# taz.de -- Fetischfest in Berlin-Schöneberg: „Lady Gaga hat eine Schürze v… | |
> Auf dem Folsom-Europe-Straßenfest feiert am Wochenende die Fetischszene. | |
> Marc Lindinger, Chef der Butcherei, stattet sie seit zehn Jahren modisch | |
> aus. | |
Bild: Auch Handschellen gibt es in der Butcherei: Teilnehmer am CSD tragen sie … | |
taz: Herr Lindinger, was genau ist eine Butcherei? | |
Marc Lindinger: Der Name ist Wortspiel und Konzept zugleich: Unser Laden | |
ist gestaltet wie eine Fleischerei, mit Haken und allem. Das englische | |
butcher heißt nicht nur Metzger, sondern steht auch für männlich-kerlig. | |
Wir sind also kein Metzgereifachgeschäft – auch wenn schon mal am | |
Samstagmorgen zwei Kanadier reinkamen und Fleisch kaufen wollten. | |
Ein Fachgeschäft sind Sie aber trotzdem. Wer kauft bei Ihnen | |
Wrestlingmasken aus Latex, Cockringe aus Edelstahl oder | |
Latexpolizeiuniformen? | |
Normalerweise unterscheidet man zwischen Fetischisten und S/M-Anhängern. | |
Erstere stehen auf Objekte: Sie lieben ein bestimmtes Gefühl auf der Haut, | |
einen Look, ein Spiel. Für Sadomasochisten hingegen ist nicht das Objekt | |
entscheidend, sondern der Schmerz. Da tut es dann auch eine Kette aus dem | |
Baumarkt. Unsere Kunden sind Fetischisten, die Wert auf Qualität, Passform, | |
auf ansprechendes Design legen – auch bei den Schmerzartikeln. | |
Sie selbst sind gelernter Maßschneider, haben Modedesign studiert und als | |
Kostümbildner gearbeitet. Was reizt Sie so an Rugbyhosen und | |
Bondagegeschirren? | |
Das Schöne an der Fetischszene ist ihre Vielfalt: Für jedes der | |
unendlich vielen Spiele entsprechendes Zubehör zu kreieren, finde ich | |
aufregend. Und es reizt mich, dem traditionell streng und schwarz | |
daherkommenden Fetischbereich modische Akzente zu verleihen. Unsere Outfits | |
haben frische Farben und verspielte Details: Wer sagt schließlich, dass man | |
beim Sex nicht lachen darf? | |
Vor zehn Jahren sorgte das Grußwort des Regierenden Bürgermeisters Klaus | |
Wowereit an das Folsom-Fest für einen Eklat. Besonders die CDU regte sich | |
über eine positive Darstellung „sexueller Abartigkeiten“ auf. Heute treten | |
Popstars wie Lady Gaga in Latex auf und S/M-Fantasien gibt es in jeder | |
Bahnhofsbuchhandlung zu kaufen. Sind Sie mit Ihrem Laden im Mainstream | |
angekommen? | |
Die Nachfrage aus dem Mainstream und auch von Heteros wird tatsächlich | |
größer: Es kommen vermehrt junge Leute in den Laden, die gar keinen Fetisch | |
haben, sondern unsere Outfits zum Tanzen tragen wollen. Auch für | |
Modeshootings leihen wir unsere Kreationen gerne aus. Lady Gaga hat | |
übrigens eine Latexschürze von uns. Und der Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz | |
hat schon ein Lederoutfit von uns getragen. | |
Für jedermann sind Ihre Kreationen aber nicht: Ein Latexpoliceshirt | |
kostet in Ihrem Onlineshop 145 Euro, eine Rugbyhose aus Leder mehr als | |
1.000 Euro. Warum sind die Sachen so teuer? | |
Weil wir keine Massenauflagen produzieren, sondern individuell fertigen. | |
Jeder Körper bekommt bei uns seine perfekt sitzende Hülle angepasst. Und | |
wir legen Wert darauf, dass die Materialien strapazierfähig sind: | |
Handfesseln, mit denen jemand von der Decke gehängt werden soll, müssen | |
schließlich halten. Unsere Sexspielzeuge beziehen wir aus dem | |
Medizinhandel, um eine gute Qualität zu gewährleisten. | |
Wo im Medizinbereich braucht man denn Analhaken oder „Anhängekupplungen“ | |
aus Stahl? | |
Das sind Sonderanfertigungen. Einige Medizinfirmen fertigen inzwischen auch | |
Sexspielzeuge, etwa Keuschheitsgürtel oder Bondageketten. Die sind | |
strapazierfähig, solide verarbeitet ohne unerwünschte Kanten und lassen | |
sich leicht reinigen. | |
Für die äußerst schmerzhaft aussehenden „Pain Socks“ mit Schloss und | |
Nietensohle dürfte die Nachfrage aber nicht massenhaft sein, oder? | |
Nein, von diesen Spezialartikeln verkaufen wir vielleicht fünf Stück im | |
Jahr. Zum Teil auch ohne Nägel. Dafür ist die Nachfrage nach dem | |
klassischen Lederkerloutfit ungebrochen, nicht zuletzt durch den | |
Zigarrenfetisch, der im Kommen ist. | |
Was ist ein Zigarrenfetisch? | |
Das ist die Lust am Eigengeruch eines strengen Daddys, der Leder trägt und | |
Zigarre raucht. Auf dem Folsom-Fest sponsern wir eine Zigarrenlounge mit | |
klassischen Lederkerloutfits: Stiefeln, Reiterhosen – Breeches genannt | |
–, Polizeihandschuhen, Schirmmützen. Und im Laden gibt es „Prosecco for | |
Pigs“ – für alle, die es versaut mögen und gerne feiern. | |
11 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Nina Apin | |
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