# taz.de -- Betreuung für Psychiatrie-Entlassene: Notstand mit Ansage | |
> Während Bremer Krankenhäuser gegen Unterfinanzierung demonstrieren, | |
> eskaliert die Situation in der ambulanten Psychiatrie. Träger fürchtet | |
> den „Kollaps“. | |
Bild: Auf Entlassungen aus der stationären Therapie folgt derzeit das Chaos. | |
Bremen taz | Ambulante Einrichtungen für psychisch Kranke schlagen Alarm: | |
Man sehe sich in der Betreuung „unhaltbaren Situationen“ ausgesetzt, sagt | |
Katrin Steengrafe, Geschäftsführerin der Bremer Werkgemeinschaft. Dieser | |
Trägerverein betreut rund 400 Menschen in verschiedenen Einrichtungen im | |
Bremer Westen. Das Problem: Psychiatrie-PatientInnen würden zu kurzfristig | |
aus der Klinik entlassen und überforderten die ambulanten Betreuer. | |
Steengrafe berichtet von Patienten, die andere BewohnerInnen bedroht | |
hätten, Menschen, die sich selbst nicht angemessen versorgen lassen. Auch | |
die „Initiative zur sozialen Rehabilitation“, ein anderer Träger aus dem | |
Bremer Westen, schließt sich der Kritik an. | |
Ganz unerwartet kommt der Notstand allerdings nicht: Bereits im Frühjahr, | |
als die Klinik-Holding Gesundheit Nord (Geno) die Station 3a am Klinikum | |
Ost (KBO) kurzfristig dicht machte, warnten PatientInnen- und | |
Angehörigen-Vertretungen, dass die häuslichen Betreuungsstrukturen noch | |
nicht bereit für die Umstellung auf mehr Ambulanz seien. Grundsätzlich | |
begrüßen allerdings alle Beteiligten das von Senat, Geno und Verbänden | |
erarbeitete Konzept, stationäre Pflege zurückzufahren: In der so genannten | |
„Psychiatrie 2.0“ soll die Lebenswelt der PatientInnen stärker einbezogen | |
werden, um die Verwahrung zu verwahren. | |
Nur müssten dafür eben alternative Betreuungskonzepte her. Die Bremer | |
Werkgemeinschaft hat bereits Anfang des Jahres eine Stellungnahme zur | |
Stations-Schließung abgegeben und ihre Zusammenarbeit angeboten. „Leider | |
haben wir nie eine Antwort darauf bekommen“, sagt Steengrafe. Und jetzt | |
stünden PatientInnen mit Entlassungspapieren in der Hand vor der Tür – | |
ohne, dass aus Sicht der Betreuungseinrichtung ausreichende Vorgespräche | |
stattgefunden hätten. | |
„Nicht ganz unberechtigt“ sei die Kritik, räumt Geno-Sprecherin Karen | |
Matiszick ein. Tatsächlich seien mit der Umstellung bewährte Strukturen | |
weggebrochen, die sich erst neu finden müssten. Man wolle nun das Gespräch | |
mit den betroffenen Trägern suchen. | |
Doch an der Umstellung allein scheint es nicht zu liegen. Nicht nur in der | |
Psychiatrie klagen Pflegekräfte über Arbeit an der Belastungsgrenze. Ebenda | |
sehen die ambulanten Betreuungseinrichtungen das eigentliche Problem. Die | |
personelle Situation seitens der Klinik sei dermaßen ausgedünnt, dass sie | |
sich nicht mehr an die Kooperationsvereinbarung halten könnten, sagt Heidi | |
Mergner vom Vorstand der „Initiative zur sozialen Rehabilitation“. | |
Das Klinik-Personal selbst will sich am heutigen Mittwoch möglichst | |
lautstark zu ihrer finanziellen Situation äußern: Zum bundesweiten | |
Aktionstag wollen die Beschäftigten in einer „aktiven Mittagspause“ | |
demonstrieren – damit sich die Lage noch weiter verschärft. Der Protest | |
richtet sich gegen das geplante Krankenhausstrukturgesetz, das | |
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) als Qualitätssicherung zu | |
verkaufen sucht. Aus Sicht der Protestierenden bedeutet es dagegen die | |
Ausweitung von Konkurrenz und neue bürokratische Hürden. Sollte das | |
Bundesgesetz Anfang 2017 wie geplant in Kraft treten, heißt es vom | |
Protest-Bündnis, bliebe damit noch weniger Zeit für die PatientInnen. | |
22 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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