# taz.de -- Kolumne Später: Wider das Prostitutionsschema | |
> Mein alter Kumpel Wolf hat eine neue junge Flamme. Hab ich noch Lust auf | |
> ein Treffen? Oder ist hier Schluss mit der Solidarität? | |
Bild: Ist der Häschen-Faktor immer noch wichtig in der Liebe? | |
Eigentlich wollte ich zur Problematik „ältere Männer, jüngere Frauen“ | |
nichts mehr schreiben, aber dann mailte Wolf, ob wir uns nicht mal wieder | |
sehen könnten – nur so. | |
Vor zwei Jahren hatte ich den Kontakt zu ihm abgebrochen. Denn wenn ein | |
guter, alter Freund Ende 50 mit einer 20 Jahre jüngeren Flamme ankommt, | |
vielleicht noch die frohe Kunde künftiger Vaterschaft verbreitend, dann | |
gefriert mein Gesicht zu Eis. | |
Automatisch tat mir Sabine leid, Wolfs Ex. Außerdem fühlte ich mich auf | |
einer symbolischen Ebene abgemeiert, auch wenn das Erotische zwischen mir | |
und Wolf ewig vorbei war. Ich versprühte Giftiges wie: „Na, da spielst du | |
also jetzt den Sugardaddy, wusste gar nicht, dass dir das liegt.“ | |
Ich verabscheute nicht nur Wolf, sondern auch mich. Der Kolumnist Harald | |
Martenstein hat neulich in hohen Tönen und mit viel Farbfoto die Freuden | |
seiner späten Vaterschaft bejubelt, gleichaltrigen Frauen Neid unterstellt, | |
und ihnen geraten, doch mithilfe der modernen Medizin einfach nochmal | |
Mutter zu werden, das heißt also sich Hormone spritzen, Eizellen einsetzen | |
zu lassen oder sonst was zu veranstalten, damit sich dem alten Körper noch | |
ein Baby abringen lässt. Tja, so kriegenwir’s ab, wir neidischen alten | |
Frauen – ätsch. | |
## Angst, dass der Kumpel geht | |
Die Wahrheit aber ist: Wird ein alter Freund dank junger Freundin zum | |
Spätvater, fühlt man sich als alte Freundin der gleichen Generation von ihm | |
verlassen, nach all den Jahrzehnten, so als kämpfe man sich nicht mehr Seit | |
an Seit durchs Leben, bei gleichen Regeln. So, als nimmt der alte Kumpel | |
doch lieber einen Sonderweg und verschafft sich via Neubeziehung noch ein | |
Jugendgefühl. Als sei hier Schluss mit der Solidarität. | |
Aber es gibt ja noch Winnie. Er ist mir als alter Kumpel geblieben, auch | |
wenn mir sein Alkoholkonsum und seine Weltverschwörungstheorien manchmal | |
auf den Keks gehen. „Prostitutionsschema“, sage ich zu Winnie beim Bier, | |
„Jugend und glatte Haut. Ist das immer noch das Wichtigste zwischen Mann | |
und Frau?“ Winnie verzieht das Gesicht. | |
Winnie ist Single, ein toller Musiker, leider hat er früher mal eine | |
Privatinsolvenz hingelegt. Mir fällt ein, dass er mir kürzlich von seinen | |
Kontaktversuchen im Internet berichtete. Leicht käme es zu ersten Treffen, | |
bei denen er dann aber mehr oder weniger unauffällig nach seiner | |
wirtschaftlichen Situation gefragt werde. Und informiere er dann ehrlich, | |
tja, dann kämen einfach bei den Frauen keine romantischen Gefühle mehr auf. | |
„Prostitutionsschema“, seufzt Winnie, „also Geld spielt leider meist eine | |
Rolle bei den Frauen.“ Ich sage nichts. | |
Vielleicht bin ich zu streng mit Wolf. Ich könnte bei unserem Essen einfach | |
das Thema „alter Mann, junge Frau“ aussparen. Stattdessen könnte ich Wolf | |
lässig von meinem kommenden Roman erzählen, von Christoph und den Kindern | |
berichten, höflich nach seiner Arbeit und seiner Familie fragen. Falls er | |
über seine Neue jammert oder wie früher fast nur von sich und seiner | |
erfolgreichen Firma redet, winke ich den Ober herbei und bitte um die | |
Rechnung. Dann bezahle ich für uns zwei und verschwinde. Man hat immer eine | |
Wahl. | |
8 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
## TAGS | |
Liebe | |
Beziehung | |
Altern | |
Altern | |
Frauen | |
Brigitte | |
Buddhismus | |
Freundschaft | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Später: Zahnärzte, Zen und später Sex | |
Wie verabschiedet man eine Alterskolumne? Mit einem munteren Aus- und | |
Rückblick. Und mit einer Versöhnung am Ende. | |
Kolumne Später: Lob des jungen, coolen Mannes | |
Ha, die Coole, Ältere, die sich den jüngeren Mann geangelt hat. Ist das ein | |
romantisches Modell? Zur Hölle mit den Klischees. | |
Kolumne Später: Im Maul des Plastikkrokodils | |
„Brigitte Wir“ wendet sich an Frauen ab 60. Schwierige Zielgruppe. Weil sie | |
dann doch recht eigensinnig daherkommt. | |
Kolumne Später: Probeliegen im Buddhismus | |
Krankheiten, Todesfälle, Sorgen und Angst: Im Alter braucht man spirituelle | |
Unterstützung. Und eine Prise Aberglauben. | |
Kolumne Später: Die Angehörigen, das sind wir | |
Bine hat Krebs. Und keine Familie. Wir FreundInnen lernen jetzt, wie man | |
damit umgeht. Zuhören und bloß keine Ratschläge geben. |