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# taz.de -- Nach dem Terror in Paris: 60 Sekunden Innehalten
> An vielen Orten der Stadt gedenken Berliner um 12 Uhr der Opfer der
> Pariser Anschläge. Busse und Bahnen stehen für eine Minute still.
Bild: Hand in Hand ein Zeichen gesetzt: Seit Samstag wird in Berlin mit Trauerm…
Es ist ein ungewohntes Bild am U-Bahnhof Alexanderplatz: Wo sonst um die
Mittagszeit Lärm und Hektik herrschen, stehen die Fahrgäste still neben den
Gleisen. Manche tuscheln leise miteinander, keiner kauft sich etwas zum
Essen oder Trinken. Seit mehreren Minuten bereits ist keine Bahn der Linie
8 mehr eingefahren, anstelle der Zugankündigungen läuft über die
elektronischen Anzeigetafeln ein Schriftzug: „12 Uhr: europaweite
Schweigeminute für die Terroropfer in Paris“.
Zum Gedenken an die Opfer lassen S-Bahn und Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)
Bahnen und Busse am Montagmittag für eine Minute an den jeweiligen
Haltestellen verweilen. Eine Geste, die bei vielen Menschen am
Alexanderplatz gut ankommt – auch wenn einige von der Aktion etwas
überrascht wirken: „Ich habe von der Gedenkminute erst vor wenigen Minuten
durch die Information auf der Anzeigetafel erfahren“, erzählt ein Fahrgast
um die 40. „Es ist schade, dass die BVG das nicht besser angekündigt hat.
Ich glaube, das Bedürfnis der Berliner nach solchen Gedenkmomenten ist
groß.“ Und eine ältere Frau, die erst um kurz nach zwölf Uhr am Bahnsteig
eintrifft, ergänzt: „Ich war nebenan im Kaufhof, dort wurde die
Gedenkminute per Lautsprecher durchgesagt. Das wäre für die Bahnstationen
auch angemessen gewesen.“
Nicht alle Geschäfte im Bahnhof Alexanderplatz beteiligen sich an der
Schweigeminute: Während die Essensstände auf den Plattformen zwischen den
Gleisen den Verkauf für 60 Sekunden weitgehend einstellten, ist auf den
Ebenen zwischen U-Bahn und S-Bahn-Gleisen von stillem Gedenken wenig zu
spüren. Hier herrscht weiter reger Betrieb, nur einzelne Mitarbeiter von
Bäckereien und Kiosken verbringen die Minute bewusst schweigend. Ein
McDonalds-Mitarbeiter antwortet sichtlich verwundert auf die Frage, ob er
innegehalten habe: „Nein, wir haben ganz normal weiterverkauft.“
Am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor ist kein besonderes Signal
nötig. Etwa 800 Menschen sind kurz vor zwölf Uhr hierher gekommen, um die
Schweigeminute gemeinsam vor der Französischen Botschaft zu verbringen,
darunter auch der Französische Botschafter Philippe Etienne und mehrere
Bundespolitiker. An der Absperrung, an der viele seit Samstag früh Blumen,
Kerzen und Texte niedergelegt haben, stehen Menschen in mehreren Reihen
dicht hintereinander.
## Islamverbände: „feige Terrorangriffe“
Über den Platz verteilt halten Passanten inne und bleiben mit Blick auf die
Botschaft mehrere Minuten still stehen. Nur langsam setzen sie sich
anschließend wieder in Bewegung; viele gehen noch mal nach vorn, um Blumen
abzulegen oder verweilen ein wenig an dem langen Streifen aus Blumen und
Kerzen.
Die Landesvertretungen von neun islamischen Verbänden und Gemeinschaften
legen am frühen Nachmittag einen Kranz vor der Französischen Botschaft
nieder und verlesen eine gemeinsame Erklärung. „Die Anschläge in Paris
gehören zu einer Reihe von feigen Terrorangriffen, die einmal mehr gezeigt
haben, dass wir alle potenzielle Opfer sind“, heißt es darin.
Mit Blick auf die Anschläge in Ankara und Beirut betonen sie, es sei „unser
aller Pflicht, die gleiche Anteilnahme und geschlossene Haltung gegen
jeglichen Terror vorzubringen.“ Die Angriffe dürften nicht zur Feindschaft
gegenüber bestimmten Gruppen oder Flüchtlingen missbraucht werden. „Wir
müssen gemeinsam die Pluralität und die Wertschätzung von Vielfalt in
unserer Gesellschaft verteidigen.“
„Wir brauchen uns nicht davon zu distanzieren, weil wir nie etwas damit zu
tun hatten“, sagt Bekir Yilmaz von der Türkischen Gemeinde zu Berlin auf
die Frage, ob die islamischen Verbände angesichts der Anschläge unter einem
Erklärungsdruck stünden. Es gehe hier und heute vor allem darum, gemeinsam
zu trauern und Gesicht zu zeigen.
Bereits am Wochenende hatten viele Berliner ihre Anteilnahme an den
Geschehnissen in Paris gezeigt. Mehrere Tausend Menschen waren im Laufe des
Samstags auf den Platz vor dem Brandenburger Tor gekommen, das abends in
den französischen Nationalfarben angestrahlt worden war. Am Sonntag hatten
rund 1.500 Personen an verschiedenen Gedenkmärschen teilgenommen.
16 Nov 2015
## AUTOREN
Hannah Wagner
Uta Schleiermacher
## TAGS
Terror
Paris
Attentat
Gedenken
Berlin
Brandenburger Tor
„Islamischer Staat“ (IS)
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Schwerpunkt Islamistischer Terror
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