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# taz.de -- Der Kardashian-Clan: Modern Family
> Keine Promi-Familie ist so unkonventionell wie die Kardashian-Jenners –
> und keine war 2015 präsenter. Was ist ihr Erfolgsrezept?
Bild: Happy Family: Khloe, Kourtney und Kim Kardashian und Kris und Kylie Jenne…
2015 war ein fulminantes Jahr für die Familie Kardashian-Jenner. Genauer
gesagt für die sieben Frauen der Familie. Trennungen, Taufen und Triumphe
gingen kaum ohne das omnipräsente Auge und den Senf der Öffentlichkeit
vonstatten. So erschien die Familie[1][auf dem Cover der November-Ausgabe
von Cosmopolitan] nicht nur augenzwinkernd als „America’s First Family“ �…
und überbot damit die Obamas. Zu Recht?
In der Tat. Denn der Kardashian-Jenner-Clan steht lange nicht mehr nur für
Ruhm und Reichtum, wie sie in ihren Reality-Shows und TV-Formaten „Keeping
Up With The Kardashians“ (11 Staffeln), „I Am Cait“ (2. Staffel 2016),
„Khloé & Lamar“ (2 Staffeln), „Dash Dolls“ (1 Staffel), „Kourtney & …
Take Miami“ (3 Staffeln) oder „Kourtney & Kim Take New York“ (2 Staffeln)
beweisen.
Die It-Familie ist das bekannteste Beispiel einer modernen
Patchworkfamilie. Multikulturelle Ehen, biracial Kinder, Transelternteile,
Scheidungen, überstandene Drogensüchte und Trennungen sind dank ihnen keine
Einzelmerkmale sogenannter sozial schwacher Bevölkerungsgruppen mehr,
sondern auch Realität jener Promi-Familie, die 2015 in den Medien so
präsent war wie keine andere.
Doch was ist das Erfolgsrezept dieser Modern Family? Sind die
Kardashian-Jenners als Kollektiv so stark, weil die Einzelnen so
erfolgreich sind, oder begründet der Fame der Reality-Show-Kultfamilie die
Karriere ihrer verschiedenen Mitglieder? Sind die Kardashian-Jenners
vielleicht ein Paradebeispiel dafür, dass das Mantra „Fake it until you
make it“ mit genug Kapital und öffentlicher Präsenz zur Verwirklichung des
American Dreams führen kann? Zoomen wir mal in die Geschehnisse hinein.
## Eltern: Kris und Cait
Ob als fundamentale Stütze oder Spitze des Turms, Mutter Kris Jenner
fungierte als Managerin (oder Mom-agerin) ihrer fünf Töchter stets als
treibende Kraft des Familientraums. Im November feierte sie auf einer
prunkvollen „Great Gatsby“-Party ihren 60. Geburtstag und wurde einen Monat
später zum fünften Mal Großmutter. Obwohl sie besonders wegen ihrer üppigen
Feiern zu einem Sinnbild für Glanz und Glamour innerhalb des
Kardashian-Clans geworden ist, wurde ihr dieser Status 2015 von ihrer
Ex-Frau Caitlyn Jenner abgelaufen.
Die beiden Skorpion-Frauen ließen sich Ende 2014 nach 22 Jahren Ehe
scheiden, was für Caitlyn Freiraum für ihre Entfaltung bedeutete. In der
Tat, das Jahr startete miserabel für Caitlyn: Bei einem Autounfall fuhr sie
mit ihrem SUV ins Fahrzeug der Tierrechtsaktivistin Kim Howe, die dabei ums
Leben kam. Doch mit dem Frühling kam Licht in ihr Leben: Im April, damals
noch bekannt als Olympiasieger Bruce Jenner, outete sie sich als Frau und
ließ anhand geschlechtsangleichender Operationen und Namensänderung ihre
Transition durchführen.
Ihr Debüt als Caitlyn Marie Jenner machte sie schließlich am 1. Juni auf
dem berüchtigten Cover der Vanity Fair. „Call me Caitlyn“, forderte sie in
einer umfassenden Reportage, die mit Hochglanzfotos von Annie Leibovitz
bebildert wurde. Das Cover [2][ging auf sozialen Medien viral]. Es startete
auch ihre achtteilige Dokumentationsserie „I am Cait“, die im kommenden
Jahr sogar in die zweite Staffel gehen wird.
Auf Galas und Auszeichnungsverleihungen richteten sich alle Augen auf
Caitlyn, die inzwischen als bekannteste Transfrau weltweit gilt. Sie bekam
bei den „Teen Choice Awards“ den Titel der „Social Media Queen“, wurde …
Times Magazine in die Top 8 der einflussreichsten Personen des Jahres
gelistet. Bei den Suchmaschinen Bing und Google ist sie 2015 die
meistgesuchte beziehungsweise zweitmeistgesuchte Prominente. Mit ihrem Ruhm
überholt sie dieses Jahr also nicht nur ihre Exfrau, sondern auch ihre
leiblichen Töchter und Stieftöchter. Letztere sind Kourtney, Kim und Khloé,
die neben dem Sohn Robert Junior aus der Ehe von Kris und dem bereits
verstorbenen US-armenischen Strafverteidiger Robert Kardashian stammen.
## Die Kardashian-Kinder
Für die Schauspielerin Kourtney Kardashian war 2015 kein besonders gutes
Jahr. Sie trennte sich von Scott Disick, dem Vater ihrer drei Kinder.
Kim hingegen brachte im Dezember ihr zweites Kind Saint West zur Welt.
