# taz.de -- Menschenrechte in China: Angela, Schutzpatronin der Anwälte | |
> In China sitzen Dutzende Menschenrechtsanwälte weiter in Haft. | |
> Bundeskanzlerin Merkel will sich bei ihrem Staatsbesuch für sie | |
> einsetzen. | |
Bild: Großer Bahnhof für die Kanzlerin: Angela Merkel wurde am Donnerstag in … | |
PEKING taz | Die chinesischen Behörden wollten die Bundesregierung | |
sicherlich nicht mit Absicht düpieren. Eine Blamage war es für den | |
deutschen Justizminister trotzdem. Heiko Maas (SPD) hatte Anfang Juli auf | |
Einladung der chinesischen Führung in Peking am deutsch-chinesischen | |
Rechtsdialog teilgenommen. Im Anschluss an das Treffen lobte Maas Chinas | |
Fortschritte. Auch wenn es weiterhin Defizite im Rechtsverständnis gebe, | |
erkenne er den Willen, „das Justizsystem weiterzuentwickeln“. | |
Drei Tage nach seiner Abreise nahmen die Behörden mehr als 200 | |
Rechtsanwälte und ihre Mitarbeiter fest. Es war nach Angaben von „Human | |
Rights Watch“ eine der größten Verfolgungswellen gegen eine einzelne | |
Berufsgruppe seit Jahrzehnten. Und auch drei Monate später sind rund 30 von | |
ihnen nach wie vor in Haft. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich | |
auf ihrem zweitägigen Staatsbesuch in China für die Anwälte einsetzen. | |
Bei den meisten der im Sommer festgenommenen Juristen handelt es sich um | |
Bürgerrechtsanwälte. Vor allem auf die Kanzlei Fengrui haben es die | |
chinesischen Behörden abgesehen. Sie ist dafür bekannt, dass sie häufig | |
heikle Menschenrechtsfälle annimmt. Den Anwälten wird vorgeworfen, eine | |
„größere kriminelle Vereinigung“ formiert zu haben. Beweise legten die | |
chinesischen Behörde bis heute keine vor. Es kam auch noch zu keiner | |
Anklage. | |
Einer der Anwälte der Kanzlei, Zhou Shifeng, hatte unter anderem Zhang Miao | |
vertreten, eine Mitarbeiterin der Wochenzeitung Die Zeit. Sie war im Juli | |
nach neun Monaten Haft ohne Anklage freigekommen. 170 Anwälte sind | |
inzwischen wieder auf freiem Fuß – einige von ihnen unter Auflagen. Die | |
Anwälte der Kanzlei Fengrui sind jedoch allesamt weiter in Haft. Zhou | |
musste kurz nach seiner Festnahme öffentlich ein Geständnis ablegen. | |
In Deutschland haben Menschenrechtsorganisationen und Anwaltsverbände an | |
Merkel appelliert, sich bei ihrem Treffen mit Chinas Staatspräsident Xi | |
Jinping am Donnerstag für die Freilassung der Anwälte einzusetzen. „Eine | |
unabhängige Anwaltschaft und eine funktionierende Justiz sind essenziell | |
für jeden Staat, dessen Gesellschaft und nicht zuletzt die Wirtschaft“, | |
forderte Ulrich Schellenberg, Präsident des Deutschen Anwaltsvereins. | |
Neben den USA ist Deutschland eines der wenigen Länder, das bei Besuchen | |
dieser Art die Menschenrechte noch offensiv anspricht. Beim Besuch von Xi | |
in London etwa, sprach die britische Regierung dieses Thema mit keiner | |
Silbe an. | |
## Anwaltskanzleien boomen | |
Chinas rabiates Vorgehen gegen seine Anwälte steht im starken Kontrast zu | |
den eigenen Ankündigungen der chinesischen Führung. Auf dem Parteitag der | |
Kommunistischen Partei im vergangenen Jahr hatte Staats- und Parteichef Xi | |
ein Papier verabschiedet, das den Rechtsstaat und eine unabhängige Justiz | |
garantiert. Selbst Menschenrechte waren in dem Kommuniqué erwähnt. | |
Und tatsächlich boomen in China die Kanzleien. Die Zahl der Anwälte hat | |
sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifacht. Kristin | |
Shi-Kupfer vom Berliner China-Institut Merics erkennt „nominell leicht | |
verbesserte gesetzliche Rahmenbedinungen unter anderem im | |
Strafprozessrecht“. Die auf China spezialisierte Politikwissenschaftlerin | |
sieht in den Verhaftungen dennoch eine Warnung. Die Anwälte und ihre | |
Mandanten, die sie vertreten, dürfen das Machtmonopol der KP-Führer auch | |
nicht ansatzweise infrage stellen. | |
Shi-Kupfer beobachtet, dass sich viele Menschenrechtsanwälte nicht | |
einschüchtern lassen – trotz Repressionen, die sich teilweise auch gegen | |
Familienangehörige richten. Im Gegenteil: Ihre Zahl nehme eher zu. Sie | |
führt das unter anderem auf einen wachsenden Berufsethos zurück, aber auch | |
auf eine größere Vernetzung untereinander über das Internet. | |
Und noch etwas ist der Wissenschaftlerin aufgefallen: Viele | |
Menschenrechtsanwälte sympathisieren mit dem Christentum. „Das gibt ihnen | |
eine hohe ideele Überzeugung und eine Einsatzbereitschaft, die durch | |
Einschüchterung und Repression eher noch gestärkt wird.“ | |
29 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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