# taz.de -- Ungarns Regierungschef bei der CSU: „Ich bin Ihr Grenzschutzkapit… | |
> Orbán wird in Bayern freundlich empfangen. Er stellt seinen Plan für die | |
> Flüchtlingskrise vor – und verbittet sich „moralischen Imperialismus“. | |
Bild: Christlich-soziale Willkommenskultur: CSU-Chef Seehofer begrüßt Ungarns… | |
KLOSTER BANZ/BAD STAFFELSTEIN taz | Ein sehr kleiner Horst Seehofer in | |
Lederhosen lässt sich wie ein Kind an der Hand von einem sehr großen Victor | |
Orbán führen, der eine Rolle Stacheldraht in der Hand hält: So karikiert | |
die bayerische SPD das Geschehen am Mittwochmorgen auf einem Protestplakat, | |
das sie mit einem Lieferwagen vor das Kloster Banz gefahren hat. | |
Hier, im Bildungszentrum der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung im fränkischen | |
Bad Staffelstein, hält die CSU-Landtagsfraktion ihre diesjährige | |
Herbstklausur ab – wohin CSU-Chef Seehofer auch den [1][ungarischen | |
Premierminister geladen hat]. | |
Als Markus Rinderspacher, Vorsitzender der SPD-Fraktion im bayerischen | |
Landtag, um 9 Uhr vor dem Plakat gegen den Besucher demonstriert, steht er | |
zunächst ganz allein da. „Was will die CSU denn von diesem | |
Rechtspopulisten, der seit Jahren EU-Recht und Menschenrechte mit Füßen | |
tritt, lernen? Wie man mit [2][Wasserwerfern, Schlagstöcken und Tränengas] | |
gegen Flüchtlinge vorgeht?“, fragt er. | |
Als weitere Demonstranten, Vertreter der Grünen und der Linken mit | |
Trillerpfeifen und Schildern – „Mister Orbán, tear down this wall“, „H… | |
the Worst“ – eingefunden haben, ist der dunkle Wagen mit dem ungarischen | |
Regierungschef allerdings längst im Klosterhof verschwunden. Orbán ist | |
schon eine halbe Stunde eher ankommen als ursprünglich geplant. | |
## Die Südgrenzen Bayerns | |
Zu den Protestierenden gehören auch Margarete Bause, Fraktionsvorsitzende | |
der bayerischen Grünen, sowie Anton Hofreiter, der Fraktionsvorsitzende der | |
Grünen im Deutschen Bundestag. Das im Vorfeld dieses Treffens immer wieder | |
angeführte Argument der CSU, man müsse mit Orbán reden, bringt Hofreiter | |
sichtlich auf: „Mit so jemanden muss man streiten, und zwar in EU-Gremien, | |
und nicht, indem man ihn zur Klausur einlädt und ihm damit seine | |
Wertschätzung zeigt.“ | |
Als Orbán gemeinsam mit Seehofer und dem CSU-Europaabgeordneten Manfred | |
Weber vor die Presse tritt, gibt er sich selbstbewusst: „Die Südgrenzen | |
Bayerns werden heute von Ungarn beschützt. Ich bin Ihr Grenzschutzkapitän“. | |
Dass vor allem Bayern derzeit die Folgen der „Wir schaffen das“-Politik der | |
Bundeskanzlerin zu tragen habe und damit alsbald überfordert sei, betont an | |
diesem Tag auch Thomas Kreuzer, CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag: | |
Kommunen, Städte, Sicherheitskräfte und Ehrenamtliche seien am Limit. | |
„Unsere Gesellschaft ist nicht unbegrenzt belastbar.“ | |
Sein Kollege Klaus Stöttner, Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis | |
Rosenheim, pflichtet ihm bei: „In Bayern geht der Platz aus, wir mussten | |
übers Bayerische Rote Kreuz 10.000 Betten aus Kanada einfliegen lassen!“ | |
Der Markt für Wohncontainer sei leergefegt, überall würden Turnhallen und | |
sogar Schwimmbäder in Unterkünfte verwandeln. | |
## Stimmungsmache von rechts | |
Trotzdem will Stöttner nicht als Rechtspopulist gesehen werden: Er habe | |
selbst bei sich im Wahlkreis gemeinsam mit SPD, Grünen und Linken zwei | |
Kundgebung gegen rechtsgerichtete Stimmungsmacher organisiert, betont er. | |
