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# taz.de -- Sorge und Fürsorge: Neue Aufgabe für alten Träger
> Die Innere Mission engagiert sich verstärkt für Flüchtlinge – und
> beobachtet wachsenden Sozialneid bei ihrer bisherigen Klientel.
Bild: Das Zeltlager in der Überseestadt wird von der Inneren Mission betrieben
„Ja, warum bleiben die denn nicht in Österreich?! Warum wollen die alle
nach Deutschland?!“ Die blonde Frau im Rollstuhl, die sehr oft vor der
Sparkassen-Filiale im Steintor sitzt, ist seit einiger Zeit außergewöhnlich
aktiv. Lautstark macht sie die Umstehenden darauf aufmerksam, was ihrer
Meinung nach in der Sozialpolitik schief läuft: Dass „die“ alles hinterher
geworfen kriegen. „Die“ sind die Flüchtlinge. „Aber wenn ich was will“,
bekräftigt sie, „gibt‘s gar nichts!“
Solche Szenen sind nicht selten. Die Innere Mission, seit ihrer Gründung
vor 165 Jahren unter vielem anderem in der Obdachlosen-Arbeit aktiv,
beobachtet einen starken Sozialneid ihrer bisherigen Klientel auf die
Neuankömmlinge. „Dort wächst deutlich die negative Einstellung zu
Flüchtlingen“, sagt Missions-Mitarbeiter Markus Großkopf: „In diesem Thema
steckt ganz viel Musik“. Großkopfs Kollegin Petra Wulf-Langer bestätigt
das: In der Kleiderkammer der Inneren Mission in der Blumenthalstrasse
hinter dem Bahnhof seien die Obdachlosen zeitweise weitgehend „verdrängt“
worden, 80 Prozent der aktuellen NutzerInnen seien Flüchtlinge.
Durch die stark gestiegenen Wartezeiten im engen Flur des Hauses würde das
bisherige Klientel abgeschreckt. Bis zu 70 Menschen warteten gleichzeitig
darauf, sich Kleidungsstücke auszusuchen, teilweise schon deutlich vor
Beginn der Öffnungszeiten. „Das tun die mit beeindruckender Geduld“, betont
Wulf-Langer.
50 Freiwillige helfen in der Kleiderkammer beim Sortieren und Ausgeben der
in großer Menge gespendeten Textilien: Es gibt Wochen, in denen eine
Gesamtmenge von 2.000 Kleidersäcken gespendet wird – dennoch herrscht nach
wie vor großer Mangel an kleinen Männergrößen. Manche der Spender sehen die
Situation vor Ort und bleiben gleich da, um zu helfen. Andere möchten
bestimmen, berichtet Wulf-Langer, „dass ihre Sachen aber unbedingt
Flüchtlingen zu Gute kommen sollen. Das geht natürlich nicht.“ Um die
Kleiderkammer auch Samstags zu öffnen, nicht zuletzt zur Annahme von
Spenden, gebe es allerdings noch immer nicht genügend HelferInnen.
Um ihr verstärktes Engagement für Flüchtlinge zu organisieren, betreibt die
Innere Mission Projekte in gemeinsamer Trägerschaft mit staatlichen Stellen
wie dem Gesundheitsamt. Mitunter ist das eine paradoxe Konstellation:
Regelmäßig rät die Innere Mission in ihrer Papierlosen-Sprechstunde
jugendlichen Flüchtlingen, der Alterseinstufung als Erwachsene zu
widersprechen – an denen wiederum das Gesundheitsamt mitwirkt.
„Das wirkt widersprüchlich“, bestätigt Holger Dieckmann von der
„Humanitären Sprechstunde“ der Inneren Mission. Doch auch der Staat habe
den Anspruch illegaler Flüchtlinge auf medizinische Grundversorgung und
Bildung anerkannt und beteilige sich entsprechend. Durch die aktuellen
Entscheidungen des Bundesinnenministers unter anderem zum Familiennachzug
werde die Zahl der Illegalen weiter deutlich steigen.
Mit 1.500 Menschen betreut die Innere Mission derzeit etwa ein Achtel aller
Flüchtlinge, die seit 2013 nach Bremen gekommen sind. Hinzu kommen 220
unbegleitete Minderjährige.
320 Menschen leben im Zeltquartier Konsul-Smidt-Strasse. Wie in den meisten
Bremer Notunterkünften ist auch dort die Bundeswehr im Einsatz:
Unterkunftsleiterin Katharina Brachmann betont: Obwohl die zehn Soldaten
eigentlich nur Essen ausgeben sollen, bewährten sie sich mannigfaltig als
„Retter in der Not“ – etwa bei den häufigen Heizungsausfällen.
12 Nov 2015
## AUTOREN
Henning Bleyl
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