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# taz.de -- Die Wahrheit: Diktator auf Ex
> Hausbesuch bei Dr. Anselm Frobinger, der keine Lust mehr hat, den Globus
> zu drangsalieren – Weltherrschaft i.R.
Munter zwitschern die Drohnen um das Waldgrundstück am Tegernsee.
Wohlgenährte, gut gelaunt wirkende Roboterkrieger mähen den Rasen,
schaufeln große Beete um, die nur scheinbar an Massengräber erinnern, und
tarnen sie flugs mit Rosenhecken. Ein freundlicher Homunkulus öffnet die
Tür der stattlichen Villa.
Drinnen sieht alles eigentlich ganz normal aus – wie bei jedem anderen
handelsüblichen Ottonormal-Milliardär. Die Fotos, die den Hausherrn mit
Gaddafi, Adolf Hitler III. und allen sieben Bush-Klonen zeigen, wirken auch
nicht verstörender als das, was bei Gaucks überm Kaminsims hängt.
Dann explodiert plötzlich eine Blendgranate. Ninjakrieger lassen sich an
Seilen herab, positionieren sich an strategischen Punkten im Wohnzimmer.
Aus dem Rauch tritt ein sympathischer Mittfünfziger im Jogginganzug. Und
wirklich: Es ist unser Gastgeber – genau wie man ihn von den
Interpolplakaten kennt. Dr. Anselm Frobinger, alias das „Graue Phantom“,
alias „Dr. Dagger“, alias „der Kratokrat“.
## Lena Meyer-Landrut als Idee
Er geht lächelnd auf uns zu, umarmt uns innig, während er uns galant auf
Waffen abtastet. Dann bittet er uns, Platz zu nehmen. Sacht klacken die
eisernen Manschetten um unsere Gelenke, als unsere Arme auf der Lehne zum
Liegen kommen.
Dreißig Jahre hat er für „den Laden“, wie er die Welt scherzhaft nennt,
geschafft. Hat Kontinente bewegt, Länder zerstört, tödliche Plagen auf die
Menschheit losgelassen: „Lena Meyer-Landrut war meine Idee, so viel bin ich
Ihnen schuldig. Würde ich heute auch anders machen.“ Von Reue will er aber
nicht sprechen: „Wenn ich es nicht gemacht hätte, hätte es ein anderer
gemacht. Und mal ehrlich, es war einfach eine geile Zeit, Weltherrscher zu
sein!“ Unirdische Klänge dringen aus einer verborgenen Musikbox, die
Klimaanlage pumpt angenehm parfümierte Chemtrails in den Raum.
Frobingers Interesse an totaler Kontrolle erwacht schon in jungen Jahren,
bei der Lektüre der Autobiografie von Joschka Fischer. „Da wusste ich, eine
Welt, die so etwas zulässt, muss komplett unterworfen und wieder in die
richtige Bahn gelenkt werden.“ Frobinger wird Praktikant bei den
Freimaurern, Werkstudent bei den bayerischen Illuminati, Ferienjobber bei
Atlantikbrücke e. V., arbeitet zwei Semester lang beim ADAC-Magazin.
Er nimmt privaten Unterricht in Massenhypnose, Giftmischerei und
Step-Aerobic, trifft sich regelmäßig abends mit den Guttenbergs und anderen
Reptilienmenschen. Seinen Master in Death Ray Construction Science sowie
Monstrous Genetics an der ETH Zürich erhält er mit dem Prädikat „besonders
furchterregend“; anschließend studiert er Figurentheater in Stuttgart und
schließt mit einem „Master of Puppets“ ab. Ein Dominator, dem die Welt zu
Füßen liegen sollte.
Mit der Hand verscheucht Frobinger ein paar rote Laserpunkte, die sich auf
seiner Brust und seinem Kopf niedergelassen haben. „Die wollen nur
spielen!“ Mit DENEN meint er SIE, also JENE. Aber wer steckt hinter JENEN?
„Das weiß ich auch nicht mehr genau, ich bin ja auch schon eine Weile raus
aus dem Business. Aber ich vermute, dass mit JENEN auch noch nicht das Ende
erreicht ist. Irgendwoher müssen JENE ja auch ihre Befehle empfangen.
Möglicherweise gibt es da draußen Pronomen, von denen nicht einmal Bastian
Sick weiß!“
## Straflager als Trainee
Die Welt der Weltherrschaft ist komplizierter, als die meisten denken.
