# taz.de -- Flüchtlinge in Polen: Ein regelrechter Entsetzensschrei | |
> Über 4.000 Flüchtlinge baten 2015 in Polen um Asyl. Dort stoßen sie auf | |
> wenig Empathie. Dabei waren viele Polen einst selbst auf der Flucht. | |
Bild: 25. Juli 2015: In Warschau wird gegen die Aufnahme von Flüchtlingen prot… | |
Warschau taz | Das Wort „Asyl“ ist in Polen heute fast unbekannt. Vielen | |
Polen erscheint es geradezu unvorstellbar, dass politisch Verfolgte | |
ausgerechnet in ihrem Land Zuflucht und Hilfe suchen könnten. Noch immer | |
herrscht die Vorstellung vor, dass man doch selbst ein potenzieller | |
Emigrant sei. Als die Europäische Kommission Polens Regierung vor ein paar | |
Wochen darum bat, knapp 4.000 Kriegsflüchtlinge aus Eritrea und Syrien | |
aufzunehmen, löste das bei rechten wie linken Politikern einen | |
Entsetzensschrei aus. | |
Rund 70 Prozent der Polen sind gegen jede Aufnahme von Flüchtlingen aus | |
Afrika und dem Nahen Osten, wie ein Umfrage für die konservative | |
Tageszeitung Rzeczpospolita zeigte. Am Ende erklärte sich die Regierung | |
zähneknirschend bereit, 2.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Die Kosten in Höhe | |
von rund 70 Millionen Euro für Unterbringung, Verpflegung und Integration | |
werde die EU tragen, erklärte Premier Kopacz. | |
Angesicht von Hunderttausenden Asylbewerbern in Nachbarstaaten wirken die | |
4.199, die im ersten Halbjahr 2015 Asyl in Polen beantragten, als hätten | |
sie sich in der Adresse vertan. Tatsächlich stellen in Polen vornehmlich | |
jene Pechvögel einen Asylantrag, die vom Grenzschutz aufgegriffen wurden. | |
Dies waren in diesem Jahr vor allem Tschetschenen. Da sie zumeist die | |
russische Staatsbürgerschaft haben, müssen sie damit rechnen, nach Moskau | |
abgeschoben zu werden. Zudem stellten 1.345 Ukrainer sowie 208 Georgier | |
einen Asylantrag. | |
Anerkannt wurden in den ersten sechs Monaten gerade mal 273 Flüchtlinge, | |
die meisten von ihnen aus Syrien, Ägypten und dem Irak. Auch sie hält es | |
meist nicht lange im Land. Die Integrationszeit ist mit einem halben Jahr | |
viel zu kurz angesetzt und die Hilfe insgesamt zu gering. Fast alle ziehen | |
weiter nach Westen. | |
Radoslaw Sikorski, bis vor Kurzem Außenminister Polens, hatte 1981, als | |
General Jaruzelski das Kriegsrecht über Polen verhängte, Asyl in | |
Großbritannien erhalten. Mit einem staatlichen Stipendium studierte er in | |
Oxford, wurde Journalist und machte im ab 1989 wieder freien Polen | |
politische Karriere. Doch als jetzt diskutiert wurde, wie viele Flüchtlinge | |
das Land aufnehmen könnte, schwieg er. | |
Nur Roza Thun, die heute für Polen im Europäischen Parlament sitzt, | |
plädierte öffentlich für die Aufnahme von Flüchtlingen. 1981 hatte sie | |
Zuflucht in Deutschland gefunden. | |
21 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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