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# taz.de -- Kommentar Situation in Syrien: Stellvertreterkrieg beenden
> Viele Staaten mischen im Bürgerkrieg mit – und halten den Konflikt damit
> am Laufen. Der größte Nutznießer ist die Terrormiliz Islamischer Staat.
Bild: Der IS lässt sich nur eindämmen, wenn der Krieg beendet wird. Doch das …
Der US-Außenminister John Kerry äußerte sich unmissverständlich. Vor dem
Treffen am Freitag in Wien mit seinen Amtskollegen aus Russland, der Türkei
und Saudi-Arabien fand er klare Worte: „Im Syrienkonflikt kann es keine
militärische Lösung geben. Auch Russland und der Iran stimmen dieser
Einschätzung zu. Wir sind uns alle bei einem Grundsatz einig: dass Syrien
vereint, säkular, pluralistisch sein sollte.“
Doch an diesen – so oder ähnlich auch von der deutschen Bundesregierung zu
hörenden – Worten sind erhebliche Zweifel angebracht. Alle genannten Länder
führen seit vier Jahren einen Stellvertreterkrieg in Syrien: sei es durch
die Lieferung von Waffen, Geld oder die Entsendung von Söldnern an die eine
oder andere innersyrische Bürgerkriegspartei, durch Luftangriffe zu
(Un-)Gunsten der einen oder anderen Seite oder durch logistische
Unterstützung und die militärische Ausbildung von Kämpfern.
Auch Deutschland, dessen Außenminister Frank-Walter Steinmeier sich
vorgeblich „intensiv um eine diplomatische Lösung des Syrienkonflikts“
bemüht, ist zumindest indirekt an diesem Stellvertreterkrieg beteiligt –
durch die erneut gesteigerten Rüstungsexporte an Saudi-Arabien. Das
Königreich ist der „Hauptsponsor des Dschihadismus mit großer Nähe zum
Islamischen Staat“, wie Navid Kermani, der Friedenspreisträger des
Deutschen Buchhandels, zu Recht festgestellt hat.
Keiner der genannten Akteure zeigt bislang die Bereitschaft, seine direkte
oder indirekte Beteiligung am Syrienkrieg zu beenden. Im Gegenteil: Nach
der jüngsten Eskalation durch die russischen Luftangriffe, die den
Bodentruppen des Assad-Regimes Geländegewinne ermöglichen, erwägen die USA
nun die Lieferung panzerbrechender Waffen an die verbündeten
Oppositionsmilizen. Das Risiko einer direkten militärischen Konfrontation
zwischen Russland und den Vereinigten Staaten wächst, trotz der diese Woche
vereinbarten Sicherheitsmaßnahmen im Luftraum über Syrien.
## Kalküle sind nicht aufgegangen
Im besseren Fall verfolgen die Regierungen in Moskau und Washington mit
ihrer Kriegsbeteiligung nicht das Ziel einer „militärischen Lösung“ durch
den Sieg ihrer jeweiligen Bündnispartner in Syrien, sondern lediglich das
Kalkül, die Ausgangsposition dieser Bündnispartner bei den geplanten
Verhandlungen über die Zukunft Syriens zu verbessern.
Doch derartige Kalküle sind bei ähnlichen Gewaltkonflikten in der
Vergangenheit zumeist nicht aufgegangen. Denn fortgesetzte militärische
Unterstützung von außen für innerstaatliche Kriegsparteien schürt bei
diesen die Illusion, sie könnten doch noch militärisch gewinnen, und
ermutigt sie, weiterzukämpfen. Ganz abgesehen davon ist es für die durch
den Krieg geschundene syrische Zivilbevölkerung völlig gleichgültig, mit
welchem Ziel oder Kalkül der Krieg weitergeführt wird.
## Heraushalten
Es ist auch eine weitverbreitete Illusion, der sogenannte Islamische Staat
(IS) ließe sich militärisch besiegen. Selbst wenn Russland in Syrien in
enger Kooperation mit den Vereinigten Staaten nur die IS-Milizen
bombardieren und die Luftangriffe auch auf IS-Stellungen im Irak ausweiten
würde, wie jetzt einige Oppositionsparteien in Bagdad fordern, würde dies
nicht gelingen. Man sollte meinen, Russland sowie die USA und ihre
Nato-Verbündeten hätten diese Lektion aus ihren verlorenen asymmetrischen
Kriegen und Besatzungen in Afghanistan von 1979 bis 1988 und von 2001 bis
2011 sowie im Irak von 2003 bis 2011 begriffen.
Der wichtigste Nährboden für den IS ist der fortgesetzte Krieg in Syrien.
Der Islamische Staat wird sich nur eindämmen lassen, wenn dieser Krieg
beendet wird. Doch das wird nur gelingen, wenn alle, in welcher Form auch
immer, direkt und indirekt an diesem Krieg beteiligten äußeren Akteure sich
zukünftig heraushalten. Wenn das nicht sehr bald passiert, gibt es keine
Chance mehr für ein „vereintes, säkulares und pluralistisches Syrien“.
24 Oct 2015
## AUTOREN
Andreas Zumach
## TAGS
USA
Russland
Schwerpunkt Syrien
„Islamischer Staat“ (IS)
Schwerpunkt Syrien
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Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Sevim Dagdelen
Tony Blair
Russland
Schwerpunkt Syrien
Navid Kermani
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