Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Der typische Pendler: Steuerflüchtige Luftverpester
> Über 40 Prozent der in Bremen Beschäftigten leben in Niedersachsen und
> der Großteil pendelt mit dem Auto. Aber wer pendelt da? Eine Studie hat‘s
> jetzt erhoben.
Bild: Pendler auf dem Weg zur Arbeit nach Bremen? Nein, die nehmen lieber das A…
BREMEN taz | Die Zahl derjenigen, die aus dem niedersächsischen Umland zum
Arbeiten nach Bremen pendeln, ist gewachsen. Das geht aus einer aktuellen
[1][Studie der Arbeitnehmerkammer] hervor – und die befasst sich zum ersten
Mal nicht nur mit der quantitativen Entwicklung der Pendleranzahl, sondern
geht auch der Frage nach: Was ist der typische Pendler?
Die Antwort: Er ist männlich, auch wenn der Anteil der pendelnden Frauen in
den vergangenen 15 Jahren leicht zugenommen hat, gut qualifiziert, gut
verdienend, zwischen 45 und 54 Jahre alt und Familienvater. Er wechselt
selten seinen Arbeitsplatz und zieht nicht gern um.
Letzteres, sagt Ingo Schierenbeck, Geschäftsführer der Arbeitnehmerkammer,
begründe sich vor allem im Mangel an Angeboten: „Bremen muss bessere
Voraussetzungen für Familien schaffen, um Wohneigentum zu erwerben –
kommunales Bauland darf nicht immer nur an den Höchstbietenden verkauft
werden.“ In Bremerhaven wiederum seien die Mieten zwar günstig, aber es
gebe innerstädtisch kaum Möglichkeiten „für eine lockere Bebauung. Die
Leute wollen ein Häuschen im Grünen oder wenigsten weitestgehend
freistehend.“
## Es werden immer mehr Pendler
Gependelt wird vor allem aus Weyhe, Delmenhorst, Stuhr, Achim, Schwanewede
und Osterholz-Scharmbeck nach Bremen und aus dem Landkreis Cuxhaven nach
Bremerhaven. Insgesamt hat sich die Zahl der PendlerInnen seit dem Jahr
2000 bis Ende 2014 um gut 17.000 erhöht. Für die Stadt Bremen bedeutet das
einen Zuwachs von über 13 Prozent, für Bremerhaven sogar von knapp 26
Prozent. Im Vergleich: Der Anteil der Menschen, die in Bremen leben und
arbeiten, ist um nur 4,9 Prozent angestiegen, in Bremerhaven um nur 2,2
Prozent.
Während sich die Zahl der PendlerInnen von Bremerhaven nach Bremen seit dem
Jahr 2000 sogar verringert hat, ist sie umgekehrt gestiegen: 17.000
ArbeitnehmerInnen sind im vergangenen Jahr täglich von Bremen nach
Bremerhaven gependelt, vor 15 Jahren waren es noch 11.000. „Bremerhaven hat
durch die Windenergiebranche und die Entwicklung von Forschungs- und
Wissenschaftseinrichtungen in den vergangenen Jahren attraktive
Arbeitsplätze hinzugewonnen“, sagt Schierenbeck.
Insgesamt pendeln jeden Tag 128.000 Menschen zum Arbeiten nach Bremen, das
sind 42,5 Prozent aller in Bremen und 46,6 Prozent aller in Bremerhaven
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Das Nettoeinkommen der
PendlerInnen liegt im Durchschnitt 380 Euro höher als das der
nicht-pendelnden Beschäftigten im Land.
## Steuereinnahmen gehen flöten
Dem geht dadurch nicht nur ein erheblicher Teil an Steuereinnahmen
verloren, auch die Belastung der Umwelt durch die PendlerInnen ist groß: 82
Prozent von ihnen fahren mit dem Auto zur Arbeit und wieder zurück – in
Hamburg sind es 70 Prozent, in Berlin sogar nur 64 Prozent. Auch bei den
„Auspendlern“, also jenen, die ihren Wohnort Bremen zum Arbeiten verlassen,
ist der Anteil der PKW-Fahrer mit 73 Prozent sehr hoch. Von denjenigen, die
sowohl in Bremen leben als auch arbeiten, fahren nur 45 Prozent mit dem
Auto zur Arbeit.
Nicht die Entfernung der Arbeitswege, die bei über der Hälfte aller Pendler
unter 25 Kilometer pro Weg liegt, sei der Grund für die
überdurchschnittlich hohe Nutzung des PKW, sagt Kai-Ole Hausen, Referent
für Wirtschaft und Infrastrukturentwicklung bei der Arbeitnehmerkammer,
sondern der schlecht ausgebaute öffentliche Nahverkehr: „Genauso wie bei
der Straßenbahnlinie 4 müssen dringend weitere ÖPNV-Verlängerungen ins
Umland vorangetrieben werden.“ Auch die Anbindung an Gewerbegebiete sowie
die Fahrpläne seien deutlich ausbaufähig: „Während Arbeitszeitmodelle immer
flexibler werden, gilt beim ÖPNV noch immer nine to five.“
Bessere Verbindungen fordern auch die Beschäftigten: Eine
Betriebsrätebefragung der Arbeitnehmerkammer im Februar hat ergeben, dass
sich ArbeitnehmerInnen vor allem eine Senkung der Fahrpreise, eine
Abstimmung des Angebots auf die Arbeitszeiten und pünktliche und
umsteigefreie Verbindungen wünschen.
4 Sep 2015
## LINKS
[1] http://www.arbeitnehmerkammer.de/presse/pressearchiv/20150904_pendler.html
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Bremen
Niedersachsen
Pendler
Öffentlicher Nahverkehr
Dieselskandal
Hamburg
Regionalverkehr
Bahncard
## ARTIKEL ZUM THEMA
BSAG-Vorstand über ÖPNV-Tarife: „Preissenkung ist überlegenswert“
Damit mehr Leute auf Bus und Bahn umsteigen, fordert die Bremer Fraktion
der Grünen ein Jahresticket für einen Euro am Tag. Hajo Müller von der BSAG
ist nicht abgeneigt.
VW-Abgasskandal: Auch für die Steuer wird‘s teuer
Allein in diesem Jahr nimmt der deutsche Staat 1,8 Milliarden Euro weniger
an Kfz-Steuer ein, weil er von falschen Abgaswerten ausging.
Tariferhöhung: HVV um jeden Preis
Der Hamburger Verkehrsverbund beantragt die nächste Tariferhöhung um fast
zwei Prozent. In nur vier Jahren steigen die Fahrpreise damit um über elf
Prozent
Chaos im Bahnverkehr nach Sturm: Sechs Stunden in der Pendlertaxe
Trotz Unwetter schickte die Bahn in Berlin Regionalzüge auf die Strecke –
die dort dann liegen blieben. Ein Erfahrungsbericht.
Kommentar Bahncard: Ein Volk der Pendler
Die Bahncard muss gerettet werden. Nur mit ihr können die Deutschen die
Anforderungen des heutigen Arbeits- und Liebeslebens bewältigen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.