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# taz.de -- Ex-Journalist bei der AfD: Der Heimatlose
> Als ARD-Korrespondent berichtete er aus vielen Ländern. Heute steuert
> Armin-Paul Hampel in der Alternative für Deutschland seine zweite
> Karriere an.
Bild: Im Westen versucht er sich gegen rechts abzugrenzen, im Osten Deutschland…
Uelzen/ Hannover taz | Wer den einstigen Hauptstadtjournalisten Armin-Paul
Hampel zum Vieraugengespräch treffen will, muss tief in die norddeutsche
Provinz reisen. Der Fernsehmann, der für RTL in Bonn genauso gearbeitet hat
wie für die ARD in Afghanistan, lebt in einem 160 Jahre alten Haus in der
Lüneburger Heide. Von hier aus agitiert er gegen Flüchtlinge und Euro –
ausgerechnet er, der einstige Weltenbummler, fungiert in Niedersachsen als
Landesvorsitzender der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland,
kurz AfD.
Jetzt steht Hampel auf dem Bahnsteig im niedersächsischen Uelzen und raucht
Kette – zum Treffpunkt hat er nicht etwa sein Haus oder die
AfD-Landesparteizentrale in Lüneburg, sondern die Bahnhofsgaststätte des
33.000 Einwohner zählenden Städtchens bestimmt. In formvollendeter
Höflichkeit hat er gerade drei älteren Damen den Weg zum Zug gewiesen.
Doch dann bitten ihn zwei offenbar aus Afrika stammende Männer um Auskunft
– und der Ton des AfD-Landeschefs bekommt einen herrisch klingenden
Unterton. „Change platform!“, sagt er zu den Hilfesuchenden in einer Art
Pidginenglisch. „Speak English? Speak French? Understand?“ Die beiden
gehen, eingeschüchtert wirkend, weiter. „Eritreer“, sagt Hampel, ganz der
Weltmann, hinterher.
Wer die Szene beobachtet, fragt sich unwillkürlich: Ist Armin-Paul Hampel
ein Rassist? Der 58-Jährige greift der Frage ironisierend voraus. „Ich in
der AfD – klingt überraschend, nicht wahr?“ Denn das einst bekannte
Fernsehgesicht hätte sich ebenso das Image eines polyglotten Welterklärers
zulegen können: Ältere dürften den Exjournalisten noch kennen.
## Früh in der Jungen Union
Der 1957 in Bielefeld geborene Hampel war Parlaments- und
Auslandskorrespondent. Mehr als hundert Länder hat er nach eigener Aussage
bereist. Doch Hampel ist stets konservativ gewesen. Schon als 16-jähriger
Schüler wurde er Mitglied der Jungen Union. Gedauert habe der Ausflug
allerdings „nur ein paar Wochen“, kokettiert der AfD-Mann gern – er sei
zumindest damals politisch „kein Parteimensch“ gewesen.
Beruflich zumindest setzte Hampel voll auf das rechte Lager: Nach dem
Volontariat beim bürgerlichen Bonner General-Anzeiger wechselte er zu dem
von CDU-Kanzler Helmut Kohl erschaffenen Privatfernsehen und berichtete
unter anderem aus dem Bundestag in Bonn. Der Untergang der DDR verhalf
Hampel dann zum Sprung zu den Öffentlich-Rechtlichen – 1991 wurde er
Nachrichtenchef beim neu geschaffenen Mitteldeutschen Rundfunk. Er habe
sich immer „irgendwo zwischen CDU und FDP“ verortet, sagt Hampel zu seiner
Karriere.
Es folgten Einsätze im ARD-Hauptstadtstudio und als USA-Korrespondent,
zuletzt leitete Hampel das Südasien-Studio in Neu-Delhi. Dort
verabschiedete er sich 2008 mit nur 51 Jahren. „Im besten Alter“ sei er
gegangen, sagt er, „ich wollte nicht schon mit 50 wissen, was ich mit 60
mache.“ Und seine drei Töchter, die in Delhi „eine indische Schule“
besuchten, hätten einen Teil ihrer Kindheit in Deutschland verbringen
wollen. 2012 kehrt Hampel in die Bundesrepublik zurück.
