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# taz.de -- CSU-Spezi vor Gericht: Im Netz des Dr. Schottdorf
> Wie selbstständig waren die Partnerlabors der Schottdorfs? Im Augsburger
> Prozess geht es um Abrechnungsbetrug im großen Stil.
Bild: Bernd Schottdorf beim Prozessauftakt vor dem Augsburger Landgericht Anfan…
AUGSBURG taz | Im Betrugsprozess gegen Bernd und Gabriele Schottdorf geht
die 9. Strafkammer des Augsburger Landgerichts ins Detail. Am Mittwoch
befragte es in Augsburg den LKA-Beamten Robert Mahler über seine
Ermittlungen im Fall Schottdorf. Der hatte als Mitglied der Soko Labor
diverse Ärzte aus dem Schottdorf-Netz vernommen.
Können Sie Ihr Personal selbst aussuchen und einstellen? Wer bestimmt über
die Höhe des Gehalts? Wer genehmigt Urlaubsanträge? Wann werden
Entscheidungen nach Augsburg abgegeben? Derart waren die Fragen, die den
Medizinern, in diesem Fall einem Laborarzt in Bochum, von dem
Hauptkommissar gestellt wurden. Kurz: Wie frei ist ein Laborarzt im
Imperium des Dr. Schottdorf?
Waren die Laborärzte, mit denen die Schottdorfs bundesweit
zusammenarbeiteten, scheinselbständig? Denn das ist die zentrale Frage, um
die es seit dem 7. September in Augsburg geht. Mal wieder, muss man sagen,
denn es ist nicht das erste Mal, dass sich der Laborarzt wegen
Betrugsvorwürfen vor Gerichte verantworten muss. Überraschungen freilich
brachte die Aussage des LKA-Beamten nicht zutage.
## Dubiose Geschäftspraktiken
In dem Verfahren geht es um Geschäftspraktiken der Schottdorfs in den
Jahren 2004 bis 2007. Laborleistungen im Umfang von fast 79 Millionen Euro
sollen die Angeklagten zu überhöhten Preisen abgerechnet haben. Dabei
hätten sie sich eines Netzes von scheinselbständigen Außenlaboren bedient,
um vorgeschriebene Rabatte nicht gewähren zu müssen. Denn eigentlich dürfen
Laborärzte ab einem gewissen Auftragsvolumen nicht mehr den vollen
Honorarsatz abrechnen.
Auf diese Weise, so die Staatsanwaltschaft, hätten die Schottdorfs den
gesetzlichen Krankenversicherungen einen Schaden von knapp 13 Millionen
Euro zugefügt. Fazit der Staatsanwaltschaft: 124 Fälle des
gemeinschaftlichen Betrugs.
Schottdorf hat die Vorwürfe bereits am ersten Prozesstag zurückgewiesen. Es
gebe weder Tat noch Motiv noch Schaden. Die Scheinselbständigkeit der Ärzte
in den Partnerlabors bestreitet er.
Dass die zur Last gelegten Tatbestände schon etliche Jahre zurückliegen,
ist nicht wirklich verwunderlich. Die Vorwürfe sind nicht neu, schon vor
dreieinhalb Jahren wurde deshalb Anklage erhoben. Doch die
Wirtschaftskammer des Landgerichts Augsburg setzte die Verhandlung erst für
dieses Jahr an. Der Grund: zu viele Verfahren.
## Zeuginnenvorladung an alte Adresse
Auch jetzt scheint das Gericht reichlich Zeit zu haben. Als die für den
Vormittag geladene Zeugin, eine Laborärztin aus Nordrhein-Westfalen, nicht
erscheint, benötigt die Vorsitzende Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser
genau eine Google-Anfrage und zwei Anrufe, um festzustellen, dass die
Vorladung an eine Adresse geschickt wurde, an der die Zeugin bereits seit
Jahren nicht mehr gesichtet wurde.
Belustigt erzählt die Richterin den zahlreichen versammelten
Prozessbeteiligten, die Frau habe ihr erzählt, sie verfolge den Prozess mit
Interesse in der Presse. Dass sie selbst Zeugin sei, davon habe sie aber
nichts gewusst.
Bernd Schottdorf verfolgt das Geschehen ungerührt und knetet seine Finger.
Auch heute ist er in seinem üblichen Outfit erschienen: Schwarzer Anzug,
schwarzes Hemd, weißes Haar. Einmal entkommt ihm ein Lächeln.
