# taz.de -- Von Nazis getrennt, jetzt wieder vereint: Wiedersehen nach 70 Jahren | |
> 1944 nahmen die Nazis einer italienischen Zwangsarbeiterin die Tochter | |
> weg. Jetzt trafen Mutter und Tochter sich das erste Mal wieder. | |
Bild: Die 91 Jahre alte Italienerin Gianna hält einen Bildband mit Fotos der F… | |
BERLIN taz | Mehr als 70 Jahre nach ihrer Trennung haben sich eine von den | |
Nazis verschleppte Mutter und ihre Tochter wiedergefunden. Die heute 91 | |
Jahre alte italienische Mutter Gianna traf ihre mittlerweile 70-jährige | |
Tochter aus der Nähe von Frankfurt am Main am vergangenen Wochenende in | |
ihrem Wohnort in Novellara. | |
„Nie hätte ich zu hoffen gewagt, sie jemals in die Arme schließen zu | |
dürfen. Jetzt bin ich überglücklich, dass es ihr gutgeht und wir uns | |
kennenlernen können“, sagte die Tochter Margot Bachmann. | |
Das erstaunliche Wiedersehen kam dank der Hilfe des [1][Internationalen | |
Suchdienstes (ITS)] im hessischen Bad Arolsen zustande. Dieses Archiv- und | |
Dokumentationszentrum wurde 1955 gegründet, um die überlebenden NS-Opfer | |
bei der Suche nach Verwandten zu helfen. | |
Das ITS verwaltet heute rund 50 Millionen Hinweise zu 17,5 Millionen | |
Personen, darunter vor allem sogenannte Displaced Persons. Das waren etwa | |
10 Millionen nach Deutschland verschleppte Zwangsarbeiter, die sich nach | |
der Befreiung in den Westzonen befanden. | |
„Ich wollte wissen, wer meine Mutter war“, zitiert der Suchdienst Margot | |
Bachmann. Ihr Vater hatte daraus ein großes Geheimnis gemacht, und so | |
wusste sie nur, dass es eine Italienerin sein musste. Nach dem Tod des | |
Vaters wandte sich Bachmann an das Rote Kreuz, das sie an den ITS | |
weiterleitete. Dort gingen allein 2013 noch 13.313 ähnliche Anfragen aus 70 | |
Staaten ein. Mitarbeiter des Suchdienstes fanden tatsächlich Unterlagen | |
über die Mutter und recherchierten ihre Adresse. | |
## Das Kind kommt in ein Kinderheim | |
Die 1924 Geborene war von den Nazis als Zwangsarbeiterin in einem | |
Rüstungsbetrieb nahe Heidelberg verschleppt worden und musste in einem | |
Arbeitslager leben. Dort lernte sie 1943 einen deutschen Soldaten kennen. | |
Margot kam im Oktober 1944 zur Welt. Nur einen Monat später entzogen die | |
Nazis der Mutter die Vormundschaft und brachten das Baby in einem | |
Kinderheim unter. Von dort holte sie der mit einer anderen Frau | |
verheiratete Vater nach dem Krieg in seine Familie. Fragen nach ihrer | |
leiblichen Mutter waren dort streng verboten. | |
„Es war eine außerordentlich intensive Begegnung“, sagte die | |
ITS-Mitarbeiterin Friederike Scharlau zu dem Treffen von Mutter und | |
Tochter, dem sie beiwohnte. „Eine große Runde mit Verwandten aus beiden | |
Familien kam zusammen, und es wurden Fotos ausgetauscht.“ Die Mutter lebe | |
noch in ihrer eigenen Wohnung und habe nach dem Krieg zwei weitere Kinder | |
bekommen. Nur eine gemeinsame Sprache fanden Mutter und Tochter nicht, da | |
musste ein Dolmetscher aushelfen. | |
„Heutzutage ist es außerordentlich selten, dass sich Eltern und Kinder | |
wiederfinden, die durch das NS-Regime getrennt wurden“, sagte Scharlau. Die | |
meisten seien inzwischen verstorben. | |
12 Aug 2015 | |
## LINKS | |
[1] https://www.its-arolsen.org/de/startseite/index.html | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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