# taz.de -- Unabhängigkeit von Sachverständigen: Horst und die Gutachter | |
> Der Expolizist Horst Glanzer versteht sich als Justizopfer. Jetzt sieht | |
> er sich als Urheber eines Gesetzentwurfs der Regierung zu neutralen | |
> Gutachten. | |
Bild: Knapp 400.000 Mal pro Jahr beauftragt die Justiz Sachverständige, um Fra… | |
BERLIN taz | Die Bundesregierung plant ein Gesetz, das die Unabhängigkeit | |
von gerichtlichen Sachverständigen sichern soll. Vorige Woche hat das | |
Kabinett einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Ein Mann hat sich | |
besonders dafür eingesetzt: der bayerische Expolizist Horst Glanzer. Er | |
versteht sich als Justizopfer. | |
Knapp 400.000 Mal pro Jahr beauftragt die Justiz Sachverständige, um Fragen | |
zu beantworten, mit denen sich Juristen nicht auskennen. Es geht um | |
ärztliche Kunstfehler, das Kindeswohl und einsturzgefährdete Häuser. | |
Schon seit Jahren allerdings wird über die oft zweifelhafte Neutralität | |
mancher Sachverständiger diskutiert. Wie unabhängig sind sie, wenn sie | |
nicht nur gerichtliche Aufträge erfüllen, sondern auch für die Branche | |
arbeiten, für die sie sachkundig sind? Zwar können Kläger oder Beklagte | |
einen Gutachter auch bisher wegen „Besorgnis der Befangenheit“ ablehnen. | |
Allerdings wissen Bürger oft gar nichts von deren Abhängigkeiten. | |
Hier will nun der Gesetzentwurf der Bundesregierung ansetzen. „Der | |
Sachverständige hat unverzüglich zu prüfen, ob ein Grund vorliegt, der | |
geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Der | |
Sachverständige hat dem Gericht solche Gründe unverzüglich mitzuteilen.“ | |
Diese Formulierung soll künftig in der Zivilprozessordnung (Paragraf 407 a) | |
stehen. Stellt sich später heraus, dass der Gutachter diese Pflicht | |
missachtet hat, bekommt er kein Honorar. | |
## Eingabe mit 351 MitzeichnerInnen | |
Horst Glanzer hat schon 2010 mit einem Freund eine Petition an den | |
Bundestag gerichtet, die einen ganz ähnlichen Vorschlag enthielt. Die | |
Eingabe fand zwar nur 351 MitzeichnerInnen, doch im Mai 2013 erklärte der | |
Petitionsausschuss den Vorschlag für „überlegenswert“. Kurze Zeit später | |
handelten Union und SPD ihren Koalitionsvertrag aus und griffen die Idee | |
auf. „Wir wollen die Neutralität gerichtlich beigezogener Sachverständiger | |
gewährleisten“, heißt es dort. Auch das schreibt Glanzer seinem Einfluss | |
zu. | |
Wohl kein Bürger ruft so penetrant PolitikerInnen und JournalistInnen an | |
wie Horst Glanzer. Ob die Reform des Sachverständigenrechts aber nur wegen | |
Horst Glanzer angepackt wurde oder eh in der Luft lag, lässt sich nicht | |
mehr verlässlich klären. | |
## Rätselhafte Entzündung | |
Horst Glanzer war früher Polizist, ist aber längst frühpensioniert. 2003 | |
wäre er fast an einer rätselhaften Entzündung im Kopfbereich gestorben. Er | |
machte seine Versicherung dafür verantwortlich, weil diese die | |
erforderliche Therapie angeblich zu spät genehmigte. Mehrere Prozesse | |
scheiterten jedoch. Seitdem kämpft Glanzer für Verbesserungen in der | |
Justiz. | |
Die neue Auskunftspflicht für Sachverständige wird am Problem aber | |
möglicherweise nur wenig ändern. Selbst wenn Betroffene künftig leichter | |
eine mögliche Befangenheit rügen können, heißt das nicht, dass sie damit | |
auch Erfolg haben werden. Die Gerichte sind nämlich relativ großzügig und | |
werten einseitige Geschäftsbeziehungen eines Sachverständigen nicht | |
automatisch als Gefahr für dessen Neutralität. | |
## Wirtschaftliche Abhängigkeit | |
So lehnte das Oberlandesgericht Saarbrücken erst im Mai den | |
Befangenheitsantrag gegen einen Gutachter ab, der im Vorjahr immerhin 10 | |
seiner 41 Gutachten im Auftrag der anderen Prozesspartei erstellt hatte. | |
Das sei noch keine wirtschaftliche Abhängigkeit. Die Gerichte sind wohl | |
deshalb großzügig, weil es in manchen Konstellationen kaum GutachterInnen | |
gibt, die nicht ökonomisch mit ihrer Branche verbandelt sind. | |
Der Gesetzentwurf, der auch andere Fragen des Sachverständigenrechts klärt, | |
soll noch in diesem Herbst im Bundestag beraten werden. | |
21 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Justiz | |
Gutachten | |
Gesetzentwurf | |
Gericht | |
Bundesverfassungsgericht | |
Entschädigung | |
Patientenrechte | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Karlsruhe urteilt: Linken-Klage ohne Erfolg | |
Das BVerfG meint: Ein Ausschuss braucht Spielraum für die | |
Kompromissfindung. Die Linksfraktion hatte für mehr Beteiligung und Rechte | |
plädiert. | |
Bayerischer Landtag und Horst Glanzer: Kein Fonds für Justizopfer | |
Horst Glanzer und der Verein „Justiz-Opfer“ kämpfen für mehr Gerechtigkeit | |
und fordern Hilfe vom bayerischen Landtag. Ohne Erfolg. | |
Ein-Mann-Lobby Horst Glanzer: Lästiger Patient | |
Der pensionierte Polizist ruft Politiker und Zeitungen an. Er will die | |
Gesetze ändern. Er nervt. Er gibt nicht auf. Und – er hat Erfolg. |