## Schottdorf verlässt nur noch selten sein Schloß
Bernd Schottdorf hat sich bereits 2010 aus dem Tagesgeschäft seines Labors
zurückgezogen, Frau Gabriele kümmert sich mittlerweile allein darum. Er
selbst verlässt der örtlichen Presse zufolge nur noch selten Schloss
Duttenstein. Das herrschaftliche Anwesen mit Park, zwischen Heidenheim und
Donauwörth gelegen, bietet wohl auch so genügend Freizeitmöglichkeiten für
den 75-Jährigen.
Der Augsburger Gerichtssaal ist nur eine der Bühnen für das
Schottdorf-Drama. Der andere große Schauplatz ist im Münchner
Maximilianeum. Der Untersuchungsausschuss Labor beschäftigt sich dort seit
einem Jahr bereits mit der Frage, ob die Politik zugunsten Schottdorfs
Einfluss auf die Augsburger Ermittlungen genommen hat. Ein Vorwurf, der
auch von mehreren LKA-Beamten erhoben wurde, die sich bei ihren
Ermittlungen behindert sahen.
Besonders befremdlich empfinden viele, dass die Ermittlungen gegen
Schottdorf und hunderte weitere Ärzte von der Staatsanwaltschaft München
abgezogen und nach Augsburg übergeben wurden. In der Landeshauptstadt
sollte man sich nur noch um ein sogenanntes Pilotverfahren gegen einen
Münchner Arzt kümmern, das dann als Richtschnur für das weitere Vorgehen in
den übrigen Fällen hätte dienen sollen. Doch ohne das Ende dieses Prozesses
abzuwarten, wurden die meisten Verfahren eingestellt.
Im Untersuchungsausschuss geht es nun um die Frage, welche Rolle die
Generalstaatsanwaltschaft und das Justizministerium bei dieser Entscheidung
gespielt haben. Der Münchner Arzt übrigens wurde zu einer Gefängnisstrafe
von mehr als drei Jahren verurteilt. Ein Bauernopfer?
## Gewisse Nähe zur Politik
Dass Schottdorf eine gewisse Nähe zur Politik, namentlich zur CSU, pflegt,
ist unbestritten. So war er zumindest zeitweise Mitglied der Partei und hat
laut Süddeutscher Zeitung bereits eine Spende über 30.000 Euro eingeräumt.
Auch bei der Wahl seiner Anwälte lässt er seine Affinität für die CSU
durchblicken: Lange Jahre wurde er von Peter Gauweiler vertreten, in der
Kanzlei seines jetzigen Anwalts arbeiten die beiden Töchter von Edmund
Stoiber.
Schottdorfs intensive Kontakte zur Justiz sind weniger freundlich,
wenngleich auch schon viele Jahre alt. Bereits in den achtziger und
neunziger Jahren wurden zwei Betrugsverfahren gegen Bernd Schottdorf
eingeleitet. Auch damals ging es um Abrechnungsbetrug und um
Scheinbeschäftigung von Ärzten. Beide Male wurde Schottdorf freigesprochen,
zuletzt im Jahr 2000. Nicht verlegen um große Vergleiche sprach Schottdorf
in der Augsburger Allgemeinen von einem „Dreißigjährigen Krieg“ gegen ihn.
Sollten die Richter diesmal anders befinden, muss das Ehepaar allerdings
mit Haftstrafen ohne Bewährung rechnen.
Nur einmal, da blieb tatsächlich etwas hängen: Da ging es allerdings nur
mittelbar um die Abrechnungspraktiken. 2006 wurde bekannt, dass Schottdorf
einem Augsburger Staatsanwalt einen günstigen Privatkredit über 160.000
Mark gewährt hat. Dieser hat dann auch mehrere Verfahren gegen Schottdorf
eingestellt. Der Laborarzt akzeptierte eine Geldstrafe von 450.000 Euro
wegen Vorteilsgewährung.
Mehr jedoch soll ihn der Zeitung zufolge geschmerzt haben, dass er wegen
der Vorstrafe auch seinen Waffenschein verloren hat. Schottdorf war
leidenschaftlicher Jäger. Der Staatsanwalt kam weniger glimpflich davon. Er
wurde etwas später zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.
1 Oct 2015
## AUTOREN
dominik baur
## TAGS
Prozess
CSU
Justiz
Ärzte
Arzt
Krankenkassen
Untersuchungsausschuss
LKA
Edmund Stoiber
Lokalzeitung
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