# taz.de -- Die SPD und das Kanzleramt: „Merkel macht das ausgezeichnet“ | |
> Soll die SPD auf einen Kanzlerkandidaten verzichten? Schleswig-Holsteins | |
> Regierungschef empört seine Partei mit unbequemen Wahrheiten. | |
Bild: Torsten Albig (SPD) findet Sigmar Gabriel auch toll. Aber reicht das gege… | |
BERLIN taz | Der Norddeutsche Rundfunk hatte für sein Sommerinterview mit | |
dem Ministerpräsidenten extra eine wunderschöne Kulisse ausgesucht. Torsten | |
Albig (SPD) sitzt dem Reporter entspannt auf der Sonnenterasse des Café | |
Pennekamp gegenüber, keine 100 Meter vor der Kieler Staatskanzlei. Im | |
Hintergrund leuchtet die Förde, weiße Yachten schaukeln auf den Wellen. | |
Albig, das karierte Hemd offen, neben sich einen Latte macchiato, antwortet | |
freundlich zum Landeshaushalt und zu Kitageld in Schleswig-Holstein. Doch | |
dann sagt er ein paar sehr hässliche Sätze, die die ganze SPD am Freitag in | |
Aufruhr versetzten. Sollte sich die SPD von einem eigenen Kanzlerkandidaten | |
2017 verabschieden? | |
„Sie macht das ganz ausgezeichnet. Sie ist eine gute Kanzlerin“, lobt Albig | |
Angela Merkel, als der Reporter nach dem 25-Prozent-Dauertief der SPD und | |
nach Gegenrezepten fragt. Merkel sei eine Kanzlerin, wie die Deutschen sie | |
mögen. „Das muss man zur Kenntnis nehmen.“ Es mache auch keinen Sinn, „s… | |
jeden Tag ein Beißholz zu nehmen und da weinend reinzubeißen.“ | |
Im Plauderton zieht Albig ein brisantes Fazit: Es sei schwer, die Wahl 2017 | |
gegen die Kanzlerin zu gewinnen. Auch eine Wahl, in der die SPD sage, sie | |
wolle Teil einer Bundesregierung sein, sei daher eine berechtigte Wahl. Für | |
ein solches Wahlziel brauche man einen starken Kandidaten, der die SPD in | |
die Regierung führe. „Ob die Bezeichnung Kanzlerkandidat noch richtig ist | |
oder nicht, das werden wir sehen.“ | |
## Diese Überlegung ist tabu | |
Damit hat die SPD, die sich seit Monaten selbst zerfleischt, einen neuen | |
Skandal. Albig deutet an, dass ein Wahlsieg gegen die populäre Merkel | |
illusorisch ist – und skizziert den Plan B der Juniorpartnerschaft. Eine | |
solche Überlegung offen auszusprechen ist tabu in der SPD, die sich trotz | |
des Umfrage-Tiefs als traditionsreiche Volkspartei mit Führungsanspruch | |
sieht. Wie bitte? Keine Chance mehr aufs Kanzleramt? | |
Das Dementi aus Berlin folgte prompt am Freitagmorgen: „Der Gedanke ist | |
völlig abwegig, dass die SPD ohne Kanzlerkandidaten in die Bundestagswahl | |
2017 gehen könnte“, [1][sagte Generalsekretärin Yasmin Fahimi dem Spiegel]. | |
„Die Große Koalition ist eine Veranstaltung auf Zeit.“ Auch andere wichtige | |
Sozialdemokraten hatten sich zuvor scharf von Albig distanziert. | |
„SPD will nicht Wettbewerb mit Grünen, wer 2017 Juniorpartner der Union | |
wird“, [2][twitterte SPD-Bundesvize Ralf Stegner.] „Regierungsdominanz | |
trotz 25 Prozent schon jetzt, Ziel bleibt Kanzleramt!“ Stegner, eine | |
profilierte Stimme des linken Flügels, ist Landes- und Fraktionschef in | |
Schleswig-Holstein, er arbeitet also eng mit Albig zusammen. | |
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sönke Rix, der aus Eckernförde stammt, | |
[3][twitterte erbost]: „Merkel macht ihren Job als Kanzlerin nicht | |
ausgezeichnet. Und es gäbe mit Sicherheit auch bessere Kanzlerinnen oder | |
Kanzler!“ Die niedersächsische Landtagsabgeordnete Doris Schröder-Köpf, die | |
mit Ex-Kanzler Gerhard Schröder verheiratet ist, machte es ganz kurz: „Oh | |
je“, [4][twitterte sie] und fügte einen traurigen Smiley an. | |
## „Überflüssig wie ein Kropf“ | |
Viele Genossen empören sich darüber, dass Albig im Sommerloch und ohne Not | |
eine überflüssige Debatte anstieß. Schließlich wäre es schon | |
