Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Macht: Meinungsfreiheit für alle
> Mitglieder der Bundesregierung fordern Facebook auf, Postings auf
> Verfassungsmäßigkeit zu prüfen – und Linksliberale applaudieren. Wie
> bitte?
Bild: Facebook soll hoheitliche Aufgaben übernehmen.
Das Bundeskriminalamt warnt vor steigender rechtsextremer Gewalt. Das ist
eine gute Nachricht. In den letzten Monaten konnte man ja den Eindruck
gewinnen, viele Ermittler betrachteten Brandanschläge auf Asylbewerberheime
als natürlichen Reflex tief verängstigter Bürger. Die allesamt völlig
isoliert sind vom Rest der Welt und deshalb Einzeltäter sein müssen.
Diese Einschätzung hat sich also geändert. Das ist schön. Erfreulich ist
auch, dass es in Regierung und Parlament einige Blitzmerker gibt. Kaum ist
ein Jahr ins Land gegangen, schon stellen sie fest, dass die Organisatoren
von „Pegida“ rechtsextrem und möglicherweise verfassungsfeindlich sind.
Das hätte man ihnen allerdings schon früher sagen können, und man hat es
ihnen auch gesagt. Aber sie wollten es lange nicht hören.
Stattdessen greifen sie jetzt in die uralte Trickkiste und behaupten, die
Bewegung habe sich „radikalisiert“. Was schlicht unwahr ist. „Pegida“ h…
vor einem Jahr ziemlich genau denselben menschenverachtenden Unfug
verbreitet wie heute. Nur dass es noch vor einigen Monaten cleveren
Parteistrategen nützlicher zu sein schien, von „besorgten Bürgern“ zu red…
statt von „Pack“.
## Dazu lernen ist nicht verboten
Nun ist es ja niemandem verboten dazu zu lernen, und wenn sich jetzt alle
Demokraten wieder auf gemeinsame Werte besinnen, dann will man nicht
nachtragend sein. Aber davon kann leider keine Rede sein. Im neu erwachten
Furor schiessen die Bekehrten - wie Konvertiten das häufig tun - nun weit
übers Ziel hinaus. Und verhalten sich selbst undemokratisch.
Mitglieder der Bundesregierung fordern seit Wochen die Betreiber des
sozialen Netzwerks Facebook auf, Inhalte, die seine Nutzer dort posten, auf
ihre Verfassungsmässigkeit hin zu überprüfen. Und was tut das linksliberale
Milieu? Es applaudiert. Als ob gegen eine Beschränkung der Meinungsfreiheit
gar nichts einzuwenden sei, wenn sie sich nur gegen die richtigen Leute
wendet. Das zeugt von einem seltsamen Verständnis dieses Grundrechts.
Aufrufe zu Gewalttaten und Volksverhetzung sind zu Recht strafbar, und sie
sollen es auch bleiben. Dazu muss aber nicht der Betreiber eines Netzwerks
tätig werden: Alle, die so etwas lesen, können Anzeige erstatten.
Aber es gibt viele ekelhafte Meinungsäußerungen, die eben nicht strafbar
sind. Selbst die Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist nicht
verboten. Ja, auch das gibt die Meinungsfreiheit her. Und deshalb machen
Gerichte es sich nicht leicht mit der Aufgabe, die Grenze zu definieren
zwischen dem, was noch und dem, was nicht mehr erlaubt ist. Das ist ja auch
nicht einfach. Dachte ich bisher.
Der Justizminister sieht das offenbar anders. Er möchte den
Facebook-Betreibern die hoheitliche Aufgabe der Zensur übertragen – ohne
klare Richtlinien und Definitionen, ohne Amt, ohne Mandat. Nur so nach
Gefühl. Wissen doch eh alle, was und wer gemeint ist, oder? Es trifft ja
die Richtigen.
Es ist mir egal, ob es die Richtigen oder die Falschen trifft. Das Recht
auf Meinungsfreiheit gilt für alle, auch für Rechtsradikale. Habe ich keine
Angst vor Beifall von der falschen Seite? Doch, habe ich. Aber nicht soviel
Angst wie vor einer Entwicklung, in der Demokraten die Staatsanwaltschaft
für den geeigneten Ort halten, den Streit der Meinungen auszutragen.
24 Oct 2015
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Schwerpunkt Meta
Meinungsfreiheit
Krieg
Verfassungsschutz
Friedensnobelpreis
Ägypten
Schwerpunkt Flucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
TV-Experiment „Plötzlich Krieg?“: Sozialexperiment in Zeiten von Pegida
ZDFneo versucht am lebenden Objekt zu erklären, wie Konflikte entstehen –
und wie schnell sich Menschen in Gruppen manipulieren lassen.
Maas zu Pegida-Demos: Pegida verantwortlich für Straftaten
Vor der nächsten Demo in Dresden sagt Justizminister Maas, Pegida befeuere
ausländerfeindliche Übergriffe. Ein Verbot lehnt er dennoch ab.
Kolumne Macht: Solidarität mit Angela Merkel
Der Kanzlerin nützt es wenig, sich für Menschenrechte einzusetzen. Dennoch
verfolgt sie in der Flüchtlingspolitik unbeirrt ihre Linie. Warum?
Kolumne Macht: Hoffnungslos in Kairo
Ägyptens Präsident al-Sisi hat rechtzeitig zur UNO-Vollversammlung ein paar
Regimegegner begnadigt. Das sieht aber nur gut aus.
Kolumne Macht: Fachkräfte, sofort!
Die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat vorgeschlagen,
Flüchtlinge von Langzeitarbeitslosen betreuen zu lassen. Buh!
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.