Heute lebt er in der Nähe des knapp 2.500 Einwohner großen Fleckens
Wriedel. Erst hier, wo der einstige Schlecker-Markt noch immer leer steht
und der Bäcker schon lange verschwunden ist, will Hampel wahrgenommen
haben, dass die „heiligen Schwüre“ Helmut Kohls, der Euro werde Europa
nicht in eine Transferunion verwandeln, und die von Kohls
CSU-Finanzminister Theo Waigel im Maastricht-Vertrag festgeschriebene „No
Bailout“-Klausel in Gefahr seien. Ganz persönlich habe er deshalb den
Kontakt zu dem euroskeptischen AfD-Gründer Bernd Lucke gesucht, der das als
seriös geltende Gesicht des Fernsehmannes gut brauchen konnte: Schon im
November 2013 stieg Hampel in der AfD zum Landesvorsitzenden Niedersachsens
auf.
## Möglichst britisch
Gepflegte Bürgerlichkeit will Hampel zumindest äußerlich ausstrahlen. Stets
tritt er in Jackett, Krawatte und edel wirkenden Schuhen auf. Sein Stil
soll wohl an den englischen Landadel erinnern: Der starke Raucher bevorzugt
Zigaretten der Marke Benson & Hedges, seinen zweiten Rover 75 – die Zahl
„Seventy-Five“ spricht Hampel in betont britischem Englisch aus – fuhr er
bis zum endgültigen Motorschaden.
Inhaltlich seriös gibt sich der Reserveoffizier der Marine (letzter
Dienstgrad: Kapitänleutnant) vor allem in Westdeutschland. Hier versucht
er, sich nach ganz rechts abzugrenzen: Dass sein Parteifreund Marcus
Pretzell, Vorsitzender des AfD-Landesverbands in Nordrhein-Westfalen, beim
Essener Bundesparteitag im Sommer tönte, die AfD sei auch „die
Pegida-Partei“, will er bei seinem bislang einzigen Auftritt vor der
niedersächsischen Landespresse nicht hören. „Völlig gaga“ seien
Demonstrationen vor Flüchtlingsheimen, beteuert Hampel – sie richteten sich
schlicht an die falschen Adressaten. Und Gewalt sei natürlich inakzeptabel.
Dann kommt das Aber. Pegida-Marschierer müssten „ernst genommen“ werden,
findet Hampel. Deutschland drohe unter einer Flüchtlingswelle begraben zu
werden. „Zuwanderung endet dort, wo wie Identität einer Nation gefährdet
ist“, sagt er – und erklärt Bundespräsident Joachim Gauck für „völlig
gestört“. Ausgerechnet im Bonner General-Anzeiger, dort, wo Hampels
journalistische Karriere begann, hat das Staatsoberhaupt für eine
Neudefinition des Begriffs „Nation“ geworben – weg vom Bild einer
Gesellschaft, „die sehr homogen ist, in der fast alle Menschen Deutsch als
Muttersprache haben, überwiegend christlich sind und hellhäutig“.
## Im Osten ist er ganz rechts
Für Hampel ist das eine Provokation – der ehemalige Auslandsreporter wirkt
manchmal so, als habe er auf seinen Reisen den Anschluss an die
Lebenswirklichkeit der Bundesrepublik verloren, als sei er in der dünn
besiedelten Heide auf der Suche nach einem Deutschlandbild, das aus seiner
Kindheit in den Sechzigern stammen könnte. Zuwanderung birgt für ihn vor
allem Gefahren: Als Leiter des Südasien-Studios der ARD habe er doch über
die Konflikte zwischen Muslimen und Sikhs berichtet. „Ich weiß, wie die
sich gegenseitig bekriegt haben.“ Hampel verweist auf die
„bürgerkriegsähnliche Gewalt zwischen Türken und Kurden“, natürlich in …
Bundesrepublik: „Wir importieren immer neue Konflikte.“
Im Osten Deutschlands gibt Hampel deshalb den Populisten. Im Oktober steht
er vor dem Landtag in Erfurt, hetzt bei einer AfD-Demonstration gegen den
„Asylwahn“, der die „Blockparteien CDU, SPD, FDP, Grüne und wie sie alle
heißen“ ergriffen habe. „Straffällig“ gewordene Asylsuchende gehörten
„selbstverständlich“ ausgewiesen, und „Imamen, die in Deutschland die
Scharia predigen“, gehöre der Pass aberkannt, sofern sie die deutsche
Staatsbürgerschaft haben. „Abschieben, abschieben“, johlt die Menge. Über
seine Sorge um den Euro, die ihn angeblich zur AfD gebracht hat, verliert
Hampel kein Wort.
