# taz.de -- Wahl in Guinea: Ein Präsident, seiner Zeit voraus | |
> Guineas Präsident Condé hofft auf seine Wiederwahl am Sonntag. Seit 2010 | |
> kämpft er mit den Spätfolgen der Diktatur von vorher. | |
Bild: Condé (winkend) verkörperte bei seiner Wahl 2010 den späten Sieg einer… | |
BERLIN taz | Es ist eine undankbare Aufgabe für einen Staatschef, nach dem | |
Ende der Diktatur eine bessere Zukunft für sein Land aufzubauen. Während | |
die Bevölkerung früher wusste, warum sie im Elend lebte, hat sie nach der | |
Demokratisierung wenig Verständnis dafür, warum nicht plötzlich alles | |
besser wird. Dies ist das Dilemma von Alpha Condé, der sich am Sonntag nach | |
fünf Jahren als erster freigewählter Präsident von Guinea zur Wiederwahl | |
stellt. | |
Als Condé 2010 das höchste Staatsamt gewann, war dies ein historisches | |
Ereignis für Guinea. Seit der Unabhängigkeit 1958 hatte das | |
westafrikanische Land nur Diktatoren an der Macht erlebt. Zuletzt hatte der | |
Tod des Langzeitherrschers Lansana Conté Ende 2008 eine Zeit der Wirren | |
eingeläutet, die ihren Höhepunkt im September 2009 erreichte, als Soldaten | |
in der Hauptstadt Conakry das Feuer auf Demonstranten eröffneten und | |
mindestens 157 Menschen töteten. Der Altsozialist Condé, immer wieder | |
inhaftiert oder ins Exil getrieben, verkörperte bei seiner Wahl 2010 den | |
späten Sieg einer lang unterdrückten Demokratiebewegung. | |
Aber geht es den 12 Millionen Guineern heute besser? Ja, sagte Condé in | |
seinem letzten großen Interview vor der Wahl der französischen Zeitschrift | |
Jeune Afrique: Guinea sei ins internationale Schuldenerlassprogramm für die | |
ärmsten Länder der Welt aufgenommen worden; das große Wasserkraftwerk von | |
Kaleta sei fertig gebaut, „die Verwaltung modernisiert und die Armee | |
reformiert“ worden. „Wir haben eine einheitliche Staatskasse durchgesetzt, | |
einen Mindestlohn und ein Richtergesetz eingeführt.“ | |
All dies sind keine populistischen Strohfeuer, sondern Fundamente für ein | |
funktionierendes Staatswesen, ohne Korruption, Willkür und Finanzchaos. | |
Auch die undurchsichtigen Bergbauverträge Guineas – mit gigantischen | |
Vorkommen von Eisenerz und vom Aluminiumerz Bauxit gesegnet, aber in der | |
Förderung weit zurückgefallen – kommen unter Condé auf den Prüfstand. | |
Niemand spricht dem Staatschef Ernsthaftigkeit und Beharrlichkeit ab. Die | |
immer wieder bemängelte Kehrseite: Mangels qualifiziertem Personal verliert | |
er sich im Detailmanagement, macht alles selber und gleichzeitig. | |
## Condé verspricht politische Normalität | |
Sichtbare Früchte werden seine Reformen erst langfristig tragen. Aber | |
Wahlkampf gibt es jetzt schon. Darin kommt die ethnische Polarisierung der | |
Politik Guineas zum Tragen. Die Opposition unter Cellou Dalein Diallo hat | |
es nie verwunden, die Wahlen 2010 verloren zu haben. Damals kam Condé im | |
ersten Wahlgang auf 18 Prozent, Diallo hielt sich mit 44 Prozent für den | |
klaren Sieger. Dann entschied Condé die Stichwahl mit 52,5 Prozent für | |
sich. Seine Gegner halten ihn bis heute für einen Betrüger und behaupten, | |
unter ihm seien keine fairen Wahlen möglich. | |
Daher dauerte es drei Jahre, bis 2013 ein neues Parlament gewählt werden | |
konnte, vorher verfestigte sich die Machtkonzentration des Präsidenten. Und | |
kaum war das Parlament ab Anfang 2014 im Amt, brach wenige Monate später | |
die westafrikanische Ebola-Epidemie aus, die das Land ein Jahr lang | |
faktisch in den Ausnahmezustand warf. | |
Politische Normalität hat Guinea also in den ersten fünf Jahren Condé kaum | |
erlebt. Das verspricht er nun für die nächsten fünf Jahre. Viel Zeit hat | |
der mittlerweile 77-Jährige nicht mehr. Immerhin hat die Opposition ihre | |
Drohung eines Wahlboykotts zurückgenommen. Wenn es jetzt ein von allen | |
Seiten anerkanntes Wahlergebnis gibt, hätte Guinea einen großen Schritt | |
nach vorn vollbracht. | |
10 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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