# taz.de -- Die österreichische Band Wanda: Ich sauf einen Pistolenlauf | |
> Die Rampensäue von Wanda können auch zärtlich sein. Das zeigen sie bei | |
> ihrem Konzert in Potsdam. Wild, barsch und doch liebenswürdig. Amore! | |
Bild: Rampensau: Sänger Michael Marco Fitzthum – hier bei einem Auftritt im … | |
Marco Michael Wanda schenkt einem Zuschauer eine Schachtel Zigaretten. | |
Später regnet es von überall Zigaretten auf die Bühne. Beim Lied „Ich will | |
Schnaps“ wirft er sich in die Menge und gleitet über die Hände der Fans bis | |
zur Bar, um sich dort einen Schnaps zu bestellen. | |
Das Publikum liebt die österreichische Band Wanda. Und sie liebt zurück – | |
Amore, wie die Band sagen würde und wie sie auch ihr Debütalbum im Jahr | |
2014 nannte. Es hat Anfang August Platin erhalten, wurde also über 200.000 | |
Mal verkauft. Ihr zweites Album „Bussi“ erscheint am 2. Oktober – nun nic… | |
mehr beim kleinen österreichischen Label Problembär Records, sondern beim | |
Major Universal. Zwei der neuen Stücke, „Meine beiden Schwestern“ und „1, | |
2, 3, 4“, spielen sie schon auf ihrer Tour. Das Konzert am vergangenen | |
Samstag im Waschhaus in Potsdam ist ausverkauft, das Publikum singt | |
begeistert mit. | |
„Prost!“, ruft Marco, der mit bürgerlichem Namen Michael Marco Fitzthum | |
heißt, ihm zu und trinkt Wein. Sein Jeanshemd ist offen, in seiner Hose | |
klaffen Löcher an den Knien und am Gesäß. Er kreist lasziv seine Hüften, | |
dreht sich mit ausgestreckten Armen im Kreis, klatscht wie beim Flamenco | |
neben seinem Kopf in die Hände. Immer wieder lässt er sich auf den Boden | |
fallen. Dazu plärrt er seine Texte im Wiener Dialekt: „Wannst bsoffen | |
wirst, redst immer nur von ihr!“ Wild, barsch und dennoch liebenswürdig | |
singt er zu einer Mischung aus Indierock und Country. | |
Die andere Rampensau des Quintetts ist der Bassist Reinhold Weber. | |
Breitbeinig tanzt er sich in Ekstase, singt mit Zigarette im Mund, lässt | |
seine Gitarre hin und her schaukeln, bindet sich sein Handtuch um den Kopf. | |
Auch die anderen spielen wie in Trance. Der Schweiß läuft ihnen herunter, | |
ihr Blick ist leicht verschleiert. „Ich sauf keinen Schnaps, ich sauf einen | |
Pistolenlauf!“, singen sie im Chor. Die Euphorie überträgt sich auf den | |
Saal. Die Konzertgäste zwischen zwanzig und sechzig hüpfen, kreischen und | |
singen davon, dass sie mit ihren Cousinen schlafen wollen und eine Luzia | |
ihnen wehtun soll. | |
## Zynischer und schalkhafter Humor | |
Dass die Band auch weniger derb kann, zeigt die jazzige Soul-Einlage von | |
„Schickt mir die Post“ mit Christian Hummer am Keyboard. Später trommelt | |
der Schlagzeuger Lukas Hasitschka afrikanisch anmutende Rhythmen. Die | |
Wiener Band hat sich 2012 gegründet. Ihre Heimat spielt für sie eine große | |
Rolle. Benannt haben sie sich nach der Wiener Zuhälterin Wanda Kuchwalek, | |
der Wilden Wanda. Der zynische und schalkhafte Humor à la Wiener Schmäh | |
dringt durch ihre Songs: „Sterben wirst du leider in Wien, da g’hörst du | |
hin.“ | |
Trotzdem ist es unfair, sie nur mit anderen österreichischen Künstlern zu | |
vergleichen. Immer wieder fallen die Namen von Stars aus den 80er Jahren | |
wie Falco und heutigen Bands wie Bilderbuch. Von einem Hype, gar einer | |
Renaissance des Austro-Pop ist die Rede. Dieser Begriff reduziert Wanda | |
jedoch auf ihre Herkunft und sagt nichts über ihre Musik aus. Selbst | |
bezeichnen sie ihren Stil etwas selbstironisch als „Popmusik mit Amore“. | |
Ihre Liebe zu Italien wird in ihrem berühmtesten Lied „Bologna“ deutlich: | |
„Wenn jemand fragt, wohin du gehst, sag nach Bologna! Wenn jemand fragt, | |
wofür du stehst, sag für Amore!“ | |
Das Magazin The Gap und der Blog [1][Walzerkönig] werfen der Band eine | |
Tendenz zum Sexismus vor. Frauen seien bei ihnen bloß Lustobjekte und | |
leicht verfügbar. Wanda bestreitet die Vorwürfe, frauenfeindlich zu sein. | |
Beim Konzert fordern sie nach Männern und Frauen auch Transgender-Menschen | |
auf, die Liedzeile „Ans, zwa, drei, vier, es ist so schön bei dir!“ | |
nachzusingen. Gerne sind sie zärtlich: Marco gibt dem Gitarristen Manuel | |
Christoph Poppe ein Bussi auf den Mund. | |
Lust ist ein durchgängiges Thema in beiden Alben, das Laster im | |
Allgemeinen, der Rausch, das Leben im Moment, Liebe, Tod, Enttäuschung. | |
Zuneigung ist ihr Markenzeichen. Am Ende verschenken sie alles, was sie | |
entbehren können: Bier, Wasser, Drumsticks und die zerknüllte Liste der | |
Songs. | |
24 Aug 2015 | |
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[1] http://walzerkoenig.tumblr.com/ | |
## AUTOREN | |
Julika Bickel | |
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