# taz.de -- Kolumne Vollbart: Homos in den Bunker | |
> Einblicke in die Welt der Sünder. | |
Bild: Berlin, Symbol des Molochs. | |
Oh nein! Heterosexualität wird zu einem Schimpfwort. Mittlerweile schämen | |
sich ja die Menschen schon zu sagen, dass sie an traditionelle | |
Familienwerte glauben. Schlimm, schlimm. | |
Viel besorgniserregender für all diese armen Heteros – die sich nun | |
öffentlich überall beschweren, wenn sie ihren ganzen Mut zusammennehmen – | |
sind aber Städte wie Berlin. Symbol des Molochs. Sodom und Gomorra. Der | |
Höllenschlund. Die göttliche Apokalypse wird kommen – und Berlin treffen. | |
Hier ist einfach alles so Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll. Gut, vielleicht | |
nicht in Charlottenburg. Aber eben überall sonst in Berlin, vor allem so in | |
Kreuzberg, Friedrichshain und dem verrückten Neukölln. Und schließlich | |
beherbergt Berlin auch den wildesten Club der Welt, das Berghain. Dort | |
treffen sich alle Sünder auf einmal, um den Teufel anzubeten und ihre | |
satanischen, sexuell uneindeutigen Rituale zu vollziehen. | |
Das verrückte Berlin. So wild. Und weil ich so viel Verständnis für die | |
Probleme heterosexueller Menschen in dieser Stadt habe, verlasse ich auch | |
mit meinem Arsch das Haus nicht mehr. Ich tanze stattdessen in meiner Küche | |
nackt zu italienischen Schlagern und schaue mit L. die neue verrückte | |
Netflix-Serie „Unbreakable Kimmy Schmidt“. Das ist schließlich schon beides | |
ziemlich wild und aufregend – fast schon zu ergreifend. Und die armen | |
Heteros gewinnen dadurch auch noch: Sie müssen mich nicht auf der Straße | |
sehen, weil die goldene Regel schließlich besagt: „Ich habe nichts gegen | |
Homosexuelle, solange sie in ihren vier Wänden bleiben.“ Und da das für | |
mich Sinn ergibt und auch ganz logisch klingt, gehen L. und ich eben nicht | |
mehr aus, damit die Heteros sich nicht mit uns und unserer Katze | |
auseinandersetzen müssen. | |
Die Katze ist nun nämlich leider auch homosexuell geworden, weil sie eben | |
gezwungen wird, mit zwei schwulen Männern zusammenleben. Und wenn es schon | |
die Katze trifft, dann … | |
… sollten wir uns mal überlegen, was mit Kinder alles passieren könnte. | |
Aber darum kümmert sich niemand. Die armen Kinder – und von nun an eben | |
auch die armen Katzen. | |
Die Katze wird dann auch noch von zwei Ausländern mit islamistischem Bart | |
großgezogen, die beide aus einem Land stammen, in dem demokratische Werte | |
und Prinzipien nicht wirklich was zählen. Wie steht es denn da in diesem | |
Land nur um die Rechte von Frauen und Nichtheterosexuellen? | |
Was soll aus der Katze nun eigentlich werden? Sie heißt auch noch wie ein | |
ehemaliger italienischer Pornostar, der dann auch noch Politikerin geworden | |
ist, Cicciolina, in Referenz an Ilona Staller. Und das klingt außerdem auch | |
noch so fremd, so anders, so komisch. Gertrude hätte es doch auch getan. | |
Oder Käthe. | |
Vielleicht sollten L. und ich Cicciolina einfach an eine gute deutsche | |
Familie abgegeben, in der alles stimmt, so mit Mutter, Vater, Kind, blondem | |
Haar und Abendbrot. Dann hätte Cicciolina auch eine Chance auf eine | |
akademische Ausbildung und würde nicht so wild Mäuse im Garten fangen und | |
uns in die Wohnung bringen. | |
Wahrscheinlich würde sie auch der Versuchung widerstehen, Drogen nehmen zu | |
müssen, wie das in Berlin eben alle machen. Schlimm, schlimm. | |
Daher mein Appell: Liebe Heteros, bitte rettet uns und unsere | |
nichtheterosexuellen Katzen vor der göttlichen Apokalypse. Vielleicht könnt | |
ihr uns ja, wie Kimmy Schmidt aus der Serie, einfach für 15 Jahre in einen | |
Bunker einsperren. Nur so eine Idee. Vielleicht hilft es ja. Wichtig wäre | |
nur: Der Bunker sollte nicht in Berlin sein. | |
14 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Enrico Ippolito | |
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