Gemeinsam mit Ehemann und Rapper Kanye West sowie ihrer Tochter North ging
es im Frühjahr zur Taufe nach Jerusalem, inklusive Inszenierung à la Geburt
Christi. Kurz darauf veröffentlichte Modeikone Kim ihren kontrovers
diskutierten Bilderband „Selfish“, ein 325 Seiten dickes Buch gefüllt mit
ihren Selfies, die täglich von Millionen Nutzern auf Instagram bewundert
werden.
Ehemann Kanye, der sich gerne auch mal als Gott bezeichnet, nutzte derweil
einen Auftritt bei den diesjährigen MTV Video Music Awards, um zu
verkünden, dass er sich für die US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020
aufstellen lassen werde. War er bei diesem Auftritt bekifft? Ja, gestand
er. An den Tatsachen ändere das aber nichts.
Schwester Khloé wiederum machte in diesem Jahr ihr literarisches Debüt.
„Strong looks better naked“ heißt ihr wenig überraschendes
autobiografisches Werk, dessen Fokus auf Körperarbeit, Ernährung,
verschwitzten Trainings im Fitnessstudio und kitschigen Postkarten-mäßigen
Lebensphilosophien liegt.
## Die Jenner-Kinder
Die gemeinsamen Töchter von Kris und Caitlyn feierten dieses Jahr hingegen
große Erfolge. Das Model Kendall arbeitete allein 2015 unter anderem für
namhafte Topdesigner_innen wie Marc Jacobs, Chanel, Karl Lagerfeld und
Alexander Wang. Forbes platzierte sie mit einem Jahreseinkommen von vier
Millionen US-Dollar auf Platz 16 der bestverdienenden Models. Und in
Kooperation mit dem Zeitgeist-Magazin Dazed drehte sie in Referenz auf den
Kultfilm „Mean Girls“ [3][einen Clip als Kommentar auf das Netzmobbing],
das sie durchgehend erfährt. Damit bewies sie nicht nur smarte
Popaffinität, sondern auch eine Portion Selbstironie.
Nesthäkchen und größte Skandalnudel der Familie, Kylie Jenner, feierte
dieses Jahr ihren 18. Geburtstag, ihren Highschool-Abschluss und zahlreiche
Coverdeals für Magazine wie Teen Vogue und Interview. Letzteres führte zu
großen Kontroversen und Kritik von Menschen mit Behinderungen, da sie im
Latex-Body auf einem Rollstuhl posiert. Mindestens makaber, durchaus
problematisch, zumal Personen, die tatsächlich im Rollstuhl sitzen, so gut
wie nie auf den Titelbildern oder anderen Stellen von Hochglanzmagazinen
abgebildet werden.
Weiteres Aufsehen erlangte sie dieses Jahr mit ihrer (mittlerweile
Ex-)Beziehung mit dem Rapper Tyga, der viel älter als die damals
Minderjährige war, sowie der radikalen Veränderung ihres Körpers. Vom
unscheinbaren blonden, blassen Mädchen mutierte Kylie 2015 zur stark
gebräunten Frau mit Braids, aufgespritzten Lippen und Hintern. Kylie mache
sich die Merkmale schwarzer Frauen zu eigen wie Accessoires, so lautet der
Vorwurf, ohne dass sie sich auch nur annähernd mit deren Lebensrealitäten
auseinandersetzt.
Politische Inkorrektheiten dieser Art sind ohnehin keine Ausnahme in ihrem
Clan, denn auch wenn wir positive Dinge wie Zusammenhalt, Unterstützung,
Akzeptanz, weibliches Selbstvertrauen und unverfrorene Femininität in ihm
sehen können – von einer Rolle mit emanzipatorischer Vorbildfunktion ist
die Familie weit entfernt. Was man nämlich außerdem noch bei den
Kardashian-Jenners sehen kann, ist, dass unkonventionelle Normbrüche
mittlerweile einer reichen, republikanischen Familie nicht im Weg stehen
müssen.
## Angepasste Transfrau: Caitlyn Jenner
Im Gegenteil, schauen wir uns Caitlyn Jenner an. Sie ist erst seit diesem
Jahr als Transfrau geoutet, erzählt in Interviews ziemlich viel
queerfeindlichen, angepassten Scheiß – zum Beispiel, dass andere
Transpersonen sich gefälligst assimilieren sollten, um von der Gesellschaft
akzeptiert zu werden – und doch küren Mainstreamblätter sie zur
bekanntesten Transperson überhaupt. Den Weg für das warme Willkommensklima
ihrer Person ebneten zuvor Transfrauen of Color, Sexarbeiterinnen und
Working-Class-Queers, die für ihre Kämpfe mit Polizei- und Straßengewalt,
Armut oder Ausschlüssen sanktioniert werden.
Um als „America’s First Family“ auf das Cosmopolitan-Cover zu kommen,
musste der Titel zumindest symbolisch der schwarzen Präsidentenfamilie
abgenommen werden. Mit der richtigen Geldsumme und hohen
Entertainmentgehalt können eben auch Patchworkfamilien wie die
Kardashian-Jenners nahezu stigmatafrei zum Symbolbild moderner Familien
sein.
31 Dec 2015
## LINKS
[1] http://www.cosmopolitan.com/entertainment/celebs/a47113/kardashians-cosmo-b…
[2] /Transgender-in-Amerika/!5202154
[3] https://www.youtube.com/watch?v=vsrjiL1gV6I
## AUTOREN
Hengameh Yaghoobifarah
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