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# taz.de -- Afghanische Flüchtlinge in Spanien: Aufgenommen und dann vergessen
> Afghanen haben das spanische Militär in ihrem Heimatland unterstützt. Als
> Geflüchtete in Spanien werden ihre Dienste vergessen.
Bild: In Afghanistan wurden die Übersetzer gerne beschäftigt, als Flüchtling…
Madrid taz | „Wir stecken fest. Unsere Zukunft ist alles andere als klar“,
sagt Momin Azizi mit freundlichem und zugleich traurigem Blick. Der
30-jährige Übersetzer stand für mehr als zwei Jahre im Dienste der
spanischen Truppen im afghanischen Badghis. Als Madrid die Truppen nach und
nach abzog, fielen die Jobs für Übersetzer weg.
„Wir wurden einfach entlassen und nach Hause geschickt. Die Taliban
bedrohten uns und unsere Familien mit Vergeltungsmaßnahmen“, berichtet
Azizi. Einer wie er gilt den Aufständischen als Kollaborateur, als
Verräter. Was so jemand verdient, daran lassen die Taliban keinen Zweifel.
Mit seiner Frau Sarah und seinen drei Kindern kam er im September 2014 als
Asylant nach Spanien.
„Die Armee lieferte uns in einem kleinen Hotel am Stadtrand Madrids ab, und
wollte fortan nichts mehr von uns wissen“, sagt Azizi. Von dort kam er in
ein Flüchtlingswohnheim in Vallecas, einem Arbeiterstadtteil im Süden
Madrids. „Am 1. November müssen wir raus. Das Übergangsjahr ist um. Wir
haben eine kleine Wohnung gemietet, doch wie lange wir sie finanzieren
können, weiß ich nicht“, erklärt Azizi. Die Familie bekommt vier Monate
Hilfe von einer NGO. Danach gibt es nichts mehr. Staatliche Unterstützung
gibt es keine.
„Wir haben für Spanien gearbeitet, jetzt lassen sie uns einfach im Stich“,
schimpft Azizi und blickt dabei, als könnte er es noch immer nicht glauben.
Zwar hat er einen Flüchtlingspass und eine Arbeitserlaubnis für Spanien,
„aber wie sollen ich einen Job finden, wo selbst Millionen Spanier
arbeitslos sind“, sagt er. Weder das Verteidigungsministerium noch das
Sozialministerium nimmt sich der Azizis an. Und das obwohl sie immer wieder
vorstellig wurden.
Die Familie ist kein Einzelfall. Insgesamt sind 37 Übersetzer, die in
Herat, Kabul und Badghis gearbeitet haben, nach Spanien gekommen. Mit
Angehörigen sind es 47 Personen. Ashabudin Jallali und Esmatullah Husaini
sind schon seit März 2014 hier. Die beiden 27-Jährigen ehemaligen
Hispanistikstudenten der Universität Kabul gehörten zu den ersten Sieben,
die ausreisen durften.
Einfach war das nicht: „Wir hatten monatelang Druck gemacht, bei der Armee
und bei der Botschaft vorgesprochen, Briefe an die Regierung in Madrid
geschickt, mit der spanischen Presse gesprochen“, berichtet Jallali. „Wir
konnten uns nicht mehr im Lande bewegen, die Straßen sind unsicher für
Leute wie uns. Einem Kollegen wurde das Haus abgebrannt, sein Vieh
getötet“, erinnert sich Husaini. In Spanien unterschrieben Zehntausende
eine Petition an die Regierung, den Übersetzern zu helfen. All das zeigte
schließlich Wirkung. Die Betroffenen durften einen Asylantrag stellen und
wurden dann nach Spanien gebracht.
## Arbeit in der Kebabbude
Jallali und Husaini sind schon seit Frühjahr nicht mehr im
Flüchtlingswohnheim. Auch sie haben keinerlei Unterstützung. Jallali teilt
mit Bekannten eine Wohnung in einem Vorort. Zwar ist er wie die meisten
seiner Kollegen, beim Aussenministerium als Übersetzer für Dari und Paschtu
eingetragen, aber angerufen wurde noch nie einer aus der Gruppe. Jallali
bedient deshalb in einer Kebabbude, wo er 450 Euro im Monat verdient. Das
ist weit weniger als der gesetzliche Mindestlohn von 648,60 Euro.
„Unter der Woche arbeite ich dafür 12 Stunden täglich, am Wochenende bis zu
18 Stunden“, berichtet er. Dienstags, wenn er frei hat, trifft er sich mit
anderen aus der Gruppe Übersetzer, so wie heute mit Husaini auf der Plaza
España mit dem Denkmal für den Autor Miguel Cervantes und seine Don Quijote
und Sancho Panza.
Husaini hat derzeit überhaupt keine Arbeit, schläft bei Freunden und lebt
von dem, was er in der Obsternte in Katalonien verdient hat. „Für diesen
Job musste ich einem Vermittler einen Teil meines Lohnes abgeben“,
berichtet er. 400 Euro bleiben ihm noch an Erspartem. Was danach kommt,
weiß er nicht. „Richtige Arbeit gibt es keine. Sobald die hören dass wir
aus Afghanistan sind, ist das Gespräch vorbei“, erzählt Husaini.
„Ohne uns wären die Spanier in Afghanistan aufgeschmissen gewesen“,
schimpft Husaini. Ob bei Sitzungen, bei der Ausbildung afghanischer
Truppen, ob bei gemeinsamen Einsätzen oder bei Hausdurchsuchungen, die
Übersetzer waren immer ganz vorne mit dabei. „Es war ein gefährlicher Job,
auch wenn er für afghanische Verhältnisse sehr gut bezahlt war“, wirft
Jallali ein. Keiner danke es ihnen.
Was die Übersetzer am meisten schmerzt: „Die Soldaten und Vorgesetzten, mit
denen wir zusammengearbeitet haben, ignorieren uns einfach“, berichten
sowohl Jallali und Husaini als auch Azizi. Letzterer hatte einen „echten
Freund unter den Soldaten“. Das glaubte er zumindest. „Als er abgezogen
wurde, habe ich beim Abschied geweint. Wir haben Telefonnummern
ausgetauscht. Er hat mich mehrere Male von Spanien aus angerufen. Doch als
ich hier ankam, hat er mich nicht einmal auf einen Kaffee besucht“, sagt
Azizi und senkt den Blick.
14 Nov 2015
## AUTOREN
Reiner Wandler
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Spanien
Schwerpunkt Afghanistan
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