannt gewordene Fälle „mit eindeutigem Bezug auf sexuelle
Gewalt“ so waren es bis in diesem Jahr bis Mitte August schon acht.
Dass sich hinter diesen Fällen „mit hoher Wahrscheinlichkeit eine große
Dunkelziffer verbirgt“, glaubt nicht nur Dutschke. Alle Experten gehen von
enorm vielen nicht gemeldeten Missbrauchssituationen aus, da die
Hemmschwelle, sich in dem fremden Land Hilfe zu suchen, sehr hoch sei.
Doch weder in Hamburg, noch in Niedersachsen, Bremen oder
Schleswig-Holstein gibt es Handlungskonzepte gegen sexualisierte Gewalt in
den Erstaufnahmelagern. „Vorrangiges Ziel bei der Unterbringung von
Flüchtlingen ist nach wie vor die Verhinderung von Obdachlosigkeit“, heißt
es in der Senatsantwort: „Dennoch“ sei man „grundsätzlich bestrebt
alleinstehende Frauen in separaten Räumlichkeiten“ unterzubringen. „Die
Trennung von Männern und Frauen insbesondere bei der Nutzung der
Sanitäranlagen ist offensichtlich in vielen Fällen nicht
gewährleistet“,liest Dutschke aus der windelweichen Senatsantwort heraus.
Frauenverbände und Asylanwälte fordern bereits seit einiger Zeit, Frauen
komplett aus Gemeinschaftsunterkünften herauszunehmen. Die Sorge vor
sexualisierter Gewalt gegen sie und ihre Kinder treibt auch den
Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes Wilhelm Röhrig, um:
„Ich bin in größter Sorge, dass die vielen Kinder in
Flüchtlingsunterkünften nicht ausreichend vor sexueller Gewalt geschützt
sind.“
„Da Rückzugsorte und kindgerechte Räume in den Gemeinschaftsunterkünften
nicht vorhanden sind, haben es Täter leicht, Nähe zu Kindern herzustellen
und Übergriffe zu begehen“, analysiert Röhrig. Er hat eine Liste der
Mindeststandards für die Prävention von sexualisierter Gewalt vorgelegt:
Dazu gehören abschließbare und geschlechtergetrennte Sanitärbereiche, die
separate Unterbringung alleinstehender Mütter und ihrer Kinder und auch der
Einsatz von speziell auf diese Problematik geschulten Personals.
Auch Dutschke beklagt in Hamburg ein fehlendes „Handlungskonzept gegen
sexuelle Übergriffe in den Unterbringungen“. Die FDP fordert deshalb, „dass
Rot-Grün in diesen Punkten dringend die Initiative ergreift, um sexuelle
Gewalt in den Flüchtlingsunterkünften entschieden zu unterbinden“.
24 Sep 2015
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
Migration
Flucht
Flüchtlinge
Sexualisierte Gewalt
Bremen
Ermittlungen
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
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