Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neue Vorwürfe gegen Mädchenheime: Brisanter Vermerk
> Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs waren der Heimaufsicht der nun
> geschlossenen Friesenhof-Heime offenbar bereits im August 2014 bekannt.
Bild: Die Vorwürfe gegen die Friesenhof-Heime dürften ihr Kopfzerbrechen bere…
Schon im August 2014 soll die Heimaufsicht in Schlewig-Holstein Hinweise
von Bewohnerinnen der Friesenhof-Heime auf möglichen sexuellen Missbrauch
bekommen haben. Das berichten die Lübecker Nachrichten (LN) und zitieren
aus einem „Prüfvermerk“, der nach einem Besuch im Friesenhof am 7. August
von der Heimaufsicht angefertigt worden sei. Darin sind Aussagen der
Mädchen protokolliert, die sich bei dem Besuch hilfesuchend an die Aufsicht
gewandt hätten.
So soll sich einer der Betreuer „sehr grenzwertig“ gegenüber den Mädchen
verhalten haben. Er habe, so die LN, „die Mädchen ,auf den Hals oder die
Wange geküsst‘ und solle einem von ihnen ,in den Schritt gefasst haben‘“.
Auch solle ein Hausarzt ein Mädchen „sexuell belästigt haben“.
Der Prüfvermerk „habe es in sich“ und weise auch noch auf mögliche andere
Straftaten hin. So berichteten die Mädchen, ein Betreuer habe ihnen
erklärt, dass sie mit einer Bewohnerin, die das Essen und Trinken
verweigerte, zehn Minuten „,machen und tun könnten, was sie wollten. Er
würde nach draußen gehen und nichts mitbekommen.‘“ Die Mädchen berichtet…
zudem über körperliche Gewalt der Betreuer, und dass sie „türmenden Mädch…
die Beine wegzutreten hätten“.
Laut dem Zeitungsbericht geschah dann vonseiten der Heimaufsicht kaum
etwas. Die Staatsanwaltschaft sei nicht eingeschaltet worden.
Auch laut Staatsanwaltschaftssprecher Uwe Dreeßen hat die Polizei im Januar
ein Ermittlungsverfahren gegen einen Betreuer wegen sexuellen Missbrauchs
aufgenommen, nachdem die Betreiberin dies angezeigt habe. Laut Hamburger
Abendblatt hatte dies ein Vormund angezeigt. Außerdem führt die
Staatsanwaltschaft seit Juni „Vorermittlungen“ zu anderen Strafbeständen
durch.
Die Frage ist, ob und ab wann die Heimaufsicht im August Polizei oder
Staatsanwaltschaft hätte informieren müssen? Laut Paragraf 8a des
Bundeskinderschutzgesetzes sind Jugendämter verpflichtet „andere zur
Abwendung einer Gefährdung zuständige Stellen einzuschalten“, wenn eine
potentielle Gefährdung der Kindes festgestellt wird. Zwar sind
Jugendamtsmitarbeiter - anders als Polizisten - nicht verpflichtet, jede
Straftat zur Anzeige zu bringen. Jedoch haben sie laut Gesetz eine
„Befugnis“ zur Strafanzeige, wenn diese notwendig ist, um eine weitere
Gefährdung des Kindes zu verhindern. Auch gilt sexueller Mißbrauch als
Delikt, das nicht nur einmalig auftritt.
Das Kieler Sozialministerium will sich zur Frage, ob und welche Schritte
die Heimaufsicht im Anschluss an den Prüftermin unternahm, derzeit nicht
äußern. Denn dies bezöge sich auf vertrauliche Informationen aus dem
Aktenvorlageverfahren des Landtags, sagte ein Sprecher. Die Frage, ob die
Heimaufsicht im „Gesamtkontext des Falles Friesenhof“ fachlich korrekt und
juristisch richtig gehandelt habe, sei ohnehin Gegenstand einer internen
Aufarbeitung. Auch dazu, so die spärliche Antwort, gibt es „derzeit keine
Detailauskünfte“. Indes bleibt die Ministerin Kristin Alheit (SPD) dabei,
dass sie selber und ihr Stab erst im Mai 2015 von Vorwürfen erfuhren. Ein
mit Hand geschriebener Vermerk, wonach dieser brisante Prüfbericht gezielt
an den Stab weitergereicht wurde, sei Gegenstand der Ermittlungen über
Aktenmanipulation.
