# taz.de -- Die Wahrheit: Frau vom Reißbrett | |
> Die kruden Lebenslügen der amtierenden Verteidigungsministerin und | |
> angeblichen Vielfachmutter Ursula von der Leyen. | |
Bild: Wer ist diese seltsame Frau, die sich als Ministerin ausgibt? | |
„Schuld sind bloß die Erbsenzähler im Internet. Wie sehr muss man sein | |
Leben hassen, wenn man es damit zubringt, medizinische Promotionsschriften | |
Wort für Wort zu vergleichen. Die Dinger sind unlesbar – eine Tatsache, die | |
von der akademischen Welt voll und ganz akzeptiert wird“, erregt sich der | |
weißhaarige Mann im cremefarbenen Anzug. | |
Der freischaffende Gelehrte hat jahrelang als Ghostwriter gearbeitet und | |
zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten verfasst, eigenen Angaben zufolge | |
auch die Dissertation der Ursula von der Leyen. Der jüngst erhobene | |
Plagiatsvorwurf gegen das Werk erbost ihn jedoch derart, dass er seiner Wut | |
öffentlich Luft verschafft, auch wenn sein Name ungenannt bleiben soll. | |
„Ursula von der Leyen hat eine tadellose Arbeit abgeliefert, wie sie | |
täglich Dutzende von Medizinern einreichen. Ich habe die Versuchsdaten | |
eigenhändig aus dem Müll eines Labors gefischt, dazu ein paar Beipackzettel | |
abgeschrieben und den Rest mit Holzwolle aufgefüllt. Das ist noch echte | |
Handarbeit gewesen, kein Copy und Paste. Aber für ehrbares Handwerk haben | |
diese Online-Denunzianten ja kein Verständnis.“ | |
Der emeritierte Klitterer spuckt verächtlich aus: „Doktorarbeiten lesen! Da | |
kann man ja gleich versuchen, den Sinngehalt von Margot Käßmanns Werk zu | |
messen. Deren Bücher sind übrigens auch von mir. Das Gefasel schreibe ich | |
betrunken auf dem Rücksitz herunter.“ | |
## Geheimnisvolle Auftraggeber | |
Die Geistesgröße bestellt noch einen Rotwein. „Ich bleibe dabei. Mit von | |
der Leyens Arbeit ist alles in Ordnung. Die Begleitumstände waren | |
allerdings komisch, aber darüber darf ich nicht reden.“ Sieben weitere | |
Schoppen Rotwein ändern diese Einschätzung freilich. Flüsternd erzählt der | |
alte Herr von konspirativen Treffen mit geheimnisvollen Auftraggebern, die | |
sich als „Headwriter“ und „Executive Headwriter“ vorstellten. | |
„Sie haben diskutiert, ob eher eine geisteswissenschaftliche oder eine | |
medizinische Arbeit zu der Figur passen würde. Es war, als montierten sie | |
Frau von der Leyen am Reißbrett zusammen.“ Zum Abschied gibt uns der Mann | |
den Tipp, auch die Kinder der Ministerin unter die Lupe zu nehmen. Wie | |
zufällig wird uns darauf ein Aufsatz der jüngsten Tochter Gracia Diotima | |
mit der Note 1+ zugespielt, dabei besteht das Werk vollständig aus | |
Lorem-ipsum-Blindtext in lateinischer Sprache – höchst ungewöhnlich für | |
einen Grundschulaufsatz mit dem Titel „Mein schönstes Ferienerlebnis“. | |
Doch die Ernst-Albrecht-Schule im niedersächsischen Burgdorf verweigert | |
jede Auskunft und ansonsten fehlt von den sieben Kindern – einst medial | |
meisterhaft inszenierte Geschöpfe – jede Spur. Unseren Recherchen zufolge | |
bewohnen sie gemeinsam ein Postfach in Luxemburg und beantworten | |
Interviewanfragen durch Zusendung einer alten Autogrammkarte. | |
Zwei Tage später bekommen wir Besuch. „Ich war von der Leyens Tochter“, | |
bricht es aus der jungen Frau heraus, die sich mittlerweile als | |
Sockenmodell für Versandhauskataloge durchschlägt. Ihr Gesicht darf der | |
ehemalige Kinderstar nicht mehr öffentlich zeigen. „Man hatte mir eine | |
Weltkarriere versprochen, wenn ich absolute Verschwiegenheit garantiere. | |
Aber irgendwann hat man uns Kinder einfach aus dem Drehbuch gestrichen. Die | |
Uschi habe das so gewollt, hieß es.“ | |
„Die Uschi?“, fragen wir verwundert. „Also die Frau Bundesministerin Ursu… | |
von der Leyen?“ – „Ja, sicher“, kommt es höhnisch zurück. „Mittlerw… | |
glaubt sie ja selber daran, aber darüber darf ich nicht reden.“ | |
## Fiktive Familie | |
Abgefeimte Investigativjournalisten, die wir sind, bestellen wir auch | |
dieser Informantin Rotwein. Allerdings verträgt die junge Dame nichts, so | |
dass ihr Redefluss bald von Weinkrämpfen und Gesangseinlagen unterbrochen | |
wird. Dennoch erfahren wir Ungeheuerliches: Die von der Leyens sind eine | |
durch und durch fiktive Familie, ein aus dem Ruder gelaufenes Doku-Drama | |
eines größenwahnsinnigen ZDF-Redakteurs, der längst strafversetzt wurde. | |
„Ja, es ist wahr“, bekennt der Geschasste, den wir wenig später als | |
Kabelträger im „Fernsehgarten“ aufstöbern. „Die von der Leyens sind mei… | |
Erfindung. Ich wollte etwas Einmaliges schaffen, eine geskriptete | |
Reality-Politainment-Familienserie mit Laiendarstellern. Große Gefühle, | |
immer gute Laune und eine winzige Prise Politik. Zuerst hatte ich | |
Rückendeckung von oberster Stelle, aber als ich die virale Kampagne | |
auffliegen lassen und das Material senden wollte, hat man mich eiskalt | |
abserviert. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“ | |
## Gecastete Laienminister | |
Wir versuchen es abermals mit Rotwein, dem der abgehalfterte Fernsehmacher | |
reichlich zuspricht, aber mehr will er trotzdem nicht preisgeben. „Es ist | |
wohl irgendwem aufgefallen, dass gecastete Laienminister einfacher zu | |
führen sind als gestandene Politprofis“, sagt er schließlich. „Wem denn?�… | |
fragen wir, aber der Mann schüttelt den Kopf. | |
„Nur so viel“, meint er bloß. „Ist Ihnen aufgefallen, dass die | |
Bundeskanzlerin die Lippen bewegt, wenn ihre Minister Interviews geben? So, | |
als ob sie den Text vorsagt? Und von der Leyen ist ja nicht die Erste, | |
deren Werdegang Fragen aufwirft. Da gab es ja auch schon zu Guttenberg und | |
Schavan …“ | |
14 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Christian Bartel | |
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