Frobinger erzählt, wie es nach der Uni weiterging: „Internationaler
Währungsfonds, Besuch der Straflager auf Neptun, einige unschöne
Auseinandersetzungen mit einem Immobilienspekulanten aus Atlantis, der
einfach keine Schönheitsreparaturen durchführen wollte. Dabei liegen
sämtliche Wohnungen unter Wasser! Das passiert dir auch nur in diesem
Geschäft.“
Nachdem er seinen mobilen Erdbebengenerator zur Marktreife gebracht hat,
ist Frobinger plötzlich gefragt. „Damals setzten alle auf Erdbeben, um
Probleme zu lösen. Ganz typisch für die frühen Nullerjahre! Die jungen
Leute machen das heute mit Dürren. Ist besser ‚skalierbar‘, wie sie das
nennen. Okay, aber ich möchte halt gern auch was sehen von meiner Arbeit.“
Plötzlich springt Frobinger auf und entsichert seinen Schmerzstrahler.
„Annika-Diskordia! Kommst du da wohl runter?!“, ruft er, als seine
vierjährige Tochter auf den riesigen Globus klettert, der die Südseite des
Wohnzimmers ausfüllt. Dabei zerstampft Annika-Diskordia versehentlich Tokio
und Peking. Schuldbewusst rennt das Mädchen auf ihn zu.
Frobinger wuschelt ihr durchs Haar: „Ganz der Papa! Immer erst auf die
Asiaten! Und jetzt geh bitte zur Mama und lass dir dein Hirn waschen!“ Als
die Kleine davongerannt ist, erklärt er: „Wir haben einen
vergessensorientierten Erziehungsansatz, bei dem wir die schlimmsten
Kindheitserinnerungen schon dann löschen, wenn sie entstehen – und nicht
erst dreißig Jahre später in der Therapie.“ Es scheint, dass Frobinger auch
als Aussteiger nicht von alten Gewohnheiten lassen will.
## Das Nervenkostüm als Exitgrund
Was hat ihn, den ehemaligen „Schrecken von Düsseldorf“, dazu bewogen,
seinen Beruf aufzugeben? All die Raumstationen, die Verließe? „Irgendwann
machen die Nerven nicht mehr mit“, gesteht er. „Sehen Sie, das ist jetzt
schon der vierte Körper, den sie mir zur Verfügung gestellt haben. Aber das
Hirn altert ja auch! Und irgendwann sind Sie ein dreihundert Jahre alter
Superschurke, gefangen im Körper ihres eigenen zwanzigjährigen
Urgroßenkels! Das fühlt sich einfach falsch an. Wie Inzest mit sich
selbst.“
Bei näherer Befragung gibt Frobinger zu, dass auch die
Medienberichterstattung ihren Teil zu seinem frühen Ausstieg beigetragen
hat: „Die Kritik ist einfach zu groß geworden. Alles wurde uns in die
Schuhe geschoben. Wenn irgendwer irgendwas auf Facebook postet, was einem
anderen nicht passt – bäm, schon sollen wir das gesteuert haben. Wenn mal
die Börse ins Minus stürzt, wenn mal das Internet versehentlich kopiert
wird – immer wird alles den ‚bösen Weltherrschern‘ in die Schuhe
geschoben.“
## Moralherrschaft als Clou
Dabei war die Branche gerade dabei, sich zu ändern. „Wir nannten das
‚ethical domination‘ – Herrschaft durch Moral. Viele Entscheidungen haben
wir an Algorithmen und Künstliche Intelligenzen abgegeben. Es klingt
paradox: An den wenigsten Menschheitsverbrechen heute sind echte Menschen
schuld!“ Doch der Druck wird zu groß: Als eine feindliche Organisation sein
Lieblingsland in die Luft sprengt, beschließt Frobinger, dass es Zeit für
die Rente ist.
Heute betreibt Frobinger eine Manufaktur für biologisch nachhaltige
Menschenzucht. „Die Kinder sind unsere Zukunft“, sagt er weise. „Also,
meine Kinder. Die mit den vier Armen und der Fähigkeit, Gehirne schmelzen
zu lassen.“ Sie werden es eines Tages besser haben als die altmodischen
Illuminaten aus dem 20. Jahrhundert.
„Von zukünftigen Weltherrschern haben wir die Welt nur geliehen“, sagt
Frobinger, als er uns die Spritze an die Vene setzt. Mit der endlichen
Ressource Welt mahnt er einen zurückhaltenden Umgang an: „Wir Illuminaten
haben die Welt nur kontrolliert. Es kommt aber darauf an, sie zu
verändern.“
15 Aug 2015
## AUTOREN
Leo Fischer
## TAGS
Diktatur
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Wladimir Putin
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