| # taz.de -- Regierungskrise in Thailand: Demokratie à la „Thai-Style” | |
| > Der vom Militär eingesetzte Reformrat hat den neuen Verfassungsentwurf | |
| > abgelehnt. Für großen Unmut sorgte eine in letzter Minute hinzugefügte | |
| > Klausel. | |
| Bild: Großes Polizeiaufgebot vor einer Protestdemonstration am 5. September in… | |
| Bangkok taz | Der Entwurf einer neuen Verfassung für Thailand ist am | |
| Sonntag abgelehnt worden. Bei der Abstimmung votierten 135 Mitglieder des | |
| von der Militärjunta ernannten Nationalen Reformrates (NRC) dagegen, 105 | |
| dafür und sieben enthielten sich. | |
| Somit wird das ursprünglich für Januar 2016 geplante Referendum nicht | |
| stattfinden. Auch die für kommendes Jahr angekündigten Wahlen werden sich | |
| verzögern – mindestens bis 2017. In der Zwischenzeit beginnt das Prozedere | |
| aufs Neue: Binnen eines Monats muss das Militär ein neues Komitee damit | |
| beauftragen, einen weiteren Entwurf auszuarbeiten, der nach 180 Tagen | |
| vorliegen soll. | |
| Die abgelehnte Version, die die Grundlage für Thailands 20. Verfassung in | |
| über 80 Jahren hätte bilden sollen, war bereits vorab heftig kritisiert | |
| worden: Politiker rivalisierender Lager sowie Aktivisten hatten sie als | |
| absolut undemokratisch bezeichnet. | |
| So monierte die einstige Regierungspartei Puea Thai, die das Militär im Mai | |
| 2014 nach Straßenprotesten aus dem Amt geputscht hatte, die Souveränität | |
| des Volkes werde komplett missachtet und die Macht gewählter Politiker | |
| deutlich geschwächt. Zudem hätte der neue Entwurf künftige Interventionen | |
| der Armee legitimiert. Ein seiner Entscheidungsbefugnisse fast völlig | |
| beraubtes Parlament hätte dabei als Feigenblatt dienen sollen. | |
| Für besonderen Unmut sorgte eine in letzter Minute hinzugefügte Klausel: | |
| Diese hätte einem von Militärs und Polizei dominierten „Krisengremium” die | |
| Macht eingeräumt, im Falle einer Krise einzuschreiten. | |
| ## Handverlesene Kandidaten | |
| Selbst Abhisit Vejjajiva, Vorsitzender der mit Thailands alter, | |
| royalistischer Elite verbandelten Demokratischen Partei, die die Proteste | |
| Ende 2013 und Anfang 2014 gegen die damalige Regierungschefin Yingluck | |
| Shinawatra offen unterstützt hatte, plädierte dafür, der NRC solle den | |
| Entwurf ablehnen, um ihn zu überarbeiten. | |
| Vorgesehen war, dass von 200 Senatoren – den Vertretern des Oberhauses – | |
| 123 von den Militärs und deren Umfeld ernannt werden sollten. Die übrigen | |
| 77, die jeweils eine thailändische Provinz vertreten, sollten gewählt | |
| werden. Allerdings hätten nur von der Armee und dem konservativen | |
| Establishment handverlesene Kandidaten antreten dürfen. | |
| Im Unterhaus hätte ein ausgeklügeltes Proporzsystem dafür gesorgt, dass die | |
| großen politischen Parteien keine absoluten parlamentarischen Mehrheiten | |
| mehr erhalten hätten. Der Vorstoß zielte vor allem gegen den 2006 vom | |
| Militär gestürzten Expremierminister Thaksin Shinawatra, dessen Parteien | |
| alle Parlamentswahlen seit 2001 gewonnen hatten. | |
| ## Politische Dauerkrise | |
| Kurz vor der Abstimmung am Sonntag kursierten Meldungen, wonach Angehörige | |
| der Junta den NRC insgeheim aufgefordert hätten, mit „Nein” zu stimmen. Im | |
| Laufe des Tages hieß es dann in einem Twitter-Eintrag, alle NRC-Mitglieder | |
| aus Reihen des Militärs hätten den Entwurf zurückgewiesen. Auf den ersten | |
| Blick erscheint dies unlogisch: Die neue Verfassung war ja darauf angelegt, | |
| die Herrschaft der Armee und der alten Eliten auch nach möglichen Neuwahlen | |
| zu zementieren. | |
| Manche Kritiker mutmaßen, dass die Junta nur Zeit schinden wollte: Sie habe | |
| letztlich mit einem Entwurf an die Öffentlichkeit gehen wollen, den sie | |
| selbst als Demokratie à la „Thai-Style” schönredete, von dem sie aber | |
| insgeheim vermutete, dass dieser spätestens beim Referendum im Januar | |
| abgeschmettert worden wäre. Dann hätte sich Thailands politische Dauerkrise | |
| aufs Neue entzündet – Militärherrschaft hin oder her. | |
| Schon vor geraumer Zeit hatten Beobachter gegenüber der taz erklärt, sie | |
| rechneten ohnehin nicht damit, dass es in absehbarer Zukunft zu Wahlen | |
| komme. | |
| 7 Sep 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Nicola Glass | |
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