| # taz.de -- Benjamin Netanjahus Geschichtsbild: Bis sich die Balken biegen | |
| > Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den früheren palästinensischen | |
| > Mufti von Jerusalem als spiritus rector des Holocaust bezeichnet. | |
| Bild: Geschichtsinterpretation mit dem Holzhammer. | |
| Berlin taz | Unmittelbar vor seiner Begegnung mit Bundeskanzlerin Angela | |
| Merkel am Mittwoch in Berlin hat Israels Ministerpräsident Benjamin | |
| Netanjahu mit einer freihändigen Neuinterpretation der Urheber des | |
| Holocausts für einige Aufregung gesorgt. | |
| In einer Rede vor dem Internationalen Zionistenkongress in Jerusalem | |
| erklärte er am Dienstagabend, nicht Adolf Hitler sei der | |
| Hauptveranwortliche für den Massenmord an den Juden, sondern der | |
| palästinensische Mufti von Jerusalem, Scheich Amin al-Husseini. | |
| Erst auf Anraten und Drängen des politischen und religiösen Führers der | |
| Palästinenser habe Hitler die sytematische Vernichtung der Juden | |
| angeordnet. Laut der Mitschrift auf der Webseite seines Büros sagte | |
| Netanjahu: „Hitler wollte die Juden zu dem Zeitpunkt nicht vernichten, | |
| sondern ausweisen.“ In der Rede selbst hat Netanjahu keine zeitliche | |
| Einordnung vorgenommen. | |
| Husseini hatte Hitler tatsächlich erst im Jahre 1941 in Berlin getroffen. | |
| Vermutlich bezog sich Netanjahu auf diese Unterredung, als er weiter sagte. | |
| „Und Amin al-Husseini ging zu Hitler und sagte: `Wenn Sie sie vertreiben, | |
| kommen sie alle hierher.‘ `Also, was soll ich mit ihnen tun?‘, fragte er | |
| (Hitler). Er (Al-Husseini) sagte: `Verbrennt sie.‘“ | |
| ## „Gefährliche Verzerrung der Geschichte“ | |
| Palästina wurde damals noch von der britischen Mandatsmacht verwaltet, die | |
| eine Einwanderung der Juden streng reglementierte. Auch habe der Mufti den | |
| Juden damals fälschlich vorgeworfen, sie wollten die Al-Aksa-Moschee auf | |
| dem Tempelberg zerstören, sagte Netanjahu in Bezug auf den jüngsten Streit | |
| mit der Palästinenserführung. | |
| Dem Duktus seines Vortrags vor dem Zionistenkongress nach zu urteilen, ging | |
| es Netanjahu vor allem darum zu insinuieren, dass die Palästinenser in der | |
| Geschichte wie in der Gegenwart nur eine einzige Absicht verfolgt hätten, | |
| nämlich Juden zu schaden oder sie zu töten. | |
| Kritik an dieser Geschichtsklitterung äußerte die Chefhistorikerin der | |
| Gedenkstätte Yad Vaschem, Professorin Dina Porat. Die Erklärungen | |
| Netanjahus seien unhaltbar. „Man kann nicht behaupten, dass es der Mufti | |
| war, der Hitler die Idee einpflanzte, die Juden zu töten oder zu | |
| verbrennen. Das trifft nicht zu,“ sagte sie. | |
| Tatsächlich gab es die Massentötungen von Juden durch mobile | |
| SS-Einsatzgruppen, bevor Hitler und Husseini zusammentrafen. Die erste | |
| Operation fand in Litauen im Juli 1941 statt. Im September 1941, ebenfalls | |
| noch vor dem Treffen von Hitler und Husseini, ermordete die SS mehr als | |
| 34.000 Juden in Babi Yar bei Kiew. | |
| Israels Oppositionschef Itzhak Herzog rief Netanjahu laut Medien auf, seine | |
| Äußerungen zurück zu ziehen. Es handele sich um eine „gefährliche | |
| Verzerrung der Geschichte, die den Holocaust trivialisiert“. | |
| 21 Oct 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Georg Baltissen | |
| ## TAGS | |
| Israel | |
| Palästina | |
| Friedensprozess | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Benjamin Netanjahu | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Tempelberg | |
| Israel | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Benjamin Netanjahu in Berlin: Kein ganz normaler Staatsgast | |
| Der israelische Ministerpräsident ist zu Besuch im Kanzleramt. Mit dabei: | |
| sein halbes Kabinett und eine Reihe von Streitpunkten. | |
| Jüdischer Extremismus: Eine Hochzeitsfeier zum Gruseln | |
| Radikale israelische Siedler feiern bei einer Hochzeit den Tod eines | |
| palästinensischen Kleinkinds. Fünf von ihnen werden festgenommen. | |
| Gewalt in Israel: Im Waffenladen boomt das Geschäft | |
| In Zeiten täglicher Terrorattacken hat Israel die Bedingungen für | |
| Waffenlizenzen erleichtert. Die Zahl der Anträge hat sich verfünfzigfacht. | |
| Nutzungsrecht des Tempelbergs: Netanjahu will an Regelung festhalten | |
| Israels Ministerpräsident will den Status quo am Tempelberg achten. In Tel | |
| Aviv demonstrierten tausende Israelis für die Wiederaufnahme der | |
| Friedensgespräche. | |
| Kommentar Netanjahus Geschichtsbild: Gefährliche Relativierung | |
| Die Rhetorik des israelischen Ministerpräsidenten ist völlig | |
| geschichtsvergessen. Die Shoa taugt nicht als Vehikel für tagespolitische | |
| Profilierung. | |
| Unruhen und Attacken im Nahen Osten: Im ständigen Kampf gegen Gewalt | |
| Die Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern hört nicht auf. Die USA | |
| wollen John Kerry schicken, um zu schlichten. | |
| Erneut Messerattacken in Jerusalem: Angriffe auf Israelis | |
| Mehrere Menschen wurden in Jerusalem Ziel von Messerangriffen. Bereits am | |
| Sonntag waren vier Israelis verletzt worden. | |
| Israelisch-palästinensischer Konflikt: Schwangere und Kind getötet | |
| Im Zuge der jüngsten Gewaltwelle setzen Palästinenser Messer und kaum | |
| Schusswaffen ein, obwohl es viele gibt. Die Attentäter sind oft Amateure. |