# taz.de -- Hans-Werner Sinn stellt neues Buch vor: Der Ladenhüter | |
> Kurz vor dem Ruhestand will Hans-Werner Sinn beim Euro für Ordnung | |
> sorgen. In seinem Buch bewirbt er die Idee vom Ausstieg auf Zeit. | |
Bild: Kann das Chaos in der Eurozone nicht fassen: Ifo-Chefökonom Hans-Werner … | |
BERLIN taz | Das klingt stark nach Wolfgang Schäuble. Zum Höhepunkt der | |
Griechenland-Krise im Juli hatte der Finanzminster mit der Forderung Furore | |
gemacht, Griechenland vorübergehend aus dem Euro zu schmeißen. Jetzt gibt | |
es Lesestoff, den der CDU-Mann mit Freude verschlingen dürfte: Hans-Werner | |
Sinn, Chef und Marke des Ifo-Instituts in München, hat sein neues Buch in | |
Berlin vorgestellt. 500 Seiten mit bunten Grafiken, auf denen Sinn | |
verlangt, die Euro-Krisenländer sollten sich einfach selbst wieder fit | |
machen - und zwar ohne Euro. | |
Hans-Werner Sinn ist konservativ. „Das Orakel von München“ polarisiert | |
nicht nur, er ist umstritten. Weil sein Backenbart so groß und seine Thesen | |
so schrill sind, rangiert er auf einigen Listen als „wichtigster | |
Wirtschaftswissenschaftler Deutschlands“. | |
Jetzt geht der Großökonom in den Ruhestand - und hinterlässt sozusagen sein | |
Lebenswerk: „Der Euro - von der Friedensidee zum Zankapfel“ ist ihm zufolge | |
nicht weniger als eine „geschichtliche Aufarbeitung“ der Währungsunion. | |
Bevor Sinn im März seinen Posten in Richtung Rente verlässt, will er den | |
Laden noch mal richtig aufräumen. | |
## Krisenstaaten sollen sich selbst sanieren | |
Sinn bezeichnet sich selbst als ordoliberal. Das heißt, für ihn | |
funktioniert der freie Markt hervorragend, solange alle fair spielen. Wenn | |
nicht, muss sie jemand zur Ordnung rufen. Im Euro hält er das für | |
überfällig: Die Starken finanzierten die Schwachen, und die gewöhnten sich | |
daran, anstatt an ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu arbeiten. | |
Wie man das macht, dafür hat der Ökonom ein ganz einfaches Rezept: „Wer | |
geringe Wirtschaftsleistung hat, muss einen geringeren Lebensstandard | |
fahren - dann ist er wieder wettbewerbsfähig.“ Das heißt nicht, man soll | |
weniger essen gehen, sondern erst mal die Löhne senken. Klassische | |
angebotsorientierte Wirtschaftspolitik. | |
Anstatt sich auf diese Weise zu sanieren, verließen sich die | |
Schuldnerländer auf Umlagen aus Nordeuropa, klagt Sinn. Länder wie | |
Deutschland gerieten so in eine „Haftungsfalle“, würden gar zum „ewigen | |
Helfer“. Sinn macht es Bauchschmerzen, dass man Schulden durch Hilfen | |
tilgt, für die wiederum Schulden gemacht werden. | |
Stattdessen fordert er einen „Resetknopf“: den vorübergehenden Ausstieg aus | |
der Währung. Im Euro-Exil, stellt er sich vor, kann ein Land seine Währung | |
abwerten und so seine Wettbewerbsfähigkeit steigern, bevor es dann - mit | |
neuem Wechselkurs - geläutert in den Euro zurückkehrt. | |
## Ordnungshüter des Marktes | |
Sinn träumt davon, dass Krisenländer sich auf die Strafbank setzen und an | |
sich arbeiten, während die Strebsamen endlich mal vorankommen. Die | |
Schuldner dürfen dann wieder mitmachen, wenn sie versprechen, dass sie in | |
Zukunft artiger sind. Der Euro wäre damit eine Währung der Starken, der | |
Gläubiger, der Exporteure, eine solide Investition, die Vertrauen schafft. | |
Allerdings ist diese Vision stark umstritten: Schon als Schäuble den | |
„Grexit auf Zeit“ ins Spiel brachte, war die Entrüstung groß. Kernproblem: | |
Eine Eurozone, die ihre Mitglieder bei Fehlverhalten auch mal rausschmeißen | |
kann, gibt diese zum Abschuss durch Investoren frei. Mal ganz abgesehen von | |
den schlimmen Folgen der Wiedereinführung beispielsweise der Drachme für | |
die Griechen. | |
14 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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