| # taz.de -- Generaldebatte im Bundestag und Linke: „Wir hatten recht“ | |
| > Oppositionsführer Gysi gibt „westlichen Staaten“ die Hauptschuld an der | |
| > Flüchtlingskrise. Außenminister Steinmeier widerspricht – indirekt. | |
| Bild: Während der Generaldebatte im Bundestag: Gregor Gysi. | |
| Berlin taz | Gregor Gysi hat gerne recht, daraus macht er keinen Hehl. | |
| Gerade mal seit einer Minute steht der Linken-Fraktionschef am Rednerpult, | |
| schon schmiert er seinen Zuhörern unter die Nase, wo er mal wieder richtig | |
| lag und alle anderen falsch. Es geht um Flüchtlinge. Genauer gesagt: um die | |
| Flüchtlinge aus Afghanistan. Ganz genau gesagt: um den Nato-Krieg in | |
| Afghanistan, der die Afghanen erst zu Flüchtlingen gemacht habe. „Alle | |
| Parteien waren für den Krieg, außer die Linke“, ruft Gysi jetzt in den | |
| Plenarsaal des Bundestags. „Sie können es drehen und wenden, wie Sie | |
| wollen: Wir hatten recht.“ | |
| Das Parlament berät in dieser Woche über den Bundeshaushalt. Höhepunkt ist | |
| dabei traditionell die Generalaussprache am Mittwochvormittag: Formal steht | |
| der Etat des Kanzleramts auf der Tagesordnung. De facto aber nutzt die | |
| Opposition die Gelegenheit, um ganz allgemein mit dem Kurs der Regierung | |
| abzurechnen. Im Mittelpunkt steht dieses Mal die Flüchtlingssituation. | |
| Als Oppositionsführer darf Gysi die Debatte eröffnen. Von Beginn an macht | |
| er deutlich: Er will über die Fluchtursachen sprechen. „Krieg muss | |
| überwunden werden, wenn man nicht will, dass Menschen fliehen“, sagt er und | |
| schlägt einen ähnlichen Ton an wie seine designierten Nachfolger Sahra | |
| Wagenknecht und Dietmar Bartsch. | |
| Die zukünftigen Fraktionschefs der Linkspartei veröffentlichten am | |
| Wochenende ein gemeinsames Positionspapier zur Flüchtlingspolitik. [1][Die | |
| Schuld an den hohen Flüchtlingszahlen schoben sie darin in erster Linie in | |
| Richtung Washington]: „Westliche Staaten unter der Führung der USA haben | |
| ganze Regionen destabilisiert“, schrieben die beiden Linken-Politiker. | |
| Gysi wird konkreter: Syrien, Libyen, Irak, Jemen und Somalia – überall dort | |
| gebe es keinen funktionierenden Staat mehr. Oft seien solche Failed States | |
| eine Folge der „vom Westen geführten Kriege“; außerdem kauften | |
| Kriegsparteien ihre Waffen häufig bei deutschen Herstellern. | |
| Als Gysi mit seiner Aufzählung fertig ist, dreht er sich um. Er sei | |
| gespannt, was die Bundeskanzlerin dazu zu sagen habe, ruft er in Richtung | |
| der Regierungsbank. | |
| ## Merkel geht nicht auf Gysi ein | |
| Als Angela Merkel selbst später am Rednerpult steht, geht sie auf Gysis | |
| Schuldfrage aber gar nicht erst ein. Die Kanzlerin redet über die | |
| Verteilung der Verantwortung innerhalb der EU, [2][über die Integration der | |
| Neuankömmlinge in Deutschland] und über Abschiebungen abgelehnter | |
| Asylbewerber. Bei den Fluchtursachen bleibt sie aber nebulös. „Wir merken | |
| plötzlich über europäische Grenzen hinaus: Wenn wir außenpolitisch etwas | |
| nicht tun, kann das innenpolitisch gravierende Folgen haben“, sagt Merkel. | |
| Das ist alles. | |
| Kontra bekommt Gysi erst später, zumindest indirekt. Am Nachmittag, als | |
| sich die Reihen im Plenarsaal längst gelichtet haben, erhält Außenminister | |
| Frank-Walter Steinmeier das Wort. Er spricht über den Krieg in Syrien, von | |
| wo so viele Flüchtlinge nach Deutschland aufbrechen. | |
| Der Atom-Deal mit dem Iran böte Hoffnung, auch in Syrien wieder an den | |
| Verhandlungstisch zu kommen, sagt der Außenminister. Er sei bestürzt, dass | |
| ausgerechnet jetzt Frankreich und Russland über Luftangriffe in Syrien | |
| nachdenken – und Russland offenbar Militärmaterial an Syriens Präsident | |
| Assad liefere. „Es kann nicht sein, dass jetzt wichtige Partner, die wir | |
| brauchen, auf die militärische Karte setzen“, sagt Steinmeier. | |
| Bei Gregor Gysi war davon am Vormittag nicht die Rede. Mit Kritik an | |
| Militärschlägen des Westens und der USA hatte sich der Linken-Fraktionschef | |
| zwar nicht zurückgehalten. Über [3][Putins mutmaßliche Waffenlieferungen an | |
| Assad] beschwerte er sich aber mit keinem Wort. | |
| 9 Sep 2015 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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