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# taz.de -- Netflix-Serie „Narcos“: Plata o plomo?
> Die Serie „Narcos“ auf Netflix erzählt vom Aufstieg und Fall des
> legendären kolumbianischen Drogenbarons Pablo Escobar.
Bild: Zwischen Nähe und Sadismus: Schauspieler Walter Moura als Pablo Escobar.
Man kann nicht behaupten, dass ein Angebot von Pablo Escobar alternativlos
wäre. Seine Gegner stellt der mächtigste und gefährlichste Drogenbaron der
Welt vor die Wahl: „Plata o plomo“ – Silber oder Blei, Schmiergeld oder
Krieg.
Wem sein Leben lieb ist, dem fällt diese Entscheidung leicht, denn auf der
Abschussliste eines Mannes zu stehen, der zu seinen Hochzeiten 80 Prozent
des Kokainmarkts beherrschte und zu den weltweit reichsten Männern der Erde
zählte, das will keiner.
Doch obwohl der sadistische Kopf des Drogenkartells das Land in den 1980er
Jahren mit seiner Terrorherrschaft überzog, die bis heute ihre Spuren in
der kolumbianischen Gesellschaft hinterlassen hat, ist seine Wahrnehmung
ambivalent. Weil der selbst aus ärmlichen Verhältnissen stammende Escobar
sein Geld an Arme verteilte, ihnen Häuser schenkte und in sozial schwachen
Vierteln Krankenhäuser und Schulen bauen ließ, wird er in einigen Teilen
seiner Heimatstadt Medellin als Wohltäter verehrt.
„Ich habe Häuserwände gesehen, auf denen sein Konterfei neben dem von Jesus
zu sehen ist“, erzählt der brasilianische Schauspieler Wagner Moura, der in
der Serie „Narcos“ die Rolle Escobars übernommen hat.
## Moralische Grauzonen
Moura ist einer der Lieblingsschauspieler von Regisseur José Padilha, der
zusammen mit dem Autor Chris Brancato für den Videostreamingdienst Netflix
die Geschichte über den Aufstieg und Fall Pablo Escobars und den
Drogenkrieg der USA in Kolumbien inszeniert. Der südamerikanische
Filmemacher hat sich in Spielfilmen wie „Tropa de Elite“ und dem Remake von
„Robocop“ ausgiebig mit Korruption, Polizeigewalt und Drogenmafia
auseinandergesetzt.
Dass er sich nun diesem ikonografisch aufgeladenen Thema in epischer Länge
widmet, ist folgerichtig. Die serielle Narration gilt als die
Königsdisziplin der Erzählkunst, weil sie mit ihren ausgedehnten
Handlungsbögen und sorgfältigen Charakterstudien der Ambivalenz der Figuren
und der Komplexität ihrer Sujets gerecht werden kann.
Padilha und Brancato stellen überdeutlich heraus, dass es die moralischen
Grauzonen sind, die sie in „Narcos“ besonders interessiert. Sei es bei
Escobar, den Moura meisterhaft zwischen menschlicher Nähe und empathielosem
Sadismus darzustellen weiß, oder in der zwiespältigen Rolle der
US-Regierung, die hier durch die beiden Drogenfahnder Steve Murphy und
Javier Pena verkörpert wird.
## Kein tiefgründiges Charakterdrama
Eben jener Murphy ist es auch, der die Erzählerrolle in der Serie
übernimmt. Er macht es durch seine abgeklärte Kommentierung aus dem Off den
Zuschauern zwar einfacher, sich im Handlungs- und Figurengewirr von
„Narcos“ zu orientieren. Mit seiner Redseligkeit nimmt er aber den Bildern
auch einiges an Wucht.
Den Machern scheint ohnehin kein tiefgründiges Charakterdrama vorgeschwebt
zu haben, vielmehr arbeiten sie mit den bekannten Mitteln des Mafia- und
Polizeifilms. Der abgeklärte Ton Murphys und die dazu von Padilha
meisterlich inszenierten Montageszenen erinnern an Martin Scorseses
Mobster-Epos „Good Fellas“.
Bemerkenswert an „Narcos“ ist Padilhas stilsischer-akribische Inszenierung,
der daran gelegen ist, die zeithistorische Komponente so authentisch wie
möglich zu rekonstruieren. Handkameras und originale TV-Ausschnitte
unterstreichen dabei den dokumentarischen Charakter, der von einer
konsequenten Bilingualität gekrönt wird, die für eine US-Produktion dieser
Größenordnung beispiellos ist.
An Originalschauplätzen in Kolumbien gedreht, besetzt der Regisseur weite
Teile des Casts mit lateinamerikanischen Darstellern und setzt auf
minutenlange Dialoge in spanischer Sprache. Es ist eine richtungsweisende
kreative Entscheidung, auch wenn die Gründe für Netflix eher
wirtschaftlicher als künstlerischer Natur sein dürften. Vielmehr
untermauert das rasant-wachsende Streaming-Imperium damit seine Öffnung und
Erweiterung in Richtung Lateinamerika.
27 Aug 2015
## AUTOREN
Jens Mayer
## TAGS
Pablo Escobar
Netflix
Netflix
Reiseland Kolumbien
Die Couchreporter
Netflix
Erinnerungskultur
Drogenkartell
Drogen
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