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# taz.de -- Flüchtlinge in Kreuzberger Schule: „Wir werden sie bitten zu geh…
> Friedrichshain-Kreuzberg will weiter juristisch gegen die Bewohner der
> Hauptmann-Schule vorgehen, sagt Bürgermeisterin Herrmann. Geld spiele
> keine Rolle.
Bild: Soll nach dem Willen des Bezirks bald kein Matratzenlager mehr sein: die …
taz: Frau Herrmann, das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat dem Bezirk
untersagt, die von Flüchtlingen besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule räumen zu
lassen. Wie gehen Sie nun vor?
Monika Herrmann: Das ist nicht richtig. Das Oberverwaltungsgericht hat
lediglich entschieden, dass es nicht zuständig ist. Sie erinnern sich
vielleicht an den internen Konflikt zwischen Amtsgericht und
Verwaltungsgericht im Herbst 2014. Dort wurde die Klage der Bewohner an das
Verwaltungsgericht überwiesen. Damit hatten wir also gar nichts zu tun. Das
OVG sagt nun, unser Fall sei eine zivilrechtliche Angelegenheit. Wir gehen
jetzt also den zivilrechtlichen Weg.
Sie betrachten die Bewohner der Schule nun als Mieter, denen Sie als
Vermieter eine Kündigung schicken?
Wir betrachten sie nicht als Mieter, sie sind weiterhin Besetzer. Wir
werden uns mit unserem Anwalt in Verbindung setzen und schauen, wie wir
formaljuristisch korrekt vorgehen. Aber ja, wir werden sie bitten, das
Gebäude zu verlassen.
Ist eine Zwangsräumung für Sie ein letztes Mittel?
Wir wollen die Leute nicht einfach da rausholen. Man muss natürlich
schauen, dass von den jetzigen Bewohnern keiner obdachlos wird. Das war von
Anfang an unser Ziel.
Das heißt: An der Situation vor Ort ändert sich erst mal gar nichts?
Stimmt. Wobei unser Angebot, ein Flüchtlingszentrum in dem Gebäude
einzurichten, steht: mit Beratungsangeboten, Ausbildungsmöglichkeiten und
medizinischer Versorgung. Ein privater Träger müsste die
Gemeinschaftsunterkunft betreiben. Was nicht geht, ist ein Haus der reinen
Selbstverwaltung. Da haben wir mit den Bewohnern einen Dissens. Während des
Umbaus müsste das Haus leer sein, auch hier kommen wir nicht zusammen.
Leider haben die Menschen im Haus bisher alle Angebote inklusive
alternativer Unterbringung, Beschäftigung und späterer Rückkehr ins Haus
ausgeschlagen.
Der zivilrechtliche Prozess kann sehr lange dauern. Der Unterhalt der
Schule kostet aber inklusive Sicherheitsdienst 100.000 Euro im Monat. Wird
das nicht zu teuer?
Wir haben einen gut aufgestellten Haushalt und müssen uns da keine Sorgen
machen.
Tausende Flüchtlinge brauchen eine Unterkunft. Da ist es schwer
vermittelbar, dass für so wenige Menschen so viel Geld ausgegeben wird.
Die Alternative wäre, die Leute rauszuräumen. Viele von ihnen haben aber
keine Papiere. Und ich sehe nicht, dass die Ausländerbehörde ihnen welche
gibt, was mir das Liebste wäre. Damit würde man den ganzen Prozess
erheblich verkürzen.
Unterkünfte für Flüchtlinge werden händeringend gesucht. Die Grünen in
Friedrichshain-Kreuzberg wollen jetzt auch leer stehende Privatwohnungen
beschlagnahmen, etwa im Luxusquartier Riehmers Hofgarten.
Ich denke, wir müssen in Riehmers Hofgarten gar nicht zum letzten Mittel
der Beschlagnahmung greifen: Wir kommen mit dem Eigentümer gut ins
Gespräch. Er will mehrere Wohnungen freiwillig zur Verfügung stellen. Je
mehr Leute so etwas tun, umso besser. Die Integration von Flüchtlingen ist
eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, auch die der Immobilienbesitzer.
Werden Sie auch an andere Wohnungseigentümer herantreten?
Da, wo wir wissen, dass es Leerstand gibt, werden wir – weniger laut – mit
den Eigentümern ins Gespräch gehen. Wir haben jetzt auch Besitzer von
Häusern angeschrieben, wo Ferienwohnungen sind. Alles muss jetzt zusammen
wirken, weil es kalt wird. Am Oranienplatz haben die Menschen im Winter in
Zelten gelebt, und sie haben bitterlich gefroren. Jedes Zelt, in dem jetzt
noch Flüchtlinge wohnen, muss bis zum Ende dieses Monats weg sein.
Die Kreuzberger Grünen machten erst mit der Duldung des Zeltlagers auf dem
Oranienplatz, jetzt mit der Beschlagnahmung von Wohnungen Schlagzeilen.
Wenn man sich aber die Zahlen zur Flüchtlingsunterbringung anschaut, liegt
Friedrichshain-Kreuzberg im Bezirksvergleich nur im unteren Drittel. Geht
es Ihnen mehr um Symbolpolitik als um echte Hilfe?
Natürlich nicht. Es stimmt, wir liegen im Bezirksvergleich im Mittelfeld.
Das hat so einen Nebenklang, als wollten wir die Flüchtlinge nicht. Aber
daran liegt es nicht. Da wo Platz ist, bieten wir Flächen an, zum Beispiel
2013 ein Gebäude in der Franz-Künstler-Straße. Das Landesamt für Gesundheit
und Soziales (Lageso) nimmt die aber nicht.
Weil es die Unterkünfte nicht für geeignet hält?
Ich weiß es nicht. Jetzt sucht das Lageso Unterkünfte für mindestens 200
Personen. In dieser Größenordnung haben wir keine Gebäude. Auch die
einstige Polizeiwache in der Friedenstraße hätte eine Flüchtlingsunterkunft
werden können.
Dort soll ein Atelierhaus entstehen.
Auf die Gefahr hin, dass ich mich bei Künstlerinnen und Künstlern unbeliebt
mache, frage ich: Ist das jetzt der richtige Zeitpunkt? Kann man das
Atelierprogramm nicht auch zwei Jahre später machen? Ich halte die
Unterbringung von Flüchtlingen für dringlicher.
7 Oct 2015
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
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Friedrichshain-Kreuzberg
Monika Herrmann
Schwerpunkt Flucht
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