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# taz.de -- Vor der Wahl in Kurdistan: Von der AKP im Stich gelassen
> Zwar hat sich die Lage beruhigt, doch die regierende AKP ist bei vielen
> kurdischen Wählern unten durch. Ein Besuch im Südosten der Türkei.
Bild: Am 10. Oktober verkündete die PKK den Waffenstillstand, seither ist es…
Dİyarbakir taz | Drei Tage vor den Wahlen ist es ruhig in Diyarbakır,der
größten kurdischen Stadt in der Türkei. Es herrscht so etwas wie ein
inoffizieller Waffenstillstand zwischen Militär und Polizei auf der einen
und den kurdischen PKK-Rebellen und ihren Sympathisanten auf der anderen
Seite. Alle Ausgangssperren der vergangenen Wochen sind aufgehoben, der
Zugang zu den Wahllokalen scheint gesichert.
Was Umfragen und Gespräche auf den Straßen der Stadt jetzt zeigen: Bei den
kurdischen Wählern ist die regierende Partei für Recht und Entwicklung
(AKP) unten durch. Erbittert über die Gewalt im Lande, die Bombenattacken
und Schießereien der vergangenen drei Monate, werden viele Kurden wohl
ungültig stimmen oder gar nicht erst zur Wahl gehen. Erst am Montag starben
allein in Diyarbakırneun Menschen.
„Viele Wähler in Sur (der Altstadt von Diyarbakır), Lice und Cizre sind
empört über die Gewalt. Aber die AKP wird ihre Stimmen nicht bekommen, weil
sie keine Politik anbietet, die ihnen hilft“, sagt Sedat Yurtaș, ein
bekannter Anwalt, ehemals kurdischer Abgeordneter in der Stadt.
Im Juli waren die Friedensgespräche mit der PKK nach zweieinhalb Jahren
gescheitert. Die PKK verlegte daraufhin ihren Kampf gegen die
Sicherheitskräfte in die Stadtgebiete. In einem Fall attackierten
PKK-Kämpfer Polizisten, die gerade in einem Restaurant aßen, und töteten
einen Kellner und einen unbeteiligten Gast.
## Stimmung wieder „deutlich besser“
In vielen Häusern haben Ladenbesitzer und Bewohner der von
Auseinandersetzungen erschütterten Stadtbezirke ihre Rollläden
heruntergelassen, um bei Verwandten auf dem Dorf unterzuschlüpfen. Manche
Hotels haben ein Drittel ihrer Angestellten nach Hause geschickt, sagt
ŞahismailBedirhanoğlu, der die Industrie- und Handelskammer in der
Südosttürkei leitet. „Wir wollen, dass diese Kämpfe so schnell wie möglich
aufhören.“
Seit dem von der PKK am 10. Oktober verkündeten Waffenstillstand ist die
Stimmung aber wieder „deutlich besser“, sagt Bedirhanoğlu. Das bestätigt
auch der Gemüsehändler Ilhan Seviktek. Er fordert nachdrücklich: „Wichtig
ist, dass niemand mehr getötet wird.“ Sevikteks Laden liegt nur einen
Steinwurf von dem vier Meter tiefen Krater entfernt, den die Explosion
einer Bombe der PKK im vergangenen Monat gerissen hatte, als ein
Polizeilastwagen sich näherte. Die Explosion zerstörte die Scheiben der
Armenischen St. Georgskirche und durchlöcherte Satellitenschüsseln auf dem
Dach eines sechsgeschossigen Hauses, verursachte aber keine ernsthaften
Verletzungen.
Während Seviktek vor seinem Geschäft mit der taz spricht, tauchen
Spezialkräfte der Polizei mit schwarzen Gesichtsmasken und schusssicheren
Westen am Bombenkrater auf und zielen mit ihren Waffen die Straße hinab.
Ihre Kollegen durchsuchen die Nachbargebäude. „Wir sehen so etwas fast
jeden Tag“, sagt Seviktek. Die Polizisten fordern den taz-Reporter auf,
seine Papiere zu zeigen, lassen ihn nach Vorlage des Presseausweises aber
weiterarbeiten.
## Die AKP hat die Kurden verloren
Drei Tage später kommt es am Rand Diyarbakırırszu einer Schießerei der
Polizeispezialeinheiten mit mutmaßlichen Kämpfern des Islamischen Staats
(IS). Bei der Durchsuchung von IS-Häusern sterben 2 Polizisten und 7
Mitglieder des IS. 5 Polizisten werden verwundet, 12 Verdächtige
festgenommen.
Erhan, ein Taxifahrer, der seinen Familiennamen nicht nennen will, sagt, er
habe die AKP bei ihren ersten beiden erfolgreichen Wahlen 2002 und 2007
gerne gewählt, weil sie „Straßen, Krankenhäuser und Wasserleitungen“ geb…
habe. „Aber später sind sie korrupt geworden. Wo ein Job frei wurde, haben
ihre eigenen Leute ihn bekommen.“ Jetzt werde er auf keinen Fall wieder für
die Partei stimmen.
In früheren Jahren wählten rund die Hälfte der 15 Millionen Kurden, die ein
Fünftel der Bevölkerung in der Türkei stellen, die AKP. Doch die Partei hat
nun auch viele derjenigen in der Region verloren, die mit der PKK nichts im
Sinne hatten. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğanhat die von der Gewalt
zermürbten Kurden in diesem Jahr zudem noch einmal mehr verärgert, als er
erklärte: „Es gibt kein Kurden-Problem.“
30 Oct 2015
## AUTOREN
Jasper Mortimer
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Parlamentswahl Türkei 2015
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