Stattdessen macht er weiter Stimmung gegen Flüchtlinge: „Warum kämpfen
diese jungen Männer nicht für ihre Ideale? Warum erheben sie nicht die
Waffe gegen diejenigen, die sie bedrohen?“ Er selbst sei im vergleichbaren
Fall dazu bereit. „Landesverräter sind das“, schallt es aus dem Publikum
zurück. Die „Marinen der europäischen Länder“ sollten direkt vor der
nordafrikanischen Küste postiert werden und dort die „Flüchtlingsboote
aufbringen“, fordert der Reserveoffizier. Die in Europa Schutz suchenden
Flüchtlinge gehörten zurück nach Afrika, die „Schlepperkapitäne“ zum
„Steinekloppen“ in einen „Steinbruch auf Lampedusa“.
Gefühllos will Hampel bei alldem aber nicht wirken: Bürgerkriegsopfern etwa
aus Syrien solle natürlich geholfen werden – aber doch bitte nicht in
Deutschland, sondern durch Unterstützung von Flüchtlingslagern in den
Nachbarländern wie dem Libanon oder der Türkei: „Mit einem Bruchteil“ des
Geldes, das die Bundesrepublik für Wohncontainer oder Sozialarbeiter
ausgebe, könne dort viel mehr Menschen geholfen werden.
## Ein „Rucksackdeutscher“
Wer weiß, dass Hampel selbst Kind von Flüchtlingen ist – sein Vater stammte
aus Breslau, seine Mutter aus Königsberg –, auf den wirkt diese zynische
Win-win-Logik verstörend. Vielleicht glaubt das Kind von Heimatvertriebenen
wirklich, die Bürgerkriegsflüchtlinge vor dem zu bewahren, was er selbst
immer als belastend empfunden hat: heimatlos zu sein. Als Schüler sei er
von Lehrern als „Rucksackdeutscher“, als dahergelaufener Habenichts
diskriminiert worden. „Ostwestfalen-Lippe ist nicht meine Heimat“, hat er
auf dem Bahnsteig in Uelzen betont – jetzt warnt er, Deutschland werde die
Asylsuchenden ökonomisch in miesen Jobs ausbeuten, schaffe so „verlorene
Seelen“.
Vielleicht ist Armin-Paul Hampel selbst so eine verlorene Seele, vielleicht
glaubt er wirklich, das zu schützen, was er ein Leben lang vermisst hat:
ein Gefühl von Heimat, wie diffus auch immer. Eine Entschuldigung für
Rassismus ist das natürlich nicht. Fest steht, dass Hampel, dem manche
seiner Parteifreunde finanzielle Probleme nachsagen, auf dem Ticket der AfD
und damit auf dem Rücken schutzsuchender Bürgerkriegsflüchtlinge eine
zweite Karriere machen will.
Während des Sommers, als die Deutschen Flüchtlinge freundlich begrüßten,
war von ihm kein Wort zu hören – jetzt genießt der Exjournalist den Applaus
Tausender Zuhörer in Thüringen sichtlich. Hampel sieht sich wieder auf der
Erfolgsspur: Spätestens in einem halben Jahr würden Hunderttausende in
Berlin gegen die Flüchtlingspolitik der Regierungen in Bund und Land
demonstrieren, glaubt er. „Wir sind nicht das Pack“, ruft Hampel vor dem
Landtag in Erfurt, „wir sind das Volk.“
24 Oct 2015
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Rechtspopulismus
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