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# taz.de -- Geflüchtete in Tschechien: Willkommen mit Handschellen
> Tschechien will Flüchtlinge aufnehmen. Aber nicht mehr als 1.500. Meist
> werden die Menschen wie Verbrecher behandelt.
Bild: Eine Pro-Flüchtlingsdemo im Juli in Prag.
Prag taz | Wer heutzutage vom Prager Hauptbahnhof verreisen will, fällt vor
allem eines auf: selbst die Anzahl der Rucksacktouristen, die hier jeden
Sommer herströmen, verblasst vor der momentanen Polizeipräsenz. Tschechien
ist auf Flüchtlingsjagd. Knapp 1.000 illegale Migranten hat die Polizei in
Prag, um Brünn und auf den Transitstrecken nach Deutschland und Österreich
gefasst.
Die Tschechen gehen die Flüchtlingskrise nicht zimperlich an. Wer erwischt
wird, muss damit rechnen, wie ein Schwerverbrecher behandelt zu werden. In
Handfesseln werden sie zu gut gesicherten Flüchtlingsheimen gebracht, bis
sie wieder laufen gelassen oder abgeschoben werden.
„Es kommen zwar immer mehr Flüchtlinge, aber wir fassen täglich manchmal
Hunderte“, rühmt sich Tschechiens Polizeipräsident Tomaš Tuhý. Der reale
Durchschnitt aber belaufe sich auf 30, fügt er schnell hinzu. „Noch vor ein
paar Monaten waren es dabei um die 15, die Zahlen steigen also, und zwar
schnell“, sagt Tuhý.
Wie hoch der Anstieg im Vergleich zu 2014 sein wird, als 2.500 Flüchtlinge
erwischt wurden, bleibt abzusehen. Selbst unter Schleusern gilt das Land
als äußerst unbeliebt. „Die Tschechische Republik hat den Ruf, dass ihre
Polizei und ihre Staatsorgane sehr rasant reagieren. Daher riskieren viele
Schlepper den Weg durch unser Land erst gar nicht, sondern suchen sich eine
bequemere Route“, meint Tomáš Haišmann, Leiter des Referats Asylpolitik
beim tschechischen Innenministerium. Tschechien gibt sich als einer der
härtesten Gegner europäischer Flüchtlingsquoten. Freiwillig würde man aber
so um die 1.500 aufnehmen, ließ Ministerpräsident Bohuslav Sobotka in
Brüssel verlauten.
Bis zu 200.000 Flüchtlinge wollen ins Land kommen, titelte hingegen die
Tageszeitung Mladá Fronta Dnes, die dem Vize-Ministerpräsidenten und
Finanzminister Andrej Babis gehört. Umfragen belegen zwar, dass kaum ein
Flüchtling in Tschechien bleiben will.
Das Thema aber bietet hier genug politischen Zündstoff. „Niemand hat euch
hierher eingeladen“, sagte kürzlich Staatspräsident Miloš Zeman. Damit
drückt er aus, was 80 Prozent der Bevölkerung glauben. Das Land ist von
einer teils lächerlichen Hysterie gepackt. So wird nahezu jeder Flüchtling
mit Dschihadisten gleichgesetzt. Ob in der Politik, den Massenmedien oder
den sozialen Netzwerken.
20 Aug 2015
## AUTOREN
Alexandra Mostyn
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Schwerpunkt Flucht
Tschechien
Prag
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EU-Flüchtlingspolitik
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Asyl
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