demokratietheoretisch problematisch, würde die zweitgrößte politische Kraft | |
den Kampf ums Kanzleramt von vornherein aufgeben. Merkel ist ja keine | |
Monarchin, deren Machtanspruch quasi naturgegeben ist. Albig übersieht | |
zudem, dass sich die SPD mit einer solchen Strategie auch von der Option | |
Rot-Rot-Grün verabschieden würde, die ja zumindest in der Theorie noch | |
existiert. | |
Auf diesen Punkt zielt Juso-Chefin Johanna Uekermann. „Merkel macht keinen | |
guten Job“, sagte sie der taz. Sie denke dabei an die gescheiterte | |
Sparpolitik beim Thema Griechenland, an ihre verfehlte Flüchtlingspolitik | |
oder an ihr ungutes Bauchgefühl bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. | |
Uekermann folgert: „Statt weiter Juniorpartner sein zu wollen, müssen wir | |
endlich den Weg für Rot-Rot-Grün bereiten.“ | |
Im Berliner Willy-Brandt-Haus hält man den Vorstoß Albigs für eine | |
Einzelmeinung. „Diese Debatte ist überflüssig wie ein Kropf“, hieß es in | |
der Parteizentrale. Schließlich kämpfen SPD-Strategen seit Wochen mit | |
negativen Schlagzeilen. Gabriel verwirrte die Basis mit markigen Parolen in | |
der Griechenland-Debatte, zuvor setzte er mit einem Machtwort die | |
ungeliebte Vorratsdatenspeicherung durch. Der von Albig angestoßene | |
Kanzlerkandidaten-Streit setzt die katastrophale Performance munter fort. | |
Albigs Sommerinterview trifft auch deshalb einen wunden Punkt, weil seine | |
Analyse in weiten Teilen ehrlich ist. Führende Sozialdemokraten verzweifeln | |
ja daran, dass die Partei in Umfragen wie betoniert bei 25 Prozent | |
verharrt. Ebenso ist allen klar, dass es auch Merkels Beliebtheit dafür | |
verantwortlich ist, dass die Union in Umfragen über 15 Prozentpunkte vorne | |
liegt. | |
## Unbequeme Wahrheiten | |
Sigmar Gabriel soll auf einer Vorstandsklausur im Februar selbst analysiert | |
haben, dass seiner Partei zwischen Union, Grünen und Linkspartei nur ein | |
Potenzial von 27 Prozent bleibe. Er weiß, dass die Kanzlerkandidatur 2017 | |
auf ihn zuläuft. Und er weiß auch, wie schwierig dieses Unterfangen sein | |
wird. | |
Albigs Fehler war es also auch, unbequeme Wahrheiten öffentlich | |
auszusprechen, über die die SPD am liebsten schweigen würde. Hinter | |
vorgehaltener Hand vermuten Genossen, da wolle sich der Ministerpräsident | |
eines wenig bedeutenden Bundeslandes profilieren. Dafür spricht, dass Albig | |
das Spiel mit den Medien kennt wie kaum ein anderer. Er war drei Jahre lang | |
Sprecher des damaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück, bevor er | |
selbst in die Politik wechselte – erst als Kieler Oberbürgermeister, dann | |
als Ministerpräsident. | |
Sozialdemokraten erinnern sich noch gut daran, wie Albig sich 2012 als | |
erster aus der Deckung wagte, als es um die Kanzlerkandidatur für die | |
Bundestagswahl 2013 ging. Albig empfahl damals Frank-Walter Steinmeier, und | |
er riet seinem früheren Chef Peer Steinbrück ab (“Tu dir das nicht an!“). | |
Steinbrück werde das Korsett nicht mögen, in das er als Kandidat gezwängt | |
werde, lautete seine Analyse. | |
Im Rückblick lag Albig mit seiner Prognose goldrichtig. Vielleicht werden | |
sich die Sozialdemokraten im September 2017 an sein Sommerinterview im Café | |
Pennekamp erinnern. | |
24 Jul 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-albig-vorschlag-zur-kanzlerka… | |
[2] https://twitter.com/Ralf_Stegner/status/624253640103063552 | |
[3] https://twitter.com/SoenkeRix/status/624257027913707520 | |
[4] https://twitter.com/DorisSchroederK/status/624355371856084992 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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