Zugleich gelte es aber, die wachsenden Ängste in der bayerischen | |
Bevölkerung ernst zu nehmen. | |
„Die Menschen fürchten um unsere freiheitliche Art, zu leben. Schulen | |
schicken jetzt Briefe an Eltern, sie sollten darauf aufpassen, dass ihre | |
Töchter sich nicht zu freizügig anzögen.“ | |
Vor der Presse erläuterte Orbán seinen „Sechs-Punkte-Plan“, den er auch | |
beim Treffen der EU-Regierungschefs in Brüssel darlegen will. Dazu gehört | |
unter anderem eine mögliche militärische Sicherung der griechischen | |
Außengrenzen auch mit freiwilliger militärischer Unterstützung anderer | |
EU-Länder. | |
## Ungarn bleibt ungarisch | |
Er will Wirtschafts- von Kriegsflüchtlinge noch außerhalb des | |
Schengengebiets trennen und eine Liste sogenannter sicherer Drittstaaten, | |
die auf europäischer Ebene definiert werden sollte. Zudem sollten nach | |
Orbáns Vorstellung alle Länder ihre Ausgaben um ein Prozent reduzieren und | |
die Einsparungen zum Management dieser „Völkerwanderungskrise“ verwenden. | |
Man solle mit der Türkei und Russland enger zusammenarbeiten und ein | |
Weltkontingent aufstellen. | |
Einen „moralischen Imperialismus“ aber verbitte er sich. Ob sich die | |
deutsche Gesellschaft verändern soll und will, das sollten die Deutschen | |
für ihr Land entscheiden – aber bitte nicht für Ungarn. „Wir sind Ungarn. | |
Wir wollen uns nicht ändern durch eine massenhafte Einwanderung.“ | |
Auf die Frage eines ungarischen Journalisten, wann er die neu | |
eingerichteten technischen Grenzsicherheitsanlagen an der Grenze zu | |
Kroatien scharfstellen will, antwortet Orbán, er habe bereits die | |
Zustimmung des ungarischen Parlaments erhalten, [3][militärische Kräfte und | |
Material] dorthin zu verlagern. | |
23 Sep 2015 | |
## LINKS | |
[1] /Orban-zu-Gast-bei-der-CSU/!5235488/ | |
[2] /Fluechtlinge-zwischen-Serbien-und-Ungarn/!5233800/ | |
[3] /Beschluss-von-Ungarns-Parlament/!5234524/ | |
## AUTOREN | |
Margarete Moulin | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Flucht | |
Ungarn | |
Viktor Orbán | |
Horst Seehofer | |
CSU | |
Flüchtlinge | |
Wladimir Putin | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Flucht | |
Flüchtlinge | |
Schwerpunkt Rassismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Besuch bei Wladimir Putin: Seehofer kanzelt Kritiker ab | |
Heikle Reise, heikler Zeitpunkt: CSU-Chef Seehofer besucht Putin in Moskau. | |
Vor dem Abflug reagiert Seehofer äußerst gereizt auf den Chor der Kritiker. | |
Kommentar Europas Flüchtlingspolitik: Zu wenig und zu spät | |
Nach langem Gezerre haben sich Europas Innenminister auf eine Verteilung | |
der Flüchtlinge geeinigt. Das erklärte Ziel bleibt aber die Abschottung. | |
Ungarns Freunde in Brüssel: Abschottung mit Rückendeckung | |
Viktor Orbán ist über die EVP fest in Brüssel verankert. Neben seinen | |
CSU-Spezis feiern ihn auch Freunde in Polen, Tschechien und der Slowakei. | |
Fluchterlebnisse eines Jugendlichen: Was habe ich falsch gemacht? | |
Jawad war vier Jahre alt, als er mit seinen Eltern aus Afghanistan | |
flüchtete. Nun ist er in Hamburg und hat seine Geschichte aufgeschrieben. | |
Asylrechtsverschärfung in Österreich: Asyl auf Zeit als Wahlkampfrezept | |
Man will ja menschlich sein. Aber die FPÖ könnte von der Flüchtlingspolitik | |
profitieren. Die Regierung in Wien glaubt, dieses Dilemma lösen zu können. | |
Debatte Umgang mit Flüchtlingen: Colour matters | |
Die Lampedusa-Flüchtlinge vom Oranienplatz mussten viel ertragen. Kaum | |
jemand sah hin. Sind uns schwarze Flüchtlinge so willkommen wie weiße? |