# taz.de -- Kolumne Später: Im Maul des Plastikkrokodils | |
> „Brigitte Wir“ wendet sich an Frauen ab 60. Schwierige Zielgruppe. Weil | |
> sie dann doch recht eigensinnig daherkommt. | |
Bild: Nicht immer super gelaunt: die Frau ab 60, hier Schauspielerin Helen Mirr… | |
Frauenzeitschriften sind knallharte Arbeit, die aber nicht danach aussehen | |
darf. „Die Frau will sich wiedererkennen“, hat mir ein Magazinmacher mal | |
gesagt. Der Spruch fiel mir ein, als ich im Café die Brigitte Wir auf dem | |
Tisch hatte, das neue Magazin für die Frau ab 60, sozusagen die Fortsetzung | |
der Brigitte Woman. | |
Ich überflog ein Porträt über Pina Bausch, leider tot, dann einen Bericht | |
zu Bärlauch und Ackerschachtelhalm und dessen segensreiche Auswirkung auf | |
das Gedächtnis. Ich blätterte durch eine Modestrecke mit einer geschätzt | |
75-Jährigen, die einen lilafarbenen Cardigan mit Wasserfallkragen, einen | |
bestickten Rock mit transparenter Spitze und als Accessoire gelbe | |
Plastikhandschuhe präsentierte. | |
Ein Lebenszeichen gab es von Abi Ofarim, 77, für den ich mit zwölf Jahren | |
schwärmte und der heute aussieht wie eine Mischung aus Hells-Angels-Boss | |
und Rolf Eden und in München eine Art Tagespflegestätte für Alte betreibt. | |
Es folgten persönliche Stories über Frauenfreundschaften und über Umzüge im | |
Alter, denn für manche alleinstehende Frau scheint es ein Problem zu sein, | |
aus einer großen Stadtwohnung in München in ein leider nur „kleines Loft | |
mit 100 Quadratmetern“ in Hamburg umzuziehen und die räumliche | |
Verkleinerung seelisch zu verkraften, so war zu erfahren. | |
## Trauer um den männlichen Blick | |
Mein Latte macchiato hinterließ einen hellbraunen Fleck auf dem Papier, als | |
ich das Geleitwort ganz vorne studierte. „Wir sind eine spannende | |
Generation, lebensklug, neugierig, offen. Eine Altersgruppe, die ständig | |
wächst und gesellschaftlich an den Rand gedrängt wird“, hieß es da, und | |
weiter: “Brigitte Wir will dazu beitragen, uns Frauen über 55 aus dieser | |
Unsichtbarkeit herauszuholen.“ „Aus der Unsichtbarkeit herausholen“. Hm. | |
Welche Unsichtbarkeit eigentlich? | |
Jedenfalls nicht die von der 40-jährigen Randständigen, die mit der | |
Obdachlosenzeitung bei uns vor Rewe steht. Wahrscheinlich ist mal wieder | |
der Blick des heterosexuellen, alten, weißen Mannes gehobener Bildung | |
gemeint, der durch die gleichaltrige Frau hindurchschaut, als wäre sie | |
nicht mehr da. Das ist traurig, zugegebenermaßen, aber frau hat immer die | |
Wahl, wie sehr sie trauern und lamentieren will. Man kann zehn Jahre darum | |
trauern, dass der Hund tot ist, vielleicht reichen aber auch zwei. Außerdem | |
sind die Männer unterschiedlich. | |
Ist ja mutig, sich so bunt zu schminken mit 70, dachte ich, als ich mir die | |
Fotostrecke mit den lila Lidschatten in den alten Gesichtern noch mal | |
genauer ansah. Ich würde es aber nicht machen. Ich würde auch den | |
Karomantel mit Echtpelzkragen nicht anziehen und meine Frauenfreundschaften | |
sind nicht so harmonisch wie die in der Brigitte Wir. Meine Freundinnen | |
sind kompliziert und sie reiben sich kein Bioeffect-Serum, 15 Milliliter | |
für 139 Euro, in die Haut. | |
Ist schwer, das mit der Zielgruppe. Die Frauen werden eigensinniger im | |
Alter. Zum Glück. Immerhin, das Foto der nackten Pina Bausch, die mit dem | |
Oberkörper im Maul eines riesigen Plastikkrokodils steckte, so dass nur | |
noch der Hintern und die Beine zu sehen waren, das hat mir gefallen. | |
Gemeinsame Schrägheiten finden sich schon. | |
15 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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