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# taz.de -- Gewalt gegen Flüchtlinge: Ein Wochenende voller Hass
> Meerane, Dresden, Pirna, Magdeburg, Wismar, Freital, Jena, Sehnde,
> Dippoldiswalde: Die Gewalt gegen Asylsuchende erreicht einen neuen
> Höhepunkt.
Bild: Freital, Sachsen: Der Anschlag auf eine Asylunterkunft war nur einer der …
Zwickau/Berlin/DRESDEN dpa | Bei der Ankunft eines Flüchtlingszuges im
sächsischen Meerane ist es erneut zu fremdenfeindlichen Krawallen gekommen.
Nach Angaben der Polizei versuchten am Sonntagabend mehr als 80
Demonstranten, den Weitertransport der auf Busse verteilten Flüchtlinge zu
blockieren. Als Polizisten die Blockade auflösen wollten, seien sie
angegriffen und mit Böllern beworfen worden. Zwei Beamte wurden den Angaben
zufolge verletzt, drei Randalierer vorübergehend in Gewahrsam genommen.
Wie ein Polizeisprecher am Montag auf Nachfrage sagte, hatten sich bereits
am Nachmittag rund 200 Demonstranten am Bahnhof eingefunden, darunter auch
erkennbar Rechtsgerichtete. Polizisten hätten 83 Platzverweise
ausgesprochen.
Vor einer Woche war es bereits im sächsischen Freiberg bei der Ankunft
eines Flüchtlingszuges zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen gekommen. Am
Wochenende wurden bei einer ganzen Serie von Anschlägen auf Asylsuchende in
mehreren deutschen Städten mehrere Menschen verletzt. In Magdeburg und
Wismar [1][griffen jeweils größere Gruppen von Unbekannten Asylbewerber aus
Syrien an] – zum Teil mit Baseballschlägern.
Im niedersächsischen Sehnde legte ein Mann einen Brand in einem
Fachwerkhaus, in dem Asylbewerber untergebracht waren. Bei einem Anschlag
auf eine Asyl-Unterkunft im sächsischen Freital wurden in der Nacht zum
Sonntag mindestens drei Fenster von bewohnten Zimmern im Erdgeschoss
beschädigt. Ein Bewohner erlitt Verletzungen im Gesicht. Eine rechtsextreme
Motivation sei „sehr wahrscheinlich“, teilte die Polizei mit.
In der Nacht zum Samstag brannten zudem im sächsischen Dippoldiswalde
mehrere Wohncontainer, in denen Flüchtlinge untergebracht werden sollten.
Auch hier geht die Polizei von Brandstiftung aus. Der Schaden beläuft sich
nach Schätzungen auf 300.000 Euro.
In Jena wurde ein 27-jähriger Syrer am Sonntagmorgen von drei Männern an
einer Straßenbahnhaltestelle zusammengeschlagen, wie die Polizei mitteilte.
Anschließend seien sie unerkannt geflüchtet. Das Opfer erlitt den Angaben
nach leichte Verletzungen, die in der Notaufnahme behandelt wurden.
## In der Straßenbahn beschimpft und bespuckt
Auch in Dresden und Pirna sind bei offensichtlich fremdenfeindlichen
Angriffen vier Menschen verletzt worden. Wie die Polizei am Montag
mitteilte, wurden in Pirna bereits am Freitagabend ein 21 Jahre alter
Marokkaner und ein 25 Jahre alter Libyer von etwa 25 teils vermummten
Angreifern umstellt und bedrängt. Als die beiden in einen Hauseingang
flohen, wurden sie von der Gruppe verfolgt, geschlagen und getreten. Sie
mussten ärztlich behandelt werden.
Ebenfalls am Freitagabend wurden in Dresden in einer Straßenbahn zwei Syrer
von vier Männern zunächst beschimpft und geschubst. Schließlich schlugen
die Männer dem 26 Jahre alten Syrer so hart ins Gesicht, dass er ins
Krankenhaus gebracht werden musste.
Im Dresdner Stadtteil Gorbitz wurde am Samstagabend ein 20 Jahre alter
Eritreer vor einem Haus von drei bis vier Männern beschimpft und
geschlagen. Zwei Männer hielten ihn fest, während ein dritter auf ihn
einschlug. Als ein Bewohner von seinem Balkon aus die Täter anschrie und
nach unten eilte, flohen die Schläger. Der 20-Jährige musste ebenfalls im
Krankenhaus behandelt werden.
## Rechtsextremismus in der Mitte der Gesellschaft
Politiker, Experten und Sicherheitsbehörden warnen angesichts der
Entwicklung vor einem Erstarken rechter Gewalt. Politik und Polizei
unterschätzten die Gefahr durch Rechtsextremisten vollkommen, sagte der
Vorstandsvorsitzende der Initiative „Gesicht zeigen!“, Uwe-Karsten Heye, am
Montag. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte auf Twitter, alle
Bürger müssten Gewalt entschieden entgegentreten: „Jede Attacke auf
Flüchtlinge ist ein Angriff auf unsere Demokratie.“
Heye sagte dazu: „Es hat sich bereits beim Nationalsozialistischen
Untergrund (NSU) gezeigt, dass und wie sehr ignoriert wird, dass die größte
innenpolitische Herausforderung der Bundesrepublik der Rechtsextremismus
ist.“ Wer hier weggucke, lasse diesen Rechtsextremismus bis in die Mitte
der Gesellschaft wandern.
Heye kritisierte insbesondere die Polizei. Zahlreiche Taten würden nicht
aufgeklärt. „Wer rechtsextremistisch denkt und disponiert ist in
Deutschland, muss die wenigste Befürchtung vor der Polizei haben“, sagte
er. Eine organisierte Form des „Kampfes gegen Flüchtlinge“ beobachtet Heye
dort, wo die rechtsextreme NPD in Stadträten oder anderen demokratischen
Gremien vertreten ist. Die Partei begebe sich zwar nicht an die „Front“,
schaffe aber die organisatorischen Voraussetzungen dafür.
2 Nov 2015
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Henriette Reker
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