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# taz.de -- Kolumne Vollbart: Eine Portion Selbstbeweihräucherung
> Helfen ist geil. Vor allem dann, wenn es kommuniziert, geteilt, geliked
> wird.
Bild: Ohne sie geht nichts: Helfer am Lageso.
Jetzt ist F. zurück. Wir sitzen in meiner Küche. Wie es sich gehört, habe
ich Pasta gekocht. Wie es sich gehört, trinkt F. Prosecco und ich
Perroquet. Und wie es sich gehört, greifen abwechselnd F. und ich zu
unseren Telefonen. Plötzlich verdreht F. die Augen und ich verdrehe sie
auch. Denn F. sagt: „Ich kann diese Posts nicht mehr ertragen.“ Ich: „Was
für Posts?“. F: „Diese ganze Selbstbeweihräucherung von
Flüchtlingshelfern.“
Ständig tauchen Statusmeldungen auf, die immer so beginnen: „Eigentlich
wollte ich ja nichts dazu schreiben, aber …“ Dann kommt ein ewig langer
Eintrag über das geile persönliche Engagement. Ach, was für ein wohliges
Gefühl. Deutschland hilft. Deutschland fühlt sich gut. Deutschland darf
stolz auf sich sein. Berlin bringt Wasser, Berlin liefert Klamotten ab,
Berlin ist geil.
Selbstverständlich ist Helfen eine schöne Geste, eine nötige. Und viele
wollen irgendwie helfen – aber oft ohne Sinn und Verstand. Also werden die
letzten Lumpen aus dem Keller zusammengetragen, egal ob sie gebraucht
werden oder nicht. Hauptsache Helfen wie es gerade passt, ohne in Konflikt
mit dem Staat oder so zu geraten. Wo waren eigentlich alle, als diese
Wichser-Nazis auf die Kinder in einer S-Bahn gepisst und sie beleidigt
haben? Warum hat sich nicht der Wagon zusammengetan und die zwei
Arschlöcher zusammengeschlagen? Eben.
Helfen ist geil. Aber vor allem dann, wenn es kommuniziert, geteilt,
geliked wird. Helfen ist auch relativ einfach, weil die Machtverhältnisse
klar sind. Und weil die guten Deutschen sich endlich wieder gut fühlen
können. Helfen zeigt, wie Deutschland angeblich wirklich ist – eben nicht
rassistisch. Währenddessen wird darüber gestritten, welche Flüchtlinge
reinkommen sollen, welche nicht? Wer benötigt am dringendsten unsere Hilfe?
Um es zynisch zu formulieren: Mit wem kann ich am besten ein Selfie posten
und die meisten Likes bekommen?
F., ihr Glas in der einen, die Zigarette in der anderen Hand: „Am meisten
nervt mich dieses ganze Gerede über Stolz. Stolz auf was? Dass hier
geholfen wird? Das muss so!“ Ich: „Na ja, endlich dürfen die guten
Deutschen eben wieder gute Patrioten sein – nicht nur im Fußball.“
6 Sep 2015
## AUTOREN
Enrico Ippolito
## TAGS
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