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# taz.de -- Kommentar Netanjahus Geschichtsbild: Gefährliche Relativierung
> Die Rhetorik des israelischen Ministerpräsidenten ist völlig
> geschichtsvergessen. Die Shoa taugt nicht als Vehikel für tagespolitische
> Profilierung.
Bild: Benjamin Netanjahu bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Beim Kampf um die öffentliche Meinung im Nahostkonflikt sind die
Beteiligten nicht unbedingt um Wahrhaftigkeit bemüht. Ein Teil der
Propaganda besteht darin, die nationale Geschichte und deren Protagonisten
zum Vehikel der vorgeblichen Bösartigkeit des jeweiligen Gegners zu
erklären. Diese Methode ist alt und durchsichtig, doch sie verspricht immer
wieder Erfolge.
Diese Hoffnung hatte wohl auch Israels Premier Benjamin Netanjahu, als er
sagte, der arabischen Mufti von Jerusalem Amin al-Husseini habe Hitler und
die Nazis 1941 erst auf die Idee zum Holocaust gebracht, ihn also der
größtmöglichen Bösartigkeit bezichtigte.
Diese Behauptung ist, darin sind sich Historiker einig, falsch. Der
Holocaust hatte längst begonnen, als Hitler Ende November 1941 mit
al-Husseini zusammentraf. Die Entscheidung, alle Juden im deutschen
Machtbereich zu ermorden, war längst gefallen. Zweifellos war al-Husseini
ein glühender Antisemit und Nazifreund, der noch 1943 darum bedacht war,
europäische Juden lieber umzubringen als diese nach Palästina zu entlassen.
Doch die Schoah bleibt eine deutsche Erfindung.
[1][Netanjahu hat mit seinem Geschwätz] gewaltigen Schaden verursacht.
Ausgerechnet der israelische Premier hat den Holocaust relativiert. Dass
deutsche Neonazis nun behaupten können, selbst Israelis seien der Meinung,
nicht die Deutschen seien am Judenmord schuld, ist dabei das geringste
Problem. Schwerer wiegt, dass in einer Region, in der die antisemitischen
„Protokolle der Weisen von Zion“ weit verbreitet sind, auch von höchster
israelischer Stelle Zweifel an der Geschichtsschreibung geäußert werden. So
wird ein Menschheitsverbrechen beliebig für Interpretationen jedweder Art
gemacht und entwertet.
Der Massenmord an den Juden war 1948 ein konstitutives Element bei der
Gründung des Staates Israel. Ihn nach Belieben zu interpretieren, zeugt von
Geschichtsvergessenheit im eigenen Land.
22 Oct 2015
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## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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Israel
Holocaust
Benjamin Netanjahu
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Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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