Von dem brisanten Vermerk müssten auch die Jugendämter Kenntnis haben, die
die Mädchen dorthin schickten. Denn laut Ministerium werden solche
Prüfergebnisse an die Ämter weiter gegeben, sofern es für deren
Aufgabenerfüllung notwendig ist.
In Hamburg zum Beispiel betraf dies drei bezirkliche Jugendämter und auch
das so genannte Familieninterventionsteam. Das Jugendamt des Bezirks
Wandsbek schickte nach August 2014 noch drei Mädchen in das Heim. Man habe
den Vermerk nicht erhalten, sagte Sprecherin Lena Voss. Hätte das Jugendamt
Kenntnis von den Vorgängen, die 2015 bekannt wurden, gehabt, wäre der
Träger „nicht mehr belegt worden“, so Voss.
16 Jul 2015
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Jugendheim Friesenhof
geschlossene Heime
Schleswig-Holstein
Jugendheim Friesenhof
Ermittlungen
Pädagogik
Jugendhilfe
Jugendheim Friesenhof
Bremen
Jugendheim Friesenhof
Jugendheim Friesenhof
Jugendheim Friesenhof
Jugendheim Friesenhof
## ARTIKEL ZUM THEMA
Vorwürfe gegen Friesenhof-Leitung: Gremium will‘s wissen
Eine Amtsrichterin erhebt im Untersuchungsausschuss Vorwürfe gegen die
Heimleitung des Friesenhofes. Auch die Behörden hätten einfach weggesehen.
Missbrauchsverdacht an Mainzer Kita: Vorwürfe nicht erhärtet
Eine Erzieherin, die wegen sexueller Übergriffe in einer Mainzer Kita
entlassen wurde, klagte mit Erfolg dagegen. Eine weitere zieht vor Gericht.
Kindeswohl statt Bootcamp-Terror: „Kinder brauchen eine Ombudsstelle“
Nach Schließung der „Friesenhof“-Heime: Schleswig-Holsteins
Sozialministerin Kristin Alheit (SPD) will Heime künftig besser regulieren.
Wolfgang Hammer über Kinderschutz: „Kinder sind wichtiger als Gewerbefreihei…
Wolfgang Hammer, Ex-Abteilungsleiter für Jugendhilfe der Hamburger
Sozialbehörde, fordert Gesetzesänderungen, um Kinder besser zu schützen.
Friesenhof-Skandal weitet sich aus: Ministerin schaltet Staatsanwalt ein
Schleswig-Holsteins Sozialministerin Alheit (SPD) stellt Strafanzeige gegen
eigene Mitarbeiter wegen Verdacht auf Aktenmanipulation.
Grünen-Politikerin Wendland über geschlossene Heime: „Die Idee ist perfide�…
Susanne Wendland, grüne Abgeordnete in der bremischen Bürgerschaft, beklagt
fehlende Debatten und innere Widersprüche im Sozialressort.
Skandal um Friesenhof-Heime: Schlampige Aufklärung
Hamburger Senat beantwortet Anfrage zu Mädchenheim zwei Mal falsch. Nun
befasst sich der Familienausschuss mit dem Thema.
Betroffene über ihre Zeit im Friesenhof-Heim: „Ich durfte nicht weinen“
Lea-Marie aus Lüneburg war im Mädchenheim Nana des Friesenhofs, das das
Landesjugendamt im Juni schloss. Sie berichtet von Mobbing.
Umstrittenes Krisenmanagement: Zahnlose Kontrolle
Der Fall Friesenhof zeigt grundsätzliche Probleme der stationären
Unterbringung von Jugendlichen - in Schleswig-Holstein kontrollieren nur
sechs Personen.
Debatte nach Heim-Schließung: „Verstoß gegen Kinderrechte“
Jugendheime mit Stufenvollzug und straffer Tagesstruktur sind unpädagogisch
und unsinnig, sagt Erziehungswissenschaftlerin Leonie Wagner.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.