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# taz.de -- Klage gegen Myfest: Kampf den Köfte
> Ein Kreuzberger will das Myfest verbieten lassen, weil es keine
> Versammlung sei, sondern eine für Anwohner unzumutbare Amüsiermeile. Der
> Bezirk sieht das anders.
Bild: Myfest, das heißt: Köfte, Caipi und dichtes Gedränge.
Kreuzberg könnte am kommenden 1. Mai ohne Myfest dastehen. Ein Anwohner aus
der Oranienstraße will die Veranstaltung jetzt juristisch kippen. Er hat
beim Verwaltungsgericht Klage eingereicht. Die Argumentation: Es handele
sich beim Myfest nicht um eine Versammlung im Sinne des Grundgesetzes, da
dort keine öffentliche Meinungsbildung stattfinde. Als normale
Veranstaltung sei das Myfest aber „nicht genehmigungsfähig“.
Um das zu veranschaulichen, werden in der Klage die Zustände vom
diesjährigen 1. Mai rund um die Oranienstraße aus Sicht des Anwohners
ausführlich beschrieben. Er habe seine Wohnung am 1. Mai praktisch nicht
nutzen können, ab 14 Uhr sei sie wegen des Gedränges auch zu Fuß nicht mehr
zu erreichen gewesen. Es habe eine „unkontrollierte Entwicklung von Lärm“
gegeben, „man watet durch ein Meer aus Plastik und anderen Abfällen“. Die
Grills stellten eine Brandgefahr dar, es habe aber kein angemessenes
Sicherheits- und Fluchtwegekonzept gegeben. Zudem hätten Besucher in
Grünanlagen, Fluren und Hinterhöfen massenhaft ihre Notdurft verrichtet.
„In den Rinnsteinen stand der Urin teilweise wie Regenwasser nach einem
Wolkenbruch“, heißt es in der Klage.
Das Myfest wurde 2003 von Anwohnern erfunden, um der ritualisierten Randale
am 1. Mai in Kreuzberg etwas entgegenzusetzen. Eine wichtige Rolle spielte
damals Silke Fischer, ehemalige Hausbesetzerin, Kreisvorsitzende der SPD
und Bezirksamtsmitarbeiterin. Ausgerechnet ihr Ehemann, Andreas
Wandersleben, ist es, der nun gegen die Veranstaltung klagt. Eigentlich
wünsche er sich eine Fortsetzung, sagte Wandersleben der Berliner Zeitung.
„Aber eine Katastrophe wie bei der Loveparade in Duisburg will ich bei uns
nicht erleben.“
Tatsächlich hat sich das Myfest seit 2003 stark verändert. Die
Besucherzahlen stiegen von Jahr zu Jahr, aus dem Kiezfest wurde eine
Riesensause. Rund 40.000 Menschen sollen am vergangenen 1. Mai im Viertel
rund um die Oranienstraße unterwegs gewesen sein.
Weil das Sicherheitskonzept nur für 35.000 Personen ausgelegt war, hatte
Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) die Veranstaltung danach in
Frage gestellt. Bei einem Treffen mit den Organisatoren verständigte man
sich dann darauf, am Myfest festzuhalten. Allerdings in veränderter Form:
Erwogen wird etwa, die Partymeile zu entzerren und auch auf den Görlitzer
Park und den Moritzplatz auszuweiten.
Wandersleben reicht diese Ankündigung offenbar nicht. Das Myfest gehe auf
Kosten der Anwohner und sei nicht zumutbar, sagte am Sonntag Rechtsanwalt
Johannes Eisenberg, der ihn vertritt. „Polizei und Bezirk missbrauchen die
Versammlungsfreiheit, um eine halbstaatliche Veranstaltung zu inszenieren
und in Grundrechte der Anwohner einzugreifen.“ Die Versammlungsfreiheit
diene aber dem Schutz der Bürger und nicht dem Staat.
Bezirkssprecher Sascha Langenbach wollte sich am Sonntag nicht zu der Klage
äußern, da sie ihm noch nicht vorlag. In der Antwort auf eine Anfrage der
SPD stellte der Bezirk aber bereits Ende Juli seine Sicht auf die Dinge
dar. Das Myfest habe durch das gemeinsame Motto, durch die
Musikdarbietungen und Redebeiträge sehr wohl seinen Schwerpunkt in der
„Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung“, heißt es dort. Der Schutz
der Versammlungsfreiheit umfasse auch, mit welchen Mitteln öffentliche
Aufmerksamkeit erreicht werden soll – etwa Musik und Tanz. Die
Verkaufsstände fielen dagegen nicht unter das Versammlungsgesetz, sondern
hätten eine gesonderte Genehmigung.
27 Sep 2015
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
## TAGS
Berlin-Kreuzberg
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Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
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