# taz.de -- Kommentar Neue Willkommenskultur: Schaffen wir das? | |
> Im europäischen Vergleich ist Merkel auf einmal flüchtlingspolitisch | |
> links außen. Wie wird sie mit dieser Rolle umgehen? | |
Bild: In München wurden die angekommenen Flüchtlinge herzlich begrüßt. | |
Geschichte wird gemacht. 25 Jahre nach dem Mauerfall geht es wieder um | |
offene Grenzen in Europa. Deutschland steht im Mittelpunkt des Interesses | |
und weiß noch nicht genau, wie es damit umgehen soll. Die vergleichsweise | |
offen formulierte Flüchtlingspolitik Angela Merkels (“Wir schaffen das“) | |
ist von vielen, die sich derzeit auf der Flucht befinden, als Einladung | |
verstanden worden – zumindest aber als Einverständnis zur Einreise nach | |
Deutschland. Die Haltung Merkels ist höchst erfreulich. Doch wie kann sie, | |
wie können wir diese hohen Erwartungen dauerhaft erfüllen? | |
Natürlich hat die Attraktivität Deutschlands als Fluchtziel nicht nur | |
politische Gründe. Allein der Wohlstand und die hier vermuteten | |
Arbeitsmöglichkeiten ziehen viele Menschen an. Trotzdem ist es | |
bemerkenswert, dass eine CDU-Kanzlerin inzwischen flüchtlingspolitisch | |
europaweit links außen steht. Merkel ist damit ein großes Risiko | |
eingegangen. | |
Vor ein paar Wochen wurde in Deutschland noch darüber räsoniert, ob wir ein | |
neues Einwanderungsgesetz brauchen oder nicht. Die CDU war eher skeptisch | |
bis ablehnend. Jetzt kommen Tausende. Täglich. In vollen Zügen oder | |
schlicht zu Fuß. Obwohl sie das nach geltenden EU-Regeln eigentlich nicht | |
dürften. Und was macht die CDU-Kanzlerin? Sie äußert sich unbürokratisch, | |
menschlich. | |
Die Flüchtlinge werden derzeit von den Behörden durchgewunken und, endlich | |
in Merkel-Land angekommen, von vielen Bürgern freundlich begrüßt, weil | |
viele begriffen haben: Jetzt geht es nicht mehr um Einwanderung in der | |
Theorie, sondern um Schutz und konkrete Hilfe für Flüchtlinge in Not. Doch | |
gleichzeitig bröckelt die politische Hilfsbereitschaft. Die CSU hat sich | |
bereits distanziert. Auch in der CDU wird es lautere Fragen geben: Was | |
genau können wir schaffen? | |
Wer die aktuelle Aufnahmebereitschaft aufrechterhalten will, muss darauf | |
Antworten finden: Wie erreichen wir mehr Solidarität in der Gesamt-EU? Und | |
ja, auch das: Wie gehen wir mit Menschen um, die keinen Anspruch auf Asyl | |
haben? Einfach offene Grenzen zu fordern wird nie mehrheitsfähig sein. Die | |
Diskussionen über harte Seiten der Migrationspolitik müssen auch Linke | |
führen. Sonst übernehmen die ganz Rechten die Debatte. Und einfach auf | |
Merkel sollte man sich auch nicht verlassen. Dafür hat sie ihre Meinung, | |
wie bei der Atompolitik, schon zu oft geändert. | |
6 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Lukas Wallraff | |
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