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# taz.de -- Kolumne Kulturbeutel: Auf der Schleimspur
> Die Autoren der Autorennationalmannschaft sind zu Fans von Borussia
> Dortmund geworden und schreiben darüber. Sponsor Evonik sei Dank!
Bild: Eine Kurve, die Autoren begeistert. Die Südtribüne im Dortmunder Versic…
Hinter dem deutschen Schriftstellerfußball liegen erfolgreiche Jahre. 2010
hat die [1][Autorennationalmannschaft] die EM gewonnen. Das Finale in
Dortmund, das die deutschen Autoren mit 5:4 nach Elfmeterschießen gegen
eine Schriftstellerauswahl aus der Türkei gewonnen hat, wird das Team so
schnell nicht vergessen. Die Botschaft, die die Mannschaft ausgesendet hat,
war unmissverständlich: Im Fußballspielen ist die deutsche Literatur
spitze.
Natürlich können sie auch schreiben. [2][Thomas Brussig] (“Helden wie wir�…
„Das gibt’s in keinem Russenfilm“), der die Idee zu diesem Team gehabt
haben soll, hat sogar bewiesen, dass es möglich ist, ein literarisch
interessantes Produkt, das sich mit dem Thema Fußball befasst,
anzufertigen. Sein Romänchen „Leben bis Männer“ über den Jugendtrainer
eines Klubs namens „Tatkraft Börde“ darf getrost als herausragend
bezeichnet werden.
Andere Teammitglieder sind besser, wenn sie sich nicht mit Fußball
befassen. Der Dramatiker [3][Albert Ostermaier] etwa, einer der
Protagonisten der Autorennati, ist so einer. Dessen Stück „Halali“, das in
einer Nervenheilanstalt spielt, in der sich ein Patient einbildet, Franz
Josef Strauß zu sein, ist ein schöner Text für dieses Jahr, in dem der Gott
der CSU seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Seine Fußballtexte können da
nicht mithalten.
Oder [4][Moritz Rinke], der Stürmer des Schriftstellerteams, dessen Dramen
(“Republik Vineta“, „Nibelungen“) gern gespielt werden auf deutschen
Bühnen. Auch der sollte die Finger lassen von Texten über Fußball, die ihm
oft doch allzu ranwanzerisch geraten (“Also sprach Metzelder zu
Mertesacker“).
Womit wir beim Thema Ranwanzen wären. „Man muss ein Spiel auch lesen
können“ heißt eine Anthologie, die gerade erschienen ist. Sie versammelt
Texte von Autoren der Autorennationalmannschaft. Die haben eine Saison lang
Borussia Dortmund begleiten dürfen. Es war die vergangene Spielzeit, die ja
nicht ganz so gut gelaufen ist für den BVB. Dass alle mal nach Dortmund
kommen konnten, um sich ein Spiel anzusehen, hat Dortmunds Hauptsponsor
[5][Evonik] ermöglicht, dem Moritz Rinke im Vorwort und Nachwort angemessen
devot dankt.
## Ohne kritischer Geist
Gut möglich, dass die Autoren vor lauter Dankbesoffenheit vergessen haben,
etwas von ihrem hoffentlich doch vorhandenen kritischen Geist in ihre Texte
einfließen zu lassen. Da wird die Südtribüne angehimmelt, werden Hymnen auf
Spieler und Exspieler gesungen, Jürgen Klopp regelrecht angebetet.
Es mag ja sein, dass es den Schriftstellerspezis ganz gut gefallen hat im
Stadion, aber gibt es da nicht noch mehr zu erzählen? Stehen auf der
Südtribüne nicht auch ein paar finstere Gestalten aus der berüchtigten
Dortmunder Naziszene? Wie echt ist die echte Liebe der Fans, wenn die
Wortkombination „echte Liebe“ zum offiziellen Werbeslogan geworden ist? Und
wie tickt jemand, der es wie Jürgen Klopp schafft, mitten in der
Finanzkrise das Wort Gier wieder salonfähig zu machen?
Vielleicht kann ja nichts anderes herauskommen bei dieser Art der
gesponserten Literatur, für die der Aufbau-Verlag seine Marke „Blumenbar“
(War das nicht mal ein anspruchsvolles Verlagsprojekt?) hergegeben hat.
Alles andere als verschämt steht dann allen Ernstes bei den
bibliografischen Angaben des Werks auch noch: „Idee und Konzept: Markus
Langer, Evonik Industries, Essen“. Das klingt wie eine ideelle
Selbstaufgabe. Noch schlimmer ist da nur, dass für einen Geleittext,
witzig-witzig „Saisonvorbereitung“ genannt, ausgerechnet die notorische
[6][Pegida-Versteherin] Monika Maron gewonnen wurde.
Hoffen wir mal, dass die große Ranwanzerei ein Ausrutscher bleibt. Und
wünschen wir dem kritischen Geist der kickenden Autoren nur das Beste und
dass sie so schnell nicht mehr an ein Buffet im VIP-Raum eines
Bundesligisten gelassen werden. Und einen Sieg im nächsten Spiel wünschen
wir natürlich auch.
10 Oct 2015
## LINKS
[1] http://autonama.de/w2/
[2] http://www.thomasbrussig.de/
[3] http://www.albert-ostermaier.com/root/de.php
[4] http://www.rowohlt.de/autor/moritz-rinke.html
[5] http://corporate.evonik.de/de/Pages/default.aspx
[6] http://www.welt.de/debatte/kommentare/article135973630/Pegida-ist-keine-Kra…
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Borussia Dortmund
Literatur
Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
Handball
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Fankultur
DDR
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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