# taz.de -- Regierungserklärung zur „Flüchtlingskrise“: Der große, klein… | |
> Bürgermeister Carsten Sieling forderte mehr Hilfe vom Bund und versäumt | |
> richtungsweisende Ansagen für Bremen. | |
Bild: Integration konkret: Udo Lindenbergs Gäste vergangene Woche im Pier 2. | |
BREMEN taz | Menschen, die in Zelten und Turnhallen schlafen müssen, zu | |
wenige Mahlzeiten in der Erstaufnahme-Einrichtung – es sind vor allem | |
organisatorische Probleme, die derzeit in Bremen bestehen. Die Bereitschaft | |
aber zur Aufnahme von Flüchtlingen und dazu, zu helfen, ist aber groß – und | |
wohl größer als manchen anderen Bundesländern. | |
Über 10.000 Flüchtlinge sollen dieses Jahr in Bremen ankommen, zudem | |
weitere 2.000 unbegleitete Minderjährige. Angesichts dieser Zahlen hatte | |
die CDU eine Regierungserklärung gefordert. Bürgermeister Carsten Sieling | |
(SPD) kam dem am Mittwoch nach – zum Auftakt der Landtagssitzung und einen | |
Tag, bevor Vertreter von Bund und Ländern über Flüchtlingshilfen | |
diskutieren. | |
Und so wurde der Finanzexperte Sieling in seiner Erklärung auch am | |
konkretesten in Sachen weiterer Forderungen an den Bund: Insgesamt 200 | |
Millionen Euro habe Bremen durch die Flüchtlinge zu schultern, Ausgaben die | |
in den Haushalt „nicht mehr reinpassen“. Die bisher zugesagten Hilfen | |
würden für Bremen 2015 zusätzliche 10 Millionen und für 2016 30 Millionen | |
Euro bedeuten. „Wir brauchen mindestens eine Verdoppelung“, so Sieling. Er | |
sprach sich für einen flexiblen Kostensatz von 12.000 Euro pro Flüchtling | |
aus. | |
Mit richtungsweisenden Aussagen für Bremen hielt Sieling sich zurück. Er | |
wurde grundsätzlicher: Fluchtursachen, die in dem ungerechten | |
Wirtschaftssystem lägen, müssten angegangen werden. Die europäische Union | |
stehe vor der größten Herausforderung seit ihrer Gründung. Scharfe Kritik | |
äußerte er an der brutalen Grenzsicherung durch die ungarische Regierung | |
Victor Orbans. In der Frage, ob die Liste der sicheren Herkunftsstaaten um | |
Montenegro, Albanien und Kosovo erweitert werden solle, legte er sich | |
hingegen nicht fest. Dass Bremen dem wohl nicht zustimmt, liegt denn auch | |
an der klar ablehnenden Haltung der Grünen. | |
Dafür gab es Lob von der Linken-Fraktionschefin Kristina Vogt, | |
Gesetzesverschärfungen verhinderten Integration. Für sie müssten soziale | |
Wohnungsbauprogramme und die öffentliche Infrastruktur stärker aufgebaut – | |
und die Schuldenbremse überdacht werden. | |
Die CDU hat bereits am Dienstag eine Richtungsänderung vollzogen: mit der | |
klaren Forderung nach einem Einwanderungsgesetz und einer Politik, die so | |
früh wie möglich auf Integration setzen solle. Allerdings auch mit der | |
Idee, Menschen aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ bis zu ihrer | |
Abschiebung in „getrennten Erstaufnahmeeinrichtungen“ unterzubringen (taz | |
berichtete). Röwekamp erklärte am Mittwoch: Es gehe der CDU nicht um darum, | |
Flüchtlinge in „gute und schlechte“ aufzuteilen, sondern darum, jenen | |
Flüchtlingen nicht falsche Hoffnungen zu machen, die eine sehr geringe | |
Chance auf eine Asyl-Anerkennung hätten. | |
Neben FDP-Fraktionschefin Lencke Steiner, die die Gelegenheit nutzen will, | |
um die Mindestlohn wieder abzuschaffen und Geschichten von lernfaulen | |
Flüchtlingen vortrug, scherten nur die Rechtspopulisten aus dem Kanon | |
flüchtlingspolitischer Freundlichkeit aus. AfD-Übrigbleibsel Alexander | |
Tassis nannte etwa den ungarischen Nationalisten Orban sein Vorbild und | |
stellte das Grundrecht auf Asyl in Frage. | |
Es war CDU-Fraktionschef Röwekamp, der zuerst das Wort ergriff und Tassis | |
entgegensetzte: „Ich bin froh und stolz, dass das, was Sie hier an | |
rechtsradikalen Parolen verbreiten, keinen Widerhall findet.“ | |
23 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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