# taz.de -- Berliner Rapper Romano: „Vielleicht wirke ich etwas kunstig“ | |
> Geflochtene Zöpfe, dazu ein Mix aus Rap, Metal und Schlager: Romano sorgt | |
> für Verwirrung. Ein Gespräch über Köpenick, L.A. und flaschensammelnde | |
> Omis. | |
Bild: „Diese Buntheit von Köpenick prägt mich tatsächlich“: Romano, dess… | |
taz: Romano, die Bierstube, in der wir sitzen, heißt „Hauptmann von | |
Köpenick“. Der war das bekannteste Original Ihres Heimatbezirks Köpenick. | |
Und jetzt kommen Sie! | |
Romano: So als das nächste Original aus Köpenick? Wieso nicht. Ich empfand | |
den Hauptmann immer als sehr charmant, weil er dem wilhelminischen | |
Deutschland ein Schnippchen schlug. Der hat einfach gesagt: Ich wage das | |
jetzt mal. Das mache ich ja als Künstler auch so, was ausprobieren, ohne | |
nach Erlaubnis zu fragen. Ick marschier einfach los. | |
Sie marschieren schon sehr lange und querbeet durch die Musiklandschaft. | |
Stimmt. Ende der 90er habe ich in einer Rockband gesungen. Danach war ich | |
in verschiedenen Projekten unterwegs: Drum and Bass, Elektro, Schlager. | |
Wegen Ihrer wilden Stilmixe und Ihres Äußeren halten viele Sie für eine Art | |
Kunstfigur. | |
So wird oft jemand bezeichnet, den man nicht fassen kann. Die Leute | |
schieben halt gern Schubladen auf und zu. | |
Wie sehen Sie sich selbst? | |
Als Eckensteher und Szenenwanderer. Ich finde alle möglichen Lebensbereiche | |
spannend. Vielleicht wirke ich ein bisschen kunstig, weil ich so | |
übergreifend agiere, überall und nirgends bin. Nach der Wende wurde ich von | |
so vielen neuen Einflüssen überrollt: Da gab es MTV Headbangers Ball und | |
diese norwegische Chaoskultur Black Metal, parallel dazu die HipHop-Kultur. | |
Ich habe in Köpenick in einem Jugendklub auch mit Breakdance angefangen und | |
war Sprüher. HipHop fand ich total cool. Schon als Kleinkind hatte ich bei | |
meinem Vater auf den Schultern so eine Art Beatbox-Ding veranstaltet. Diese | |
Rhythmussache hat mich immer fasziniert. Und als ich den Techno entdeckte, | |
war das noch mal ein ganz anderer Einfluss. | |
Ihr Song „Metalkutte“ wurde dieses Jahr ein YouTube-Hit. Mit der Verbindung | |
von Rap und Metal konnten einige Metaller nichts anfangen, die fühlten sich | |
sogar verarscht. | |
Ich als Blackmetal-Rapper, da waren einige irritiert. Es gab sogar ein paar | |
Anfeindungen, dabei meine ich das keineswegs als Verarsche. Ich war ja | |
selber früher so drauf. Außerdem gab es solche Mixturen immer schon, zum | |
Beispiel Aerosmith und Run DMC. Diese Szenevorschriften – das darf ich und | |
das nicht – interessieren mich nicht. | |
Sie scheuen nicht mal vor Schlager zurück? | |
Das rührt aus meiner Kindheit, in der ich so schlagereskes Zeug wie Roland | |
Kaiser mitbekam. Außerdem habe ich RIAS gehört und die Popkultur der 80er | |
aufgesogen. George Michaels „I Want Your Sex“ habe ich in der Schule mit | |
falschem Englisch performt. Ich liebte es, wenn positive Stimmung entsteht. | |
Im Prinzip ist das bis heute mein Motto: Freude in die Welt bringen. | |
2009 taten Sie das mit der CD „Blumen für dich“, die Sie im Stil des früh… | |
Christian Anders – weißer Anzug, langes, blondes Haar – auch live | |
präsentiert haben. War das ernst gemeint? | |
Oft ist es ja so, dass man plötzlich Lust hat, etwas zu machen, und dann | |
bremst man sich selbst aus, weil man überlegt, was könnten die anderen | |
denken. Auch viele meiner Freunde hielten mich für wahnsinnig. Aber ich | |
dachte: Egal, ich mache einfach. Dahinter steckte kein Kalkül, die Sache | |
war total aus dem Moment entstanden. Ich war bei meinem Freund Jan Driver, | |
einem Technoproduzenten, als der an einem Remixauftrag arbeitete. Als ich | |
auf dem Klo saß, während der Track lief, habe ich so für mich darauf | |
gesungen. Das hat Jan gehört und meine Stimme spontan auf den Remix gelegt. | |
Daraus entstand der Schlager „Worte der Liebe“, den wir an die Plattenfirma | |
zurückschickten. | |
Auf dem Album „Jenseits von Köpenick“ scheint alles noch mal komprimiert. | |
Spiegelt dieser Stilmischmasch auch den Köpenick-Mischmasch von rührig, | |
relaxed, rau und randberlinisch? | |
Ja, ich glaube diese Buntheit von Köpenick prägt mich tatsächlich. Der | |
Bezirk hat schon sehr verschiedene Seiten: die rauere Ecke rund um den | |
