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# taz.de -- Klagen gegen VW: Unbestrafbare Firmenkriminalität
> Trotz des VW-Skandals lehnt nicht nur die Wirtschaft Strafen für
> Unternehmen ab. Ein entsprechender Gesetzentwurf hat keine Chance.
Bild: Wird erstmal nicht abgerissen: VW
Freiburg taz | Anders als in vielen anderen Staaten können in Deutschland
nur Manager bestraft werden – nicht aber Unternehmen als solche. Daran wird
sich trotz des VW-Skandals wohl auch so schnell nichts ändern.
Derzeit können hierzulande gegen Firmen nur Geldbußen verhängt werden.
Deren Maximum liegt nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz bei nur 10
Millionen Euro – einem Betrag, der bei Großkonzernen geradezu lächerlich
wirkt. Außerdem können illegal erlangte Gewinne abgeschöpft werden.
Strafrechtlich kann zwar gegen konkrete Manager, Vorstands- und
Aufsichtsratsmitglieder vorgegangen werden. Doch manchmal sind die
Verantwortlichkeiten so unklar, dass keine Einzelperson bestraft werden
kann.
Seit der Finanzkrise wird deshalb auch in Deutschland über die Einführung
eines Unternehmensstrafrechts diskutiert. Im schwarz-roten
Koalitionsvertrag steht, die Idee sei zu prüfen. Die
Länder-Justizministerkonferenz ist dafür, das Land Nordrhein-Westfalen hat
2013 sogar schon einen ausgefeilten Gesetzentwurf vorgelegt. Der sieht
keine neuen Delikte vor, vielmehr soll für bekannte Delikte wie Betrug,
Steuerhinterziehung oder Bestechung auch das Unternehmen bestraft werden
können.
Geldstrafen sollen bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes betragen können.
Als weitere Sanktionen sind der Ausschluss von Subventionen und von
öffentlichen Aufträgen vorgesehen. Höchststrafe wäre die Auflösung der
Firma.
## Widerstand von Juristen
Doch der Gesetzentwurf hat keine Chance. Das hat auch NRW-Justizminister
Thomas Kutschaty gemerkt – und nutzte die Steilvorlage VW-Krise nicht zu
einer neuen Offensive für das neue Strafrecht. Zu viele Faktoren sprechen
dagegen: Die Wirtschaft lehnt die Reform eindeutig ab, weil sie die
Unternehmen verunsichere.
„Schon die Ermittlungen und die Berichterstattung bedeuten einen immensen
Imageschaden, der nicht wiedergutzumachen ist, selbst wenn sich am Ende
herausstellt, dass die Vorwürfe nicht berechtigt sind“, heißt es in einem
Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft Mittelstand. Auch die CDU/CSU ist
gegen ein neues Strafrecht für Unternehmen.
Widerstand kommt auch von Juristen – denn die sind gewohnt, dass Strafrecht
auf Schuld reagiert, und die können nur Individuen auf sich laden. Ein
Unternehmensstrafrecht gilt daher unter vielen Juristen als Sündenfall, der
unbedingt zu vermeiden ist, weil sonst die – durchaus liberalen –
Grundsätze des deutschen Strafrechts nicht mehr gegen
EU-Harmonisierungswünsche verteidigt werden könnten.
In den USA gibt es zwar ein Unternehmensstrafrecht – aber es wird immer
weniger angewandt. Im Jahr 2014 gingen die Behörden nur noch gegen 237
Firmen vor, 2005 waren es noch 398. Es wird vermutet, dass Unternehmen aus
Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen und Wirtschaftskraft zunehmend
geschont werden.
## Verschärfung des Ordnungswidrigkeitenrechts
Wenn von drohenden Milliardenforderungen aus den USA die Rede ist, dann
geht es meist um Schadensersatzforderungen von Aktionären, Autobesitzern
und Kommunen. Solche Ansprüche können dort viel höher sein, weil dort nicht
nur der Schaden ausgeglichen, sondern oft zugleich auch das Verhalten
bestraft wird (“punitive damages“). Trotzdem geht es hierbei aber um
Zivilrecht, nicht um Strafrecht.
Auch in Deutschland drohen Volkswagen Zivilklagen, nicht zuletzt von
Aktionären. Und auch hierzulande ist schon von Milliardensummen die Rede.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat zudem strafrechtliche Ermittlungen
wegen Betrugs gegen mehrere Mitarbeiter eingeleitet.
Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat eine Sonderkommission zur
Aufklärung der Vorwürfe eingerichtet. VW steht also am Pranger, der
Imageschaden ist gigantisch. Ein Unternehmensstrafrecht könnte wohl nur
wenig zusätzlichen Beitrag leisten.
Justizminister Heiko Maas (SPD) hat sich zwar öffentlich noch nicht
festgelegt, aber intern tüftelt er wohl nur noch an einer Verschärfung des
Ordnungswidrigkeitenrechts. Gegen Konzerne wie VW sollte dann auch eine
angemessene Geldbuße möglich sein. Auch alternative Sanktionen, wie den
Ausschluss von Ausschreibungen, kann der Minister sich vorstellen.
6 Nov 2015
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Volkswagen
Auto-Branche
Dieselskandal
CO2-Emissionen
VW-Abgas-Skandal
Volkswagen
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