# taz.de -- Kosten für Unterbringung: Flüchtlinge zur Kasse, bitte! | |
> Weil sich Behörden in Pinneberg nicht einigen können, wer die Kosten für | |
> die Unterbringung von Flüchtlingen übernimmt, schickt die Verwaltung | |
> Mahnbriefe. | |
Bild: Sticker vom Gerichtsvollzieher: Pfandsiegel. | |
HAMBURG taz | In Pinneberg haben vor Kurzem Flüchtlinge Post vom | |
Vollstreckungsbeamten der Stadt bekommen. Darin werden sie aufgefordert, | |
selbst für ihre Unterbringung in Pensionen und Hotels zu bezahlen. | |
Vollstreckungsbeamte sind so etwas wie die hausinternen Gerichtsvollzieher | |
von Stadtverwaltungen: Mitarbeiter, die Schulden eintreiben. | |
Hintergrund ist ein Streit zwischen der Stadt und dem Landkreis, wer von | |
beiden für die Kosten der Unterbringung aufkommen muss. Die nämlich fallen | |
in manchen Fällen höher aus als üblich: Weil es in der | |
schleswig-holsteinischen Kreisstadt wenig Sozialwohnungen und wenig | |
Leerstand gibt, brachte die Stadt einige Flüchtlinge und Obdachlose | |
vorübergehend in Pensionen unter, wie der Rathaus-Sprecher Marc Trampe | |
sagte. Das ist teurer als die Unterbringung in Mietwohnungen. | |
Im Idealfall läuft es aus Sicht der Stadt so: Sie weist den Schutzsuchenden | |
eine Unterkunft zu und stellt ihnen dafür einen Betrag in Rechnung. Damit | |
sollen sie zum Sozialamt des Kreises gehen, das die Kosten dann erstattet. | |
Wie hoch der Betrag ist, den das Amt übernimmt, ist je nach Lage und Größe | |
der Unterkunft verschieden und liegt in Pinneberg zwischen 170 und 433 Euro | |
pro Person. | |
Sind die Kosten wie bei der Hotelunterbringung höher, muss der Kreis auch | |
diese Kosten kurzfristig tragen – die Frage ist nur, wie lange | |
„kurzfristig“ ist. Die Position des Landkreises: zwei Monate. In der | |
Stadtverwaltung hält man das für unrealistisch. Die nämlich bleibt auf den | |
Kosten sitzen, wenn der Kreis aufhört zu zahlen. | |
Um trotzdem Geld zu kommen, stellte sie den Flüchtlingen die Kosten in | |
Rechnung – und schickt im Zweifel auch den Vollstreckungsbeamten los, wenn | |
kein Geld auf den städtischen Konten ankommt. | |
Die Flüchtlinge wiederum haben einen rechtlichen Anspruch auf Erstattung | |
der Unterbringungskosten gegenüber dem Kreis, den sie einklagen können. Die | |
Stadt kann den Kreis nicht verklagen. | |
Der städtische Fachbereichsleiter Finanzen schrieb in einer internen Mail | |
an die Fraktion „Grüne und Unabhängige“ des Pinneberger Kreistags: „Sol… | |
Ihnen eine betroffene Person bekannt sein, die gegebenenfalls die | |
Bereitschaft aufweisen würde, gegen den Kreis zu klagen, bitte ich Sie, | |
sich mit mir in Verbindung zu setzen.“ | |
Hat die Stadt also versucht, die Flüchtlinge zu instrumentalisieren, damit | |
diese den Kreis verklagen? Rathaus-Sprecher Trampe weist den Vorwurf | |
zurück. „Wir haben lediglich angeboten, eine Person dabei zu unterstützen, | |
wenn sie klagen möchte“, sagt er der taz. | |
Im Übrigen hätte die Stadt gar nicht wissen können, dass es sich bei den | |
Betroffenen um Flüchtlinge handelt, erklärte er. Die Daten der Sozialämter | |
unterlägen dem Sozialdatenschutz. „Es könnten auch Obdachlose sein“, sagte | |
Trampe. | |
„Das ist Quatsch“, urteilte Joachim Dreher von der „Grünen und | |
Unabhängigen“-Fraktion des Kreistags. So viele Pensionen mit Flüchtlingen | |
gebe es nicht. Die Stadt will den Flüchtlingen jetzt erst Mal keine | |
Gerichtsvollzieher mehr schicken. | |
Man versuche stattdessen, eine Regelung zu finden, um den Sozialdatenschutz | |
zu umgehen – und zu prüfen, ob die Betroffenen Flüchtlinge oder „normale | |
Obdachlose“ seien. Bei Flüchtlingen würde man von den Forderungen absehen, | |
bei Obdachlosen nicht. | |
18 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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