S-Bahnhof, die feinere Gegend an der Bölschestraße oder in Rahnsdorf mit | |
dem sogenannten Millionenhügel. Der heißt so, weil da schon zu DDR-Zeiten | |
etliche bekannte Musiker von Puhdys, Karat und so wohnten. Deren Kinder | |
wurden damals oft ebenfalls Musiker – ich selbst hatte mit einigen in der | |
Band Maladment gespielt –, und so gab es in Köpenick immer auch eine sehr | |
kreative Szene. Klar war ich als Teenager nach der Wende häufig in Mitte | |
unterwegs, aber in den Jugendklubs hier draußen ging auch ordentlich was | |
ab. Im ABC-Klub trafen sich Gruftis und Sharp Skins, Linke und Rechte, | |
zwischen denen natürlich auch oft die Fäuste flogen. | |
Wollten Sie nie weg? | |
Nie. Für mich ist der Kiez ein kleines Paradies. Ich merke, wenn ich ein | |
paar Tage weg bin, wie ich mich aufs Zurücksein freue. Deshalb ja auch der | |
Song „Köpenick“. Ich wollte unbedingt mal eine Ode an Köpenick schreiben. | |
Vor allem mag ich die Leute hier. | |
Deshalb tanzen Sie auch gern mit ihnen zusammen durch Videoclips? | |
Das ergibt sich einfach so. Ich unterhalte mich gern mit Leuten, ob nun mit | |
Obdachlosen oder mit der Bäckerin. Ich finde es interessant, Menschen, und | |
was sie so bewegt, kennenzulernen. Ich will mich nicht nur auf mich | |
konzentrieren, weil wir ja alle irgendwie Teil eines Ganzen sind. Auch mit | |
den Stammkunden von Margittas Imbiss bei mir um die Ecke halte ich immer | |
mal einen Schwatz. Eines Tages höre ich, wie die Leutchen da „S.O.S. – Ich | |
liebe dich“ und andere Lieder von meiner Schlager-CD singen, die ich ihnen | |
mal geschenkt hatte. Also habe ich sie gefragt, ob sie nicht Lust hätten, | |
in einem Video mitzumachen. | |
Warum wurde das Video zum Song „Köpenick“ ausgerechnet in Los Angeles | |
gedreht? | |
Ich habe Köpenick nach L. A. getragen, weil es in meiner Fantasie eine | |
starke Verbindung zwischen den Orten gibt. Anfang der 90er hatte ich sehr | |
viel Westcoast-HipHop gehört. Snoop Doggy Dogg und so. Damals habe ich mir | |
im Kopf Köpenick auch so ein bisschen wie L. A. aufgebaut. Der Müggelsee | |
war der Pazifik, Rahnsdorf war Long Beach. Wieso also nicht Köpenick in L. | |
A. drehen, so wie früher im Kopfkino?! | |
Wie kommt man dann auf ein Lied wie „Brenn die Bank ab“? | |
Es ist schon ein paar Jahre her, da sah ich hier in Köpenick Omis, die in | |
Mülltonnen nach Flaschen wühlten. Mir kamen wirklich die Tränen, weil ich | |
dachte: Das kann nicht wahr sein, die haben bestimmt viele Jahre | |
gearbeitet, und jetzt können sie nicht mal von ihrer Rente leben. Diese | |
Eindrücke haben sich bei mir eingefressen. Erst wollte ich den Song | |
Englisch singen, aber dann dachte ich, dass man das doch auf Deutsch | |
müsste. Worte wie „Waffenexport“ und „Menschenhandel“ musst du einfach… | |
klar ausdrücken. Ich wollte aufzeigen wie die Fronten verlaufen zwischen | |
dieser totalen Dekadenz und Gier auf der einen Seite und dem einfachen | |
Bürger auf der anderen Seite, der kaum sein Leben fristen kann. Was mir | |
halt in letzter Zeit aufgefallen ist, dass die Kluft größer wird. Wenige | |
Leute besitzen sehr viel, andere ackern für fast nichts. Irgendwas stimmt | |
da nicht. | |
Gab es wieder Szenereaktionen, zum Beispiel von den Linksradikalen? | |
Auf Twitter haben mir Autonome geschrieben: Toll, jetzt haben wir unseren | |
Song. Dabei fühle ich mich gar nicht als Politaktivist. | |
Gab es Beschwerden? | |
Neulich fragte mich ein Journalist: Wieso rappst du so was, uns geht’s doch | |
allen gut? Okay, der war gerade 20, trotzdem musste ich kurz schlucken. Zu | |
DDR-Zeiten saßen wir in einer Zelle, die war grau. Jetzt ist die Zelle halt | |
bunt beklebt, und vielleicht steht noch eine Couch drin und ein | |
Flachbildfernseher. Natürlich nörgeln einige HipHopper, was das mit den | |
politischen Themen soll. Manche erwarten schlicht, dass ich nur darüber | |
rappe, wie ich der Frau an die Titten fasse und Geld rausschmeiße. Aber das | |
ist langweilig, ein ganzes Album darüber zu machen. Goldkette gehört zum | |
HipHop, okay, aber auch die Mülltonne. Wenn sich HipHop als Straßenmusik | |
gibt, verdammt noch mal, dann muss man auch über die Straße singen! | |
8 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Gunnar Leue | |
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