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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Es gibt ein richtiges Leben: deines
> Was macht Kim Kardashian, den US-Reality-Star, so großartig, was können
> Adorno-Leser von ihr lernen? Kleiner Tipp: Es ist kein Körperteil.
Bild: Von Kim lernen, heißt siegen lernen – das gilt nicht für Nordkorea, a…
Es gibt kein richtiges Leben, wenn man sich von Theodor W. Adorno kirre
machen lässt. Bitte das jetzt mal mitnehmen. Und damit zu Kim Kardashian.
Das ist eine außerordentlich erfolgreiche US-amerikanische Unternehmerin
und Selfmadefrau. Die Hauptprotagonistin des Kardashian-Klans, zu dem unter
anderem diverse Schwestern gehören. Vermutlich die einflussreichste Frau
des Planeten. Vor Merkel. Die Kardashians haben alles in allem 300
Millionen Folger, [1][Kim auf Twitter] allein 36,3 Millionen. Zum
Vergleich: [2][Katrin Göring-Eckardt] hat 29.200, [3][Katja Kipping]
33.900.
Was ist das Besondere an Kardashian? [4][In einem großartigen Artikel] im
US-amerikanischen Rolling Stone hat sich eine Autorin unlängst wirklich auf
sie und ihr Denken eingelassen. Und notwendigerweise auch auf ihren Körper,
genauer diesen „seltsamen, glorreichen Hintern“ (der Rolling Stone wusste,
warum er eine Journalistin beauftragte).
Kardashian habe den früheren Tabu-Körperteil zur besten Ablenkung der
Gegenwart von Klimawandel, Einkommensungleichheit und ISIS gemacht. Sie sei
„unverschämt feminin“ in einer Zeit instabiler Geschlechterrollen. Zudem
habe sie die Vagina-Repräsentation in den Medien emanzipiert und fairer
gemacht. Nämlich nicht nur als Sexorgan verstanden, wie bei klassischen
weiblichen Popfiguren, sondern auch als Organ, das blutet und aus dem
Kinder herauskommen. Schrieb die Autorin.
Man könnte als Voreingenommener denken, die Kardashians seien ein kaputter
Haufen. Man kann es auch andersherum sehen: In einer Gegenwart voller
dysfunktionaler und zerbrochener Kleinfamilien leben sie das verlorene
Großfamilienmodell im Sloterdijkschen Sinne. Sie reden, sie bitchen, sie
huggen, sie erziehen aneinander rum, sie streiten, sie lieben und sie
fotografieren sich. Dann gehen sie shoppen. Dann sprechen sie darüber und
fotografieren sich und das Geshoppte.
Der entscheidende Grund, der Kim Kardashian zum Vorbild von Millionen
(Milliarden?) macht, wird vermutlich nicht rational erfasst, aber intensiv
gefühlt: Ihr Leben hat einen Sinn und ist in dem Sinn ein glückendes. Jetzt
kann man den Sinn kritisieren: Er besteht darin, hot zu sein, famous zu
sein und Geld zu verdienen, um shoppen zu gehen. Aber das Vorbildliche
besteht nicht darin. Kardashian führt das Leben, das sie führen möchte. Das
ist ein großes menschliches Glück, und dieses Glück strahlt sie offenbar
aus.
Während sie sich von Adorno absolut nicht kirre machen lässt, ist unsereins
ständig uneins mit sich und von Adornos Satz gebremst, dass es kein
richtiges Leben im falschen geben könne. Immer gleichzeitig unterwegs mit
dem Bedürfnis, was „Schönes“ zu kaufen und der moralischen Geißelung daf…
Mit der gewaltigen Sehnsucht, schön zu sein und der schnippischen
Weigerung, das Bedürfnis zu akzeptieren. Das kann weder Sinn ergeben noch
Spaß machen.
Also, damit hat der Mann wirklich ganz viel kaputtgemacht.
Von Kim Kardashian kann man lernen: Es gibt kein richtiges Leben, außer dem
Leben, das wir führen. Führen wir es richtig, also konsistent, besteht
sogar die Chance, auf das große Falsche einzuwirken. Oder trotzdem viel
davon zu haben. Führen wir es mit Adorno im Nacken, geht gar nichts. Dann
kriegen wir weder das Shoppen richtig hin noch die sozialökologische
Transformation (damit das auch gesagt ist). Dann ist unser einziger Trost,
dass wir nicht so schlimm wie andere sind.
Nicht das Kim-Kardashian-Leben ist das Falsche, sondern das Leben als
Kim-Kardashian-Hasser. Oder Prenzlauer-Berg-Hasser. Oder CSU-Hasser.
Es führt zu nichts. Es holt nur das Schlechteste aus uns heraus.
1 Nov 2015
## LINKS
[1] https://twitter.com/kimkardashian
[2] https://twitter.com/GoeringEckardt
[3] https://twitter.com/katjakipping
[4] http://www.rollingstone.com/culture/features/kim-kardashian-american-woman-…
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
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