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# taz.de -- Nach dem Attentat in Köln: Messerstecher mit braunen Wurzeln
> Ein Mann aus dem Neonazi-Milieu stach auf Henriette Reker ein. Der
> Vorfall offenbare die „Radikalisierung“ der Asyldebatte.
Bild: Die Tatwaffe (vorne) und ein Klappmesser, das der Angreifer mitführte.
Köln taz | Am Tatort erinnert am Sonntag kaum noch etwas an den blutigen
Anschlag, der 24 Stunden zuvor im Kölner Stadtteil Braunsfeld stattgefunden
hatte. Das Wahlkampfauto von Henriette Reker wurde auf dem Platz
abgestellt, auf dem am Samstag noch Wochenmarkt war. An einer Werbetafel
der CDU prangen notdürftig angebrachte Zettel. „Wählen gehen“, steht da,
„Jetzt erst recht“.
Reker, die parteilose Kandidatin, war am Samstagmorgen an ihrem
Wahlkampfstand lebensgefährlich verletzt worden. Vier ihrer Wahlhelfer von
CDU, Grünen und FDP wurden ebenfalls verletzt. Der 44-jährige mutmaßliche
Täter, Frank S., hatte sich nach Schilderung von Augenzeugen zunächst
unauffällig auf die Politikerin zubewegt und um eine Rose gebeten, die sie
verteilt hatte, heißt es. Dann habe er unvermittelt ein Messer gezückt und
sofort mehrfach zugestochen.
Der arbeitslose Maler soll nach Polizeiangaben eingeräumt haben, aus
fremdenfeindlichen Motiven gehandelt zu haben. „Ich habe es auch für euch
und eure Kinder getan“, soll er gesagt haben. Seine Tat wolle er als Kritik
an der Flüchtlingspolitik von Henriette Reker verstanden wissen.
Am Sonntag, nach einer psychologischen Begutachtung, teilt die Polizei mit:
Es gebe „keine Anhaltspunkte für den Ausschluss der Schuldfähigkeit“. Dam…
ist vorerst klar: Die Tat war rechtsextrem motiviert. Die
Flüchtlingsdebatte erreicht eine neue Eskalation.
## „Zäsur für die Gesellschaft“
Linken-Chef Bernd Riexinger spricht von einer „Zäsur für die Gesellschaft�…
Die Bundesregierung müsse „entschieden und deutlicher gegen braune Gewalt“
vorgehen. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nennt den
Anschlag einen Beleg für die „Radikalisierung der Flüchtlingsdebatte“.
Und das ausgerechnet in Köln, das sich seiner Willkommenskultur gegenüber
Geflüchteten so lobt. Die größte Stadt Nordrhein-Westfalens nimmt besonders
viele Menschen auf, dennoch gab es keine relevanten Proteste von
Rechtsaußen. Wann immer eine extremistische Gruppierung eine Demonstration
anmeldet, bildet sich meist ein breites demokratisches Bündnis zum Protest,
von linken Vereinigungen bis zum Katholikenausschuss gegen die
Rechtsradikalen.
Bei der Oberbürgermeisterwahl tritt die rechtspopulistische Organisation
„Pro Köln“ noch nicht einmal mit einem eigenen Kandidaten an. Die
Gruppierung, die durch ihren Protest gegen den Bau einer repräsentativen
Moschee bundesweit bekannt wurde, hat sich intern weitgehend zerlegt. Die
Bewerber der Alternative für Deutschland (AfD) und der „Republikaner“ (REP)
spielen bei der Wahl zum Kölner Stadtoberhaupt keine relevante Rolle. Eine
militante Neonaziszene wie in manchen Städten des Ruhrgebiets konnte sich
in Köln nicht entwickeln.
## „Rassenmischung ist Völkermord“
Frank S. soll dagegen genau aus diesem Milieu kommen. Er selbst sagte der
Polizei, er sei in den 1990er Jahren in der rechten Szene aktiv gewesen.
Die Spuren führen zu der 1995 verbotenen „Freiheitlichen Deutschen
Arbeiterpartei“ (FAP) in Bonn. Diese Gruppierung gehörte damals zu den
radikalsten und militantesten Neonazigruppen. Sie propagierte,
„Rassenmischung ist Völkermord“, Mitglieder griffen Asylunterkünfte an.
Laut Antifa-Chroniken soll S. 1993 und 1994 auf Gedenkaufzügen der rechten
Szene an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß mitgelaufen sein. Auf einem
Foto sieht man ihn mit strengem Blick und kurzen Haaren vor rechtsextremen
Fahnen. Auch sei S. selbst mit Gewalt aufgefallen, berichten
antifaschistische Gruppen. In den Verhören soll der mutmaßliche Attentäter
eingeräumt haben, seinerzeit längere Zeit im Gefängnis gesessen zu haben.
Seit Jahren sei er aber polizeilich nicht mehr auffällig gewesen, sagte ein
Behördensprecher. Womit genau er sich vor gut 20 Jahren womöglich strafbar
gemacht hatte, konnte zunächst nicht nachvollzogen werden. Wegen
„Löschfristen“ fehlten dafür noch Belege, hieß es aus Polizeikreisen.
## „Hogesa“ und Pegida schweigen
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) machte für den Angriff auch Pegida
mitverantwortlich: Die Bewegung „senkt die Hemmschwelle, dass aus Worten
Taten werden“. Pegida selbst beschwieg die Tat. Unvermindert warb die
asylfeindliche Bewegung am Wochenende für ihren Aufzug zum ersten Jahrestag
am Montag in Dresden.
Auch die von rechten Hooligans gegründete „Hogesa“-Bewegung, die am Sonntag
wieder in Köln aufziehen möchte, erneuerte noch nach dem Anschlag ihren
Aufruf: „Auf die Straße!“ Zum Anschlag auf Reker: kein Wort. AfD-Bundeschef
Jörg Meuthen, dessen Partei die Asyldebatte zuletzt angeheizt hatte, sprach
dagegen von einer „durch nichts zu rechtfertigenden Tat“. Auch Pro Köln
wünschte Rekers „baldige Genesung“. Den politischen Hintergrund der Tat
verschwieg die Partei dagegen, sie sprach nur von einem „geistig
Verwirrten“.
Am Samstagabend hatten sich bereits die Vorsitzenden der NRW-Landesparteien
vor dem Kölner Rathaus versammelt, um ein Zeichen gegen Gewalt und für die
Demokratie zu setzen. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), CDU-Chef
Armin Laschet, Mona Neubaur (Grüne) und Christian Lindner (FDP) riefen die
Kölnerinnen und Kölner dazu auf, bei der Oberbürgermeisterwahl gerade wegen
des Attentats ihre Stimme abzugeben. Die parteilose Kandidatin Henriette
Reker wollte am Sonntag ihre Stimme zur Oberbürgermeisterwahl auf der
Intensivstation der Universitätsklinik abgeben.
18 Oct 2015
## AUTOREN
Frank Überall
Konrad Litschko
## TAGS
Köln
Henriette Reker
Oberbürgermeisterwahl